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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.

Dabei wird, wie gesagt, bloß vorausgesetzt, daß das Auge des
Beobachters immer denselben Ort unverändert beibehalte. Allein
dieser Forderung wird man sehr leicht genügen, wenn man z. B.
an seinem Fensterstocke einen festen Nagel schief gegen den Ho-
rizont so einschlägt, daß das Fernrohr, während der Beobachtung,
in den Winkel, welchen der Nagel mit dem Fensterbalken bildet,
frei herabsinkt. In dieser Lage richtet man dann das Fernrohr
auf den Thurm so, daß das Auge die bekannte Stelle des Thurms,
wo der Eintritt des Sterns statt haben soll, in der Mitte des
Feldes erblickt.

Man sieht ohne meine Erinnerung, daß es zu solchen Beob-
achtungen am bequemsten ist, seine Uhr nach Sternzeit gehen zu
lassen, wie dieß auch auf allen Sternwarten bereits längst
eingeführt ist (Vergl. I. S. 319). Allein da wir nun einmal
daran gewöhnt sind, unsere Uhren nach mittlerer Sonnenzeit ge-
hen zu lassen, so können wir auch hier diese Einrichtung beibe-
halten, wenn wir nur bemerken, daß dann (I. S. 318) die mitt-
lere Zeit
der Verschwindung des Sterns hinter dem Thurme
jeden Tag um 3 Min. 55,907 Sek. früher statt hat, als an dem
vorhergehenden Tage. Auch mag man bemerken, daß der gewählte
Stern, der am ersten Tage zu einer für diese Beobachtungen be-
quemen und geschickten Abendstunde verschwindet, immer früher
am Tage zu dem Thurme kommen und daher am Ende durch das
vielleicht nur schwache Fernrohr ganz unsichtbar werden wird.
Diese Acceleration, die, nach dem Gesagten, täglich 3 Minuten
55,907 Sekunden beträgt, wird nach einem Monate nahe auf zwei,
und nach einem halben Jahre auf zwölf Stunden steigen. Allein
diesem Umstande läßt sich leicht begegnen, wenn man gleich die
ersten Nächte nicht bloß einen, sondern mehrere Sterne beobachtet,
deren Verschwindungen eine oder eine halbe Stunde von einander
entfernt sind. Wenn dann später auch die letzten dieser Sterne
schon zu nahe an dem Tage fallen, so kann man mit ihnen wieder
andere auf dieselbe Weise verbinden und in einem Jahre z. B.
50 Sterne beobachten, so daß in jeder halben Stunde des Tages
im ganzen Jahre wenigstens einer derselben beobachtet werden kann.

Diese Methode ist so einfach, daß es kaum nöthig seyn wird,
sie durch ein Beispiel zu erläutern. Gesetzt, man habe an irgend

Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.

Dabei wird, wie geſagt, bloß vorausgeſetzt, daß das Auge des
Beobachters immer denſelben Ort unverändert beibehalte. Allein
dieſer Forderung wird man ſehr leicht genügen, wenn man z. B.
an ſeinem Fenſterſtocke einen feſten Nagel ſchief gegen den Ho-
rizont ſo einſchlägt, daß das Fernrohr, während der Beobachtung,
in den Winkel, welchen der Nagel mit dem Fenſterbalken bildet,
frei herabſinkt. In dieſer Lage richtet man dann das Fernrohr
auf den Thurm ſo, daß das Auge die bekannte Stelle des Thurms,
wo der Eintritt des Sterns ſtatt haben ſoll, in der Mitte des
Feldes erblickt.

Man ſieht ohne meine Erinnerung, daß es zu ſolchen Beob-
achtungen am bequemſten iſt, ſeine Uhr nach Sternzeit gehen zu
laſſen, wie dieß auch auf allen Sternwarten bereits längſt
eingeführt iſt (Vergl. I. S. 319). Allein da wir nun einmal
daran gewöhnt ſind, unſere Uhren nach mittlerer Sonnenzeit ge-
hen zu laſſen, ſo können wir auch hier dieſe Einrichtung beibe-
halten, wenn wir nur bemerken, daß dann (I. S. 318) die mitt-
lere Zeit
der Verſchwindung des Sterns hinter dem Thurme
jeden Tag um 3 Min. 55,907 Sek. früher ſtatt hat, als an dem
vorhergehenden Tage. Auch mag man bemerken, daß der gewählte
Stern, der am erſten Tage zu einer für dieſe Beobachtungen be-
quemen und geſchickten Abendſtunde verſchwindet, immer früher
am Tage zu dem Thurme kommen und daher am Ende durch das
vielleicht nur ſchwache Fernrohr ganz unſichtbar werden wird.
Dieſe Acceleration, die, nach dem Geſagten, täglich 3 Minuten
55,907 Sekunden beträgt, wird nach einem Monate nahe auf zwei,
und nach einem halben Jahre auf zwölf Stunden ſteigen. Allein
dieſem Umſtande läßt ſich leicht begegnen, wenn man gleich die
erſten Nächte nicht bloß einen, ſondern mehrere Sterne beobachtet,
deren Verſchwindungen eine oder eine halbe Stunde von einander
entfernt ſind. Wenn dann ſpäter auch die letzten dieſer Sterne
ſchon zu nahe an dem Tage fallen, ſo kann man mit ihnen wieder
andere auf dieſelbe Weiſe verbinden und in einem Jahre z. B.
50 Sterne beobachten, ſo daß in jeder halben Stunde des Tages
im ganzen Jahre wenigſtens einer derſelben beobachtet werden kann.

Dieſe Methode iſt ſo einfach, daß es kaum nöthig ſeyn wird,
ſie durch ein Beiſpiel zu erläutern. Geſetzt, man habe an irgend

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[299/0311] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. Dabei wird, wie geſagt, bloß vorausgeſetzt, daß das Auge des Beobachters immer denſelben Ort unverändert beibehalte. Allein dieſer Forderung wird man ſehr leicht genügen, wenn man z. B. an ſeinem Fenſterſtocke einen feſten Nagel ſchief gegen den Ho- rizont ſo einſchlägt, daß das Fernrohr, während der Beobachtung, in den Winkel, welchen der Nagel mit dem Fenſterbalken bildet, frei herabſinkt. In dieſer Lage richtet man dann das Fernrohr auf den Thurm ſo, daß das Auge die bekannte Stelle des Thurms, wo der Eintritt des Sterns ſtatt haben ſoll, in der Mitte des Feldes erblickt. Man ſieht ohne meine Erinnerung, daß es zu ſolchen Beob- achtungen am bequemſten iſt, ſeine Uhr nach Sternzeit gehen zu laſſen, wie dieß auch auf allen Sternwarten bereits längſt eingeführt iſt (Vergl. I. S. 319). Allein da wir nun einmal daran gewöhnt ſind, unſere Uhren nach mittlerer Sonnenzeit ge- hen zu laſſen, ſo können wir auch hier dieſe Einrichtung beibe- halten, wenn wir nur bemerken, daß dann (I. S. 318) die mitt- lere Zeit der Verſchwindung des Sterns hinter dem Thurme jeden Tag um 3 Min. 55,907 Sek. früher ſtatt hat, als an dem vorhergehenden Tage. Auch mag man bemerken, daß der gewählte Stern, der am erſten Tage zu einer für dieſe Beobachtungen be- quemen und geſchickten Abendſtunde verſchwindet, immer früher am Tage zu dem Thurme kommen und daher am Ende durch das vielleicht nur ſchwache Fernrohr ganz unſichtbar werden wird. Dieſe Acceleration, die, nach dem Geſagten, täglich 3 Minuten 55,907 Sekunden beträgt, wird nach einem Monate nahe auf zwei, und nach einem halben Jahre auf zwölf Stunden ſteigen. Allein dieſem Umſtande läßt ſich leicht begegnen, wenn man gleich die erſten Nächte nicht bloß einen, ſondern mehrere Sterne beobachtet, deren Verſchwindungen eine oder eine halbe Stunde von einander entfernt ſind. Wenn dann ſpäter auch die letzten dieſer Sterne ſchon zu nahe an dem Tage fallen, ſo kann man mit ihnen wieder andere auf dieſelbe Weiſe verbinden und in einem Jahre z. B. 50 Sterne beobachten, ſo daß in jeder halben Stunde des Tages im ganzen Jahre wenigſtens einer derſelben beobachtet werden kann. Dieſe Methode iſt ſo einfach, daß es kaum nöthig ſeyn wird, ſie durch ein Beiſpiel zu erläutern. Geſetzt, man habe an irgend

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/311>, abgerufen am 24.11.2024.