auf unendliche Entfernungen von dem anziehenden Körper erstreckt. Denn diese Anziehung der Erde macht nicht bloß die ihrer Ober- fläche zunächst liegenden Körper, wenn sie ihrer Unterstützung be- raubt werden, gegen sie fallen, sondern sie ist auch, wie wir bald sehen werden, die Ursache, warum der Mond in einer Entfernung von nahe fünfzig tausend Meilen sich um die Erde bewegt.
§. 15. (Augenblicklicher Stoß und immerwährend wirkende Kraft.) Indem wir aber diese Kraft der Erde näher untersuchen wollen, müssen wir sie zuerst wohl von einem Impulse oder von einem bloßen Stoße unterscheiden. Wenn wir einen Körper mit der Hand stoßen oder werfen, oder wenn wir ihm durch einen Stab, Hammer u. dgl. irgend eine Bewegung beibringen, so wirkt diese auf den Körper angebrachte Kraft nur einen Augen- blick, nur so lange als dieser Stoß dauert, nach welchem dann der Körper gleichsam sich selbst überlassen bleibt. Die Folge davon ist, daß der Körper in Folge dieses Stoßes eine Bewegung annehmen wird, deren Richtung die des Stoßes, und deren Größe immer dieselbe seyn wird, wenn in der That bloß dieser Stoß und sonst keine andere Kraft auf ihn wirkt. Die Bewegung eines auf diese Art bewegten Körpers muß also erstens geradlinig und zweitens gleichförmig seyn, d. h. er muß sich mit immer gleicher Geschwindigkeit in einer geraden Linie und zwar ohne Ende fortbewegen. In der Natur können wir zwar solche Bewe- gungen nicht nachweisen, weil alle Körper, denen wir einen solchen augenblicklichen Impuls durch unsere mechanischen Kräfte bei- bringen, auch zugleich der Kraft der Erde ausgesetzt sind und sich überdieß in der Luft oder in andern widerstehenden Mitteln bewegen, daher sie, außer jenem ersten Impulse, auch noch diesen andern Kräften unterworfen sind. Wenn wir eine Kugel auf einem horizontalen Boden fortstoßen, wenn wir ein Rad um seine Axe schwingen, wenn wir eine Kugel aus unseren Feuerge- wehren abschießen oder einen Stein in die Höhe werfen, so sehen wir oft, jener Behauptung entgegen, die Kugel und den Stein in einer krummen Linie laufen, sie und das Rad an der Axe immer langsamer gehen und bald völlig still stehen, weil die Reibung der Kugel auf dem nie ganz ebenen Boden, weil die Reibung des
2 *
Eigenſchaften der Körper.
auf unendliche Entfernungen von dem anziehenden Körper erſtreckt. Denn dieſe Anziehung der Erde macht nicht bloß die ihrer Ober- fläche zunächſt liegenden Körper, wenn ſie ihrer Unterſtützung be- raubt werden, gegen ſie fallen, ſondern ſie iſt auch, wie wir bald ſehen werden, die Urſache, warum der Mond in einer Entfernung von nahe fünfzig tauſend Meilen ſich um die Erde bewegt.
§. 15. (Augenblicklicher Stoß und immerwährend wirkende Kraft.) Indem wir aber dieſe Kraft der Erde näher unterſuchen wollen, müſſen wir ſie zuerſt wohl von einem Impulſe oder von einem bloßen Stoße unterſcheiden. Wenn wir einen Körper mit der Hand ſtoßen oder werfen, oder wenn wir ihm durch einen Stab, Hammer u. dgl. irgend eine Bewegung beibringen, ſo wirkt dieſe auf den Körper angebrachte Kraft nur einen Augen- blick, nur ſo lange als dieſer Stoß dauert, nach welchem dann der Körper gleichſam ſich ſelbſt überlaſſen bleibt. Die Folge davon iſt, daß der Körper in Folge dieſes Stoßes eine Bewegung annehmen wird, deren Richtung die des Stoßes, und deren Größe immer dieſelbe ſeyn wird, wenn in der That bloß dieſer Stoß und ſonſt keine andere Kraft auf ihn wirkt. Die Bewegung eines auf dieſe Art bewegten Körpers muß alſo erſtens geradlinig und zweitens gleichförmig ſeyn, d. h. er muß ſich mit immer gleicher Geſchwindigkeit in einer geraden Linie und zwar ohne Ende fortbewegen. In der Natur können wir zwar ſolche Bewe- gungen nicht nachweiſen, weil alle Körper, denen wir einen ſolchen augenblicklichen Impuls durch unſere mechaniſchen Kräfte bei- bringen, auch zugleich der Kraft der Erde ausgeſetzt ſind und ſich überdieß in der Luft oder in andern widerſtehenden Mitteln bewegen, daher ſie, außer jenem erſten Impulſe, auch noch dieſen andern Kräften unterworfen ſind. Wenn wir eine Kugel auf einem horizontalen Boden fortſtoßen, wenn wir ein Rad um ſeine Axe ſchwingen, wenn wir eine Kugel aus unſeren Feuerge- wehren abſchießen oder einen Stein in die Höhe werfen, ſo ſehen wir oft, jener Behauptung entgegen, die Kugel und den Stein in einer krummen Linie laufen, ſie und das Rad an der Axe immer langſamer gehen und bald völlig ſtill ſtehen, weil die Reibung der Kugel auf dem nie ganz ebenen Boden, weil die Reibung des
2 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0031"n="19"/><fwplace="top"type="header">Eigenſchaften der Körper.</fw><lb/>
auf unendliche Entfernungen von dem anziehenden Körper erſtreckt.<lb/>
Denn dieſe Anziehung der Erde macht nicht bloß die ihrer Ober-<lb/>
fläche zunächſt liegenden Körper, wenn ſie ihrer Unterſtützung be-<lb/>
raubt werden, gegen ſie fallen, ſondern ſie iſt auch, wie wir bald<lb/>ſehen werden, die Urſache, warum der Mond in einer Entfernung<lb/>
von nahe fünfzig tauſend Meilen ſich um die Erde bewegt.</p><lb/><p>§. 15. (Augenblicklicher Stoß und immerwährend wirkende<lb/>
Kraft.) Indem wir aber dieſe Kraft der Erde näher unterſuchen<lb/>
wollen, müſſen wir ſie zuerſt wohl von einem <hirendition="#g">Impulſe</hi> oder<lb/>
von einem bloßen Stoße unterſcheiden. Wenn wir einen Körper<lb/>
mit der Hand ſtoßen oder werfen, oder wenn wir ihm durch einen<lb/>
Stab, Hammer u. dgl. irgend eine Bewegung beibringen, ſo<lb/>
wirkt dieſe auf den Körper angebrachte Kraft nur einen Augen-<lb/>
blick, nur ſo lange als dieſer Stoß dauert, nach welchem dann<lb/>
der Körper gleichſam ſich ſelbſt überlaſſen bleibt. Die Folge<lb/>
davon iſt, daß der Körper in Folge dieſes Stoßes eine Bewegung<lb/>
annehmen wird, deren Richtung die des Stoßes, und deren Größe<lb/>
immer dieſelbe ſeyn wird, wenn in der That bloß dieſer Stoß<lb/>
und ſonſt keine andere Kraft auf ihn wirkt. Die Bewegung<lb/>
eines auf dieſe Art bewegten Körpers muß alſo erſtens geradlinig<lb/>
und zweitens gleichförmig ſeyn, d. h. er muß ſich mit immer<lb/>
gleicher Geſchwindigkeit in einer geraden Linie und zwar ohne<lb/>
Ende fortbewegen. In der Natur können wir zwar ſolche Bewe-<lb/>
gungen nicht nachweiſen, weil alle Körper, denen wir einen ſolchen<lb/>
augenblicklichen Impuls durch unſere mechaniſchen Kräfte bei-<lb/>
bringen, auch <hirendition="#g">zugleich</hi> der Kraft der Erde ausgeſetzt ſind und<lb/>ſich überdieß in der Luft oder in andern widerſtehenden Mitteln<lb/>
bewegen, daher ſie, außer jenem erſten Impulſe, auch noch dieſen<lb/>
andern Kräften unterworfen ſind. Wenn wir eine Kugel auf<lb/>
einem horizontalen Boden fortſtoßen, wenn wir ein Rad um<lb/>ſeine Axe ſchwingen, wenn wir eine Kugel aus unſeren Feuerge-<lb/>
wehren abſchießen oder einen Stein in die Höhe werfen, ſo ſehen<lb/>
wir oft, jener Behauptung entgegen, die Kugel und den Stein in<lb/>
einer krummen Linie laufen, ſie und das Rad an der Axe immer<lb/>
langſamer gehen und bald völlig ſtill ſtehen, weil die Reibung der<lb/>
Kugel auf dem nie ganz ebenen Boden, weil die Reibung des<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2 *</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[19/0031]
Eigenſchaften der Körper.
auf unendliche Entfernungen von dem anziehenden Körper erſtreckt.
Denn dieſe Anziehung der Erde macht nicht bloß die ihrer Ober-
fläche zunächſt liegenden Körper, wenn ſie ihrer Unterſtützung be-
raubt werden, gegen ſie fallen, ſondern ſie iſt auch, wie wir bald
ſehen werden, die Urſache, warum der Mond in einer Entfernung
von nahe fünfzig tauſend Meilen ſich um die Erde bewegt.
§. 15. (Augenblicklicher Stoß und immerwährend wirkende
Kraft.) Indem wir aber dieſe Kraft der Erde näher unterſuchen
wollen, müſſen wir ſie zuerſt wohl von einem Impulſe oder
von einem bloßen Stoße unterſcheiden. Wenn wir einen Körper
mit der Hand ſtoßen oder werfen, oder wenn wir ihm durch einen
Stab, Hammer u. dgl. irgend eine Bewegung beibringen, ſo
wirkt dieſe auf den Körper angebrachte Kraft nur einen Augen-
blick, nur ſo lange als dieſer Stoß dauert, nach welchem dann
der Körper gleichſam ſich ſelbſt überlaſſen bleibt. Die Folge
davon iſt, daß der Körper in Folge dieſes Stoßes eine Bewegung
annehmen wird, deren Richtung die des Stoßes, und deren Größe
immer dieſelbe ſeyn wird, wenn in der That bloß dieſer Stoß
und ſonſt keine andere Kraft auf ihn wirkt. Die Bewegung
eines auf dieſe Art bewegten Körpers muß alſo erſtens geradlinig
und zweitens gleichförmig ſeyn, d. h. er muß ſich mit immer
gleicher Geſchwindigkeit in einer geraden Linie und zwar ohne
Ende fortbewegen. In der Natur können wir zwar ſolche Bewe-
gungen nicht nachweiſen, weil alle Körper, denen wir einen ſolchen
augenblicklichen Impuls durch unſere mechaniſchen Kräfte bei-
bringen, auch zugleich der Kraft der Erde ausgeſetzt ſind und
ſich überdieß in der Luft oder in andern widerſtehenden Mitteln
bewegen, daher ſie, außer jenem erſten Impulſe, auch noch dieſen
andern Kräften unterworfen ſind. Wenn wir eine Kugel auf
einem horizontalen Boden fortſtoßen, wenn wir ein Rad um
ſeine Axe ſchwingen, wenn wir eine Kugel aus unſeren Feuerge-
wehren abſchießen oder einen Stein in die Höhe werfen, ſo ſehen
wir oft, jener Behauptung entgegen, die Kugel und den Stein in
einer krummen Linie laufen, ſie und das Rad an der Axe immer
langſamer gehen und bald völlig ſtill ſtehen, weil die Reibung der
Kugel auf dem nie ganz ebenen Boden, weil die Reibung des
2 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/31>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.