Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
sehen a und b des Aequators, mittels eines schon bekannten Ge- stirns, so gestellt, daß sie den Frühlings- und Herbst-Nachtgleichen- punkt (I. S. 33) bezeichneten, so konnte man auf diese Weise zugleich die Rectascension des zu beobachtenden Gestirns finden, und daher auch die Sternzeit (I. S. 306 u. 316) der Beobach- tung angeben.
§. 5. (Zeitbestimmung durch Instrumente der älteren Astrono- men.) Gewöhnlich brauchte Tycho diese Instrumente zur Bestim- mung der Zeit seiner anderen Beobachtungen, die er an seinen großen Quadranten (I. S. 104) oder Sextanten gemacht hatte, indem er nämlich an seiner in dem Meridian aufgestellten Armil- larsphäre den Declinationskreis CD derselben auf irgend einen größern, in seiner Rectascension schon bekannten Fixstern stellte, wodurch er sofort den Stundenwinkel dieses Sterns auf seinem Aequatorialring AB ablesen konnte. Die Summe des so er- haltenen Stundenwinkels und der schon bekannten Rectascension des Sterns gab ihm dann sofort die Sternzeit der Beobach- tung, woraus er dann leicht (I. S. 315) auch die mittlere Sonnenzeit derselben Beobachtung finden konnte. Am ein- fachsten war dieses Verfahren, wenn er statt irgend eines bekann- ten Fixsterns, unmittelbar die Sonne wählte, weil dann der an dem Aequatorringe AB abgelesene Stundenkreis der Sonne auch sofort schon die wahre Sonnenzeit der Beobachtung gab, wie bereits oben (I. §. 155) erklärt worden ist.
Diese Zeitbestimmung ist, wie man sieht, eines der wichtigsten Geschäfte des praktischen Astronomen. Er unterscheidet sich da- durch wesentlich von dem bloßen Geometer, dem es schon genügt, wenn er den Winkel, welchen zwei irdische Gegenstände, z. B. zwei Thürme oder zwei Bergspitzen, in seinem Auge bilden, mit Genauigkeit angeben kann, da dieser Winkel immer derselbe bleibt, so oft er aus demselben Standpunkte des Auges gesehen wird. Nicht so bei den Gegenständen des Himmels. Die Gestirne än- dern, sowohl durch die tägliche Bewegung des Himmels, die allen Sternen gemeinschaftlich ist, als auch durch die ihnen eigene Be- wegung, ihre Lage gegen das Auge des Beobachters un- aufhörlich, und es ist daher nicht genug, daß der Astronom von einem dieser Gestirne, z. B. die Höhe auch mit der größten
Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
ſehen a und b des Aequators, mittels eines ſchon bekannten Ge- ſtirns, ſo geſtellt, daß ſie den Frühlings- und Herbſt-Nachtgleichen- punkt (I. S. 33) bezeichneten, ſo konnte man auf dieſe Weiſe zugleich die Rectaſcenſion des zu beobachtenden Geſtirns finden, und daher auch die Sternzeit (I. S. 306 u. 316) der Beobach- tung angeben.
§. 5. (Zeitbeſtimmung durch Inſtrumente der älteren Aſtrono- men.) Gewöhnlich brauchte Tycho dieſe Inſtrumente zur Beſtim- mung der Zeit ſeiner anderen Beobachtungen, die er an ſeinen großen Quadranten (I. S. 104) oder Sextanten gemacht hatte, indem er nämlich an ſeiner in dem Meridian aufgeſtellten Armil- larſphäre den Declinationskreis CD derſelben auf irgend einen größern, in ſeiner Rectaſcenſion ſchon bekannten Fixſtern ſtellte, wodurch er ſofort den Stundenwinkel dieſes Sterns auf ſeinem Aequatorialring AB ableſen konnte. Die Summe des ſo er- haltenen Stundenwinkels und der ſchon bekannten Rectaſcenſion des Sterns gab ihm dann ſofort die Sternzeit der Beobach- tung, woraus er dann leicht (I. S. 315) auch die mittlere Sonnenzeit derſelben Beobachtung finden konnte. Am ein- fachſten war dieſes Verfahren, wenn er ſtatt irgend eines bekann- ten Fixſterns, unmittelbar die Sonne wählte, weil dann der an dem Aequatorringe AB abgeleſene Stundenkreis der Sonne auch ſofort ſchon die wahre Sonnenzeit der Beobachtung gab, wie bereits oben (I. §. 155) erklärt worden iſt.
Dieſe Zeitbeſtimmung iſt, wie man ſieht, eines der wichtigſten Geſchäfte des praktiſchen Aſtronomen. Er unterſcheidet ſich da- durch weſentlich von dem bloßen Geometer, dem es ſchon genügt, wenn er den Winkel, welchen zwei irdiſche Gegenſtände, z. B. zwei Thürme oder zwei Bergſpitzen, in ſeinem Auge bilden, mit Genauigkeit angeben kann, da dieſer Winkel immer derſelbe bleibt, ſo oft er aus demſelben Standpunkte des Auges geſehen wird. Nicht ſo bei den Gegenſtänden des Himmels. Die Geſtirne än- dern, ſowohl durch die tägliche Bewegung des Himmels, die allen Sternen gemeinſchaftlich iſt, als auch durch die ihnen eigene Be- wegung, ihre Lage gegen das Auge des Beobachters un- aufhörlich, und es iſt daher nicht genug, daß der Aſtronom von einem dieſer Geſtirne, z. B. die Höhe auch mit der größten
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Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
ſehen a und b des Aequators, mittels eines ſchon bekannten Ge-
ſtirns, ſo geſtellt, daß ſie den Frühlings- und Herbſt-Nachtgleichen-
punkt (I. S. 33) bezeichneten, ſo konnte man auf dieſe Weiſe
zugleich die Rectaſcenſion des zu beobachtenden Geſtirns finden,
und daher auch die Sternzeit (I. S. 306 u. 316) der Beobach-
tung angeben.
§. 5. (Zeitbeſtimmung durch Inſtrumente der älteren Aſtrono-
men.) Gewöhnlich brauchte Tycho dieſe Inſtrumente zur Beſtim-
mung der Zeit ſeiner anderen Beobachtungen, die er an ſeinen
großen Quadranten (I. S. 104) oder Sextanten gemacht hatte,
indem er nämlich an ſeiner in dem Meridian aufgeſtellten Armil-
larſphäre den Declinationskreis CD derſelben auf irgend einen
größern, in ſeiner Rectaſcenſion ſchon bekannten Fixſtern ſtellte,
wodurch er ſofort den Stundenwinkel dieſes Sterns auf ſeinem
Aequatorialring AB ableſen konnte. Die Summe des ſo er-
haltenen Stundenwinkels und der ſchon bekannten Rectaſcenſion
des Sterns gab ihm dann ſofort die Sternzeit der Beobach-
tung, woraus er dann leicht (I. S. 315) auch die mittlere
Sonnenzeit derſelben Beobachtung finden konnte. Am ein-
fachſten war dieſes Verfahren, wenn er ſtatt irgend eines bekann-
ten Fixſterns, unmittelbar die Sonne wählte, weil dann der an
dem Aequatorringe AB abgeleſene Stundenkreis der Sonne auch
ſofort ſchon die wahre Sonnenzeit der Beobachtung gab, wie
bereits oben (I. §. 155) erklärt worden iſt.
Dieſe Zeitbeſtimmung iſt, wie man ſieht, eines der wichtigſten
Geſchäfte des praktiſchen Aſtronomen. Er unterſcheidet ſich da-
durch weſentlich von dem bloßen Geometer, dem es ſchon genügt,
wenn er den Winkel, welchen zwei irdiſche Gegenſtände, z. B.
zwei Thürme oder zwei Bergſpitzen, in ſeinem Auge bilden, mit
Genauigkeit angeben kann, da dieſer Winkel immer derſelbe bleibt,
ſo oft er aus demſelben Standpunkte des Auges geſehen wird.
Nicht ſo bei den Gegenſtänden des Himmels. Die Geſtirne än-
dern, ſowohl durch die tägliche Bewegung des Himmels, die allen
Sternen gemeinſchaftlich iſt, als auch durch die ihnen eigene Be-
wegung, ihre Lage gegen das Auge des Beobachters un-
aufhörlich, und es iſt daher nicht genug, daß der Aſtronom von
einem dieſer Geſtirne, z. B. die Höhe auch mit der größten
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/249>, abgerufen am 16.02.2025.
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