mit einiger Vollständigkeit zu erforschen. Auch kann, was innere Kräfte nicht vermögen, dereinst von äußern herbeigeführt werden. Endlich, wenn die vorhergehenden Betrachtungen auf eine Absicht der Natur, ihr Werk zu erhalten, deuten, wie viele andere Er- scheinungen ließen sich dagegen aufführen, die diesen unseren Wün- schen und Hoffnungen widersprechen.
Wir sehen, daß allen Dingen dieser Erde nur eine, oft sehr kurze Periode ihres Daseyns angewiesen ist, nach welcher sie alle verschwinden, und, wenigstens in dieser Gestalt, nicht mehr wieder kommen. Jeder kommende Winter zerstört die schönen Gebilde unserer Fluren. Zahlreiche Familien und ganze Geschlechter von Thieren sind bis auf die letzten Reste derselben verschwunden, und selbst ganze Völkerschaften, weltbeherrschende Nationen ziehen vor uns vorüber wie die Bilder eines Schattenspieles an der Wand, und Alles, Alles was uns hier unten umgibt, wird von dem Strome der Zeit fortgerissen, und eilt unaufhaltsam seinem Endzustande der Auflösung und Zerstörung entgegen. Die Erde, die wir betreten, ist mit den Ruinen der Vorzeit und mit dem Staube von Pflanzen und Thieren bedeckt, und es wird eine Zeit kom- men, wo man über die Pyramiden, wie jetzt über Karthago, hin- gehen wird, ohne eine Spur derselben zu erblicken.
Von diesem, wie es scheint, nicht minder allgemeinen Gesetze der Natur, deren zerstörende Wirkungen uns von allen Seiten in der Nähe umgeben -- soll davon diese Erde selbst und der über sie ausgespannte Himmel eine Ausnahme machen? Welches Recht hätten sie zu solchen Ansprüchen? Oder welches Recht haben wir, selbst nur von gestern her, und morgen schon nicht mehr, die ewige Existenz dieses unseres Wohnortes zu fordern? Haben wir nicht Sterne am Himmel verschwinden, und ganze Sonnensysteme daselbst auflodern sehen? -- Welche schreckliche Schau- spiele, gegen die unsere Wasserfluthen und Erdbeben, gegen die der Tod von Tausenden in einer wüthenden Schlacht nur als Possenspiele erscheinen. Der Untergang einer Sonne mit allen ihren Planeten und Kometen! Dieß erregt unser Entsetzen. -- Aber der bloß uns so groß erscheinende Unfall kann keine Ausnahme von einem allgemeinen Naturgesetze begründen. Er scheint uns nur groß, weil wir selbst so klein sind. Dort oben wird mit einem
Dauer des Weltſyſtems.
mit einiger Vollſtändigkeit zu erforſchen. Auch kann, was innere Kräfte nicht vermögen, dereinſt von äußern herbeigeführt werden. Endlich, wenn die vorhergehenden Betrachtungen auf eine Abſicht der Natur, ihr Werk zu erhalten, deuten, wie viele andere Er- ſcheinungen ließen ſich dagegen aufführen, die dieſen unſeren Wün- ſchen und Hoffnungen widerſprechen.
Wir ſehen, daß allen Dingen dieſer Erde nur eine, oft ſehr kurze Periode ihres Daſeyns angewieſen iſt, nach welcher ſie alle verſchwinden, und, wenigſtens in dieſer Geſtalt, nicht mehr wieder kommen. Jeder kommende Winter zerſtört die ſchönen Gebilde unſerer Fluren. Zahlreiche Familien und ganze Geſchlechter von Thieren ſind bis auf die letzten Reſte derſelben verſchwunden, und ſelbſt ganze Völkerſchaften, weltbeherrſchende Nationen ziehen vor uns vorüber wie die Bilder eines Schattenſpieles an der Wand, und Alles, Alles was uns hier unten umgibt, wird von dem Strome der Zeit fortgeriſſen, und eilt unaufhaltſam ſeinem Endzuſtande der Auflöſung und Zerſtörung entgegen. Die Erde, die wir betreten, iſt mit den Ruinen der Vorzeit und mit dem Staube von Pflanzen und Thieren bedeckt, und es wird eine Zeit kom- men, wo man über die Pyramiden, wie jetzt über Karthago, hin- gehen wird, ohne eine Spur derſelben zu erblicken.
Von dieſem, wie es ſcheint, nicht minder allgemeinen Geſetze der Natur, deren zerſtörende Wirkungen uns von allen Seiten in der Nähe umgeben — ſoll davon dieſe Erde ſelbſt und der über ſie ausgeſpannte Himmel eine Ausnahme machen? Welches Recht hätten ſie zu ſolchen Anſprüchen? Oder welches Recht haben wir, ſelbſt nur von geſtern her, und morgen ſchon nicht mehr, die ewige Exiſtenz dieſes unſeres Wohnortes zu fordern? Haben wir nicht Sterne am Himmel verſchwinden, und ganze Sonnenſyſteme daſelbſt auflodern ſehen? — Welche ſchreckliche Schau- ſpiele, gegen die unſere Waſſerfluthen und Erdbeben, gegen die der Tod von Tauſenden in einer wüthenden Schlacht nur als Poſſenſpiele erſcheinen. Der Untergang einer Sonne mit allen ihren Planeten und Kometen! Dieß erregt unſer Entſetzen. — Aber der bloß uns ſo groß erſcheinende Unfall kann keine Ausnahme von einem allgemeinen Naturgeſetze begründen. Er ſcheint uns nur groß, weil wir ſelbſt ſo klein ſind. Dort oben wird mit einem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0228"n="216"/><fwplace="top"type="header">Dauer des Weltſyſtems.</fw><lb/>
mit einiger Vollſtändigkeit zu erforſchen. Auch kann, was innere<lb/>
Kräfte nicht vermögen, dereinſt von äußern herbeigeführt werden.<lb/>
Endlich, wenn die vorhergehenden Betrachtungen auf eine Abſicht<lb/>
der Natur, ihr Werk zu erhalten, deuten, wie viele andere Er-<lb/>ſcheinungen ließen ſich dagegen aufführen, die dieſen unſeren Wün-<lb/>ſchen und Hoffnungen widerſprechen.</p><lb/><p>Wir ſehen, daß allen Dingen dieſer Erde nur eine, oft ſehr<lb/>
kurze Periode ihres Daſeyns angewieſen iſt, nach welcher ſie alle<lb/>
verſchwinden, und, wenigſtens in dieſer Geſtalt, nicht mehr wieder<lb/>
kommen. Jeder kommende Winter zerſtört die ſchönen Gebilde<lb/>
unſerer Fluren. Zahlreiche Familien und ganze Geſchlechter von<lb/>
Thieren ſind bis auf die letzten Reſte derſelben verſchwunden, und<lb/>ſelbſt ganze Völkerſchaften, weltbeherrſchende Nationen ziehen<lb/>
vor uns vorüber wie die Bilder eines Schattenſpieles an der<lb/>
Wand, und Alles, Alles was uns hier unten umgibt, wird von<lb/>
dem Strome der Zeit fortgeriſſen, und eilt unaufhaltſam ſeinem<lb/>
Endzuſtande der Auflöſung und Zerſtörung entgegen. Die Erde, die<lb/>
wir betreten, iſt mit den Ruinen der Vorzeit und mit dem Staube<lb/>
von Pflanzen und Thieren bedeckt, und es wird eine Zeit kom-<lb/>
men, wo man über die Pyramiden, wie jetzt über Karthago, hin-<lb/>
gehen wird, ohne eine Spur derſelben zu erblicken.</p><lb/><p>Von dieſem, wie es ſcheint, nicht minder allgemeinen Geſetze<lb/>
der Natur, deren zerſtörende Wirkungen uns von allen Seiten<lb/>
in der Nähe umgeben —ſoll davon dieſe Erde ſelbſt und der<lb/>
über ſie ausgeſpannte Himmel eine Ausnahme machen? Welches<lb/>
Recht hätten ſie zu ſolchen Anſprüchen? Oder welches Recht<lb/>
haben wir, ſelbſt nur von geſtern her, und morgen ſchon nicht<lb/>
mehr, die ewige Exiſtenz dieſes unſeres Wohnortes zu fordern?<lb/>
Haben wir nicht Sterne am Himmel verſchwinden, und ganze<lb/>
Sonnenſyſteme daſelbſt auflodern ſehen? — Welche ſchreckliche Schau-<lb/>ſpiele, gegen die unſere Waſſerfluthen und Erdbeben, gegen die<lb/>
der Tod von Tauſenden in einer wüthenden Schlacht nur als<lb/>
Poſſenſpiele erſcheinen. Der Untergang einer Sonne mit allen ihren<lb/>
Planeten und Kometen! Dieß erregt unſer Entſetzen. — Aber der<lb/>
bloß uns ſo groß erſcheinende Unfall kann keine Ausnahme von<lb/>
einem allgemeinen Naturgeſetze begründen. Er ſcheint uns nur<lb/>
groß, weil wir ſelbſt ſo klein ſind. Dort oben wird mit einem<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[216/0228]
Dauer des Weltſyſtems.
mit einiger Vollſtändigkeit zu erforſchen. Auch kann, was innere
Kräfte nicht vermögen, dereinſt von äußern herbeigeführt werden.
Endlich, wenn die vorhergehenden Betrachtungen auf eine Abſicht
der Natur, ihr Werk zu erhalten, deuten, wie viele andere Er-
ſcheinungen ließen ſich dagegen aufführen, die dieſen unſeren Wün-
ſchen und Hoffnungen widerſprechen.
Wir ſehen, daß allen Dingen dieſer Erde nur eine, oft ſehr
kurze Periode ihres Daſeyns angewieſen iſt, nach welcher ſie alle
verſchwinden, und, wenigſtens in dieſer Geſtalt, nicht mehr wieder
kommen. Jeder kommende Winter zerſtört die ſchönen Gebilde
unſerer Fluren. Zahlreiche Familien und ganze Geſchlechter von
Thieren ſind bis auf die letzten Reſte derſelben verſchwunden, und
ſelbſt ganze Völkerſchaften, weltbeherrſchende Nationen ziehen
vor uns vorüber wie die Bilder eines Schattenſpieles an der
Wand, und Alles, Alles was uns hier unten umgibt, wird von
dem Strome der Zeit fortgeriſſen, und eilt unaufhaltſam ſeinem
Endzuſtande der Auflöſung und Zerſtörung entgegen. Die Erde, die
wir betreten, iſt mit den Ruinen der Vorzeit und mit dem Staube
von Pflanzen und Thieren bedeckt, und es wird eine Zeit kom-
men, wo man über die Pyramiden, wie jetzt über Karthago, hin-
gehen wird, ohne eine Spur derſelben zu erblicken.
Von dieſem, wie es ſcheint, nicht minder allgemeinen Geſetze
der Natur, deren zerſtörende Wirkungen uns von allen Seiten
in der Nähe umgeben — ſoll davon dieſe Erde ſelbſt und der
über ſie ausgeſpannte Himmel eine Ausnahme machen? Welches
Recht hätten ſie zu ſolchen Anſprüchen? Oder welches Recht
haben wir, ſelbſt nur von geſtern her, und morgen ſchon nicht
mehr, die ewige Exiſtenz dieſes unſeres Wohnortes zu fordern?
Haben wir nicht Sterne am Himmel verſchwinden, und ganze
Sonnenſyſteme daſelbſt auflodern ſehen? — Welche ſchreckliche Schau-
ſpiele, gegen die unſere Waſſerfluthen und Erdbeben, gegen die
der Tod von Tauſenden in einer wüthenden Schlacht nur als
Poſſenſpiele erſcheinen. Der Untergang einer Sonne mit allen ihren
Planeten und Kometen! Dieß erregt unſer Entſetzen. — Aber der
bloß uns ſo groß erſcheinende Unfall kann keine Ausnahme von
einem allgemeinen Naturgeſetze begründen. Er ſcheint uns nur
groß, weil wir ſelbſt ſo klein ſind. Dort oben wird mit einem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/228>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.