Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Ursprung des Weltsystems.
selbe gilt von der Excentricität. Alle Planetenbahnen haben eine
sehr kleine Excentricität; selbst die der Juno, die größte unter
allen, beträgt nur den vierten Theil ihrer großen Halbaxe, wäh-
rend im Gegentheile diejenige Kometenbahn, welche unter allen
uns bekannten noch dem Kreise am nächsten liegt, die des Biela'-
schen Kometen schon eine Excentricität hat, die drei Viertheile
ihrer halben großen Axe beträgt.

Dasselbe gilt endlich auch von den Neigungen dieser Ba[h]-
nen gegen die Ecliptik oder vielmehr gegen den Sonnenäquat[o]r.
Diese ist bei allen älteren Planeten ungemein klein, und selbst [b]ei
den meisten neuen noch immer gering, während im Gegent[h]eile
die Neigungen der Kometenbahnen alle Grade des Halbkreises von
0° bis 180° durchlaufen.

§. 150. (Laplace's Hypothese.) Diese drei, allen Planeten
zukommenden Eigenschaften, die jährliche und tägliche Bewegung
von West gen Ost, die geringe Excentricität und die ebenfalls
sehr kleine Neigung ihrer Bahnen, von denen man bisher noch
keine Rechenschaft geben konnte, scheinen auf eine da[s] ganze Sy-
stem umfassende, gemeinschaftliche Kraft zu deuten[,] die bei dem
Entstehen dieses Systems wirksam gewesen ist, und aus deren
Kenntniß wir vielleicht etwas Näheres über diese Entstehung selbst
ableiten können. Diesen Weg hat Laplace genommen, um den
Ursprung des Planetensystems zu erklären, und man wird bald
sehen, daß er seiner schönen und sinnreichen Hypothese im Allge-
meinen dieselbe Idee, wie oben Franklin, zu Grunde legt, nur
mit dem Unterschiede, daß er sie mit Hülfe jener drei merkwür-
digen Eigenschaften weiter entwickelt, und ihre Uebereinstimmung
mit den Beobachtungen genauer nachweist.

Welches auch die Ursache, die jene drei Erscheinungen erzeugte,
gewesen seyn mag, so muß sie doch alle Planeten umfaßt haben,
und da diese letzten durch so große Zwischenräume von einander
getrennt sind, so kann jene Ursache nur in einer, anfänglich viel-
leicht bloß luftförmigen, Flüssigkeit von ungeheurer Ausdehnung
gesucht werden. Da sie allen Planeten eine beinahe kreisförmige
Bewegung, in einer und derselben Richtung, um die Sonne ge-
geben hat, so muß diese Flüssigkeit die Sonne in Gestalt einer
Atmosphäre umgeben haben. Diese Atmosphäre der Sonne, die

Urſprung des Weltſyſtems.
ſelbe gilt von der Excentricität. Alle Planetenbahnen haben eine
ſehr kleine Excentricität; ſelbſt die der Juno, die größte unter
allen, beträgt nur den vierten Theil ihrer großen Halbaxe, wäh-
rend im Gegentheile diejenige Kometenbahn, welche unter allen
uns bekannten noch dem Kreiſe am nächſten liegt, die des Biela’-
ſchen Kometen ſchon eine Excentricität hat, die drei Viertheile
ihrer halben großen Axe beträgt.

Daſſelbe gilt endlich auch von den Neigungen dieſer Ba[h]-
nen gegen die Ecliptik oder vielmehr gegen den Sonnenäquat[o]r.
Dieſe iſt bei allen älteren Planeten ungemein klein, und ſelbſt [b]ei
den meiſten neuen noch immer gering, während im Gegent[h]eile
die Neigungen der Kometenbahnen alle Grade des Halbkreiſes von
0° bis 180° durchlaufen.

§. 150. (Laplace’s Hypotheſe.) Dieſe drei, allen Planeten
zukommenden Eigenſchaften, die jährliche und tägliche Bewegung
von Weſt gen Oſt, die geringe Excentricität und die ebenfalls
ſehr kleine Neigung ihrer Bahnen, von denen man bisher noch
keine Rechenſchaft geben konnte, ſcheinen auf eine da[s] ganze Sy-
ſtem umfaſſende, gemeinſchaftliche Kraft zu deuten[,] die bei dem
Entſtehen dieſes Syſtems wirkſam geweſen iſt, und aus deren
Kenntniß wir vielleicht etwas Näheres über dieſe Entſtehung ſelbſt
ableiten können. Dieſen Weg hat Laplace genommen, um den
Urſprung des Planetenſyſtems zu erklären, und man wird bald
ſehen, daß er ſeiner ſchönen und ſinnreichen Hypotheſe im Allge-
meinen dieſelbe Idee, wie oben Franklin, zu Grunde legt, nur
mit dem Unterſchiede, daß er ſie mit Hülfe jener drei merkwür-
digen Eigenſchaften weiter entwickelt, und ihre Uebereinſtimmung
mit den Beobachtungen genauer nachweist.

Welches auch die Urſache, die jene drei Erſcheinungen erzeugte,
geweſen ſeyn mag, ſo muß ſie doch alle Planeten umfaßt haben,
und da dieſe letzten durch ſo große Zwiſchenräume von einander
getrennt ſind, ſo kann jene Urſache nur in einer, anfänglich viel-
leicht bloß luftförmigen, Flüſſigkeit von ungeheurer Ausdehnung
geſucht werden. Da ſie allen Planeten eine beinahe kreisförmige
Bewegung, in einer und derſelben Richtung, um die Sonne ge-
geben hat, ſo muß dieſe Flüſſigkeit die Sonne in Geſtalt einer
Atmoſphäre umgeben haben. Dieſe Atmoſphäre der Sonne, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0212" n="200"/><fw place="top" type="header">Ur&#x017F;prung des Welt&#x017F;y&#x017F;tems.</fw><lb/>
&#x017F;elbe gilt von der Excentricität. Alle Planetenbahnen haben eine<lb/>
&#x017F;ehr kleine Excentricität; &#x017F;elb&#x017F;t die der Juno, die größte unter<lb/>
allen, beträgt nur den vierten Theil ihrer großen Halbaxe, wäh-<lb/>
rend im Gegentheile diejenige Kometenbahn, welche unter allen<lb/>
uns bekannten noch dem Krei&#x017F;e am näch&#x017F;ten liegt, die des Biela&#x2019;-<lb/>
&#x017F;chen Kometen &#x017F;chon eine Excentricität hat, die drei Viertheile<lb/>
ihrer halben großen Axe beträgt.</p><lb/>
              <p>Da&#x017F;&#x017F;elbe gilt endlich auch von den <hi rendition="#g">Neigungen</hi> die&#x017F;er Ba<supplied>h</supplied>-<lb/>
nen gegen die Ecliptik oder vielmehr gegen den Sonnenäquat<supplied>o</supplied>r.<lb/>
Die&#x017F;e i&#x017F;t bei allen älteren Planeten ungemein klein, und &#x017F;elb&#x017F;t <supplied>b</supplied>ei<lb/>
den mei&#x017F;ten neuen noch immer gering, während im Gegent<supplied>h</supplied>eile<lb/>
die Neigungen der Kometenbahnen alle Grade des Halbkrei&#x017F;es von<lb/>
0° bis 180° durchlaufen.</p><lb/>
              <p>§. 150. (Laplace&#x2019;s Hypothe&#x017F;e.) Die&#x017F;e drei, allen Planeten<lb/>
zukommenden Eigen&#x017F;chaften, die jährliche und tägliche Bewegung<lb/>
von We&#x017F;t gen O&#x017F;t, die geringe Excentricität und die ebenfalls<lb/>
&#x017F;ehr kleine Neigung ihrer Bahnen, von denen man bisher noch<lb/>
keine Rechen&#x017F;chaft geben konnte, &#x017F;cheinen auf eine da<supplied>s</supplied> ganze Sy-<lb/>
&#x017F;tem umfa&#x017F;&#x017F;ende, gemein&#x017F;chaftliche Kraft zu deuten<supplied>,</supplied> die bei dem<lb/>
Ent&#x017F;tehen die&#x017F;es Sy&#x017F;tems wirk&#x017F;am gewe&#x017F;en i&#x017F;t, und aus deren<lb/>
Kenntniß wir vielleicht etwas Näheres über die&#x017F;e Ent&#x017F;tehung &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ableiten können. Die&#x017F;en Weg hat Laplace genommen, um den<lb/>
Ur&#x017F;prung des Planeten&#x017F;y&#x017F;tems zu erklären, und man wird bald<lb/>
&#x017F;ehen, daß er &#x017F;einer &#x017F;chönen und &#x017F;innreichen Hypothe&#x017F;e im Allge-<lb/>
meinen die&#x017F;elbe Idee, wie oben Franklin, zu Grunde legt, nur<lb/>
mit dem Unter&#x017F;chiede, daß er &#x017F;ie mit Hülfe jener drei merkwür-<lb/>
digen Eigen&#x017F;chaften weiter entwickelt, und ihre Ueberein&#x017F;timmung<lb/>
mit den Beobachtungen genauer nachweist.</p><lb/>
              <p>Welches auch die Ur&#x017F;ache, die jene drei Er&#x017F;cheinungen erzeugte,<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;eyn mag, &#x017F;o muß &#x017F;ie doch alle Planeten umfaßt haben,<lb/>
und da die&#x017F;e letzten durch &#x017F;o große Zwi&#x017F;chenräume von einander<lb/>
getrennt &#x017F;ind, &#x017F;o kann jene Ur&#x017F;ache nur in einer, anfänglich viel-<lb/>
leicht bloß luftförmigen, Flü&#x017F;&#x017F;igkeit von ungeheurer Ausdehnung<lb/>
ge&#x017F;ucht werden. Da &#x017F;ie allen Planeten eine beinahe kreisförmige<lb/>
Bewegung, in einer und der&#x017F;elben Richtung, um die Sonne ge-<lb/>
geben hat, &#x017F;o muß die&#x017F;e Flü&#x017F;&#x017F;igkeit die Sonne in Ge&#x017F;talt einer<lb/>
Atmo&#x017F;phäre umgeben haben. Die&#x017F;e Atmo&#x017F;phäre der Sonne, die<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0212] Urſprung des Weltſyſtems. ſelbe gilt von der Excentricität. Alle Planetenbahnen haben eine ſehr kleine Excentricität; ſelbſt die der Juno, die größte unter allen, beträgt nur den vierten Theil ihrer großen Halbaxe, wäh- rend im Gegentheile diejenige Kometenbahn, welche unter allen uns bekannten noch dem Kreiſe am nächſten liegt, die des Biela’- ſchen Kometen ſchon eine Excentricität hat, die drei Viertheile ihrer halben großen Axe beträgt. Daſſelbe gilt endlich auch von den Neigungen dieſer Bah- nen gegen die Ecliptik oder vielmehr gegen den Sonnenäquator. Dieſe iſt bei allen älteren Planeten ungemein klein, und ſelbſt bei den meiſten neuen noch immer gering, während im Gegentheile die Neigungen der Kometenbahnen alle Grade des Halbkreiſes von 0° bis 180° durchlaufen. §. 150. (Laplace’s Hypotheſe.) Dieſe drei, allen Planeten zukommenden Eigenſchaften, die jährliche und tägliche Bewegung von Weſt gen Oſt, die geringe Excentricität und die ebenfalls ſehr kleine Neigung ihrer Bahnen, von denen man bisher noch keine Rechenſchaft geben konnte, ſcheinen auf eine das ganze Sy- ſtem umfaſſende, gemeinſchaftliche Kraft zu deuten, die bei dem Entſtehen dieſes Syſtems wirkſam geweſen iſt, und aus deren Kenntniß wir vielleicht etwas Näheres über dieſe Entſtehung ſelbſt ableiten können. Dieſen Weg hat Laplace genommen, um den Urſprung des Planetenſyſtems zu erklären, und man wird bald ſehen, daß er ſeiner ſchönen und ſinnreichen Hypotheſe im Allge- meinen dieſelbe Idee, wie oben Franklin, zu Grunde legt, nur mit dem Unterſchiede, daß er ſie mit Hülfe jener drei merkwür- digen Eigenſchaften weiter entwickelt, und ihre Uebereinſtimmung mit den Beobachtungen genauer nachweist. Welches auch die Urſache, die jene drei Erſcheinungen erzeugte, geweſen ſeyn mag, ſo muß ſie doch alle Planeten umfaßt haben, und da dieſe letzten durch ſo große Zwiſchenräume von einander getrennt ſind, ſo kann jene Urſache nur in einer, anfänglich viel- leicht bloß luftförmigen, Flüſſigkeit von ungeheurer Ausdehnung geſucht werden. Da ſie allen Planeten eine beinahe kreisförmige Bewegung, in einer und derſelben Richtung, um die Sonne ge- geben hat, ſo muß dieſe Flüſſigkeit die Sonne in Geſtalt einer Atmoſphäre umgeben haben. Dieſe Atmoſphäre der Sonne, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/212
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/212>, abgerufen am 22.11.2024.