Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.
eine Versetzung des Aequators in die Gegenden, welche jetzt die
Pole einnehmen, zu Hülfe gerufen haben. Man hat diese
extravaganten Hypothesen ausgedacht, um dadurch die Ueberreste
von Thieren der Tropenländer, die man in den kalten Zonen
fand, zu erklären. So wurde im Jahr 1771 an dem sandigen
Ufer des Flusses Wilhui in Sibirien ein ganz gut erhaltenes
Rhinoceros einige Fuß tief unter der Erde entdeckt, dessen Haut
noch nicht von der Verwesung ergriffen war, und i. J. 1799
wurde am Ausflusse der Lena ein ungewöhnlich großer Elephant,
in einen Eisblock eingeschlossen, gefunden, dessen Fleisch noch so
frisch gewesen seyn soll, daß die Jakuten ihre Hunde damit füttern
konnten. Diese und ähnliche Erscheinungen wollte man aus einer
solchen Versetzung des Aequators, der früher durch jene Gegenden
gegangen seyn soll, und durch den dadurch verursachten Sturz
des Weltmeers von Süd nach Nord erklären, ohne zu bedenken,
daß diese Thiere unmittelbar nach ihrem Tode hätten einfrieren
müssen, um vor der Fäulniß bewahrt zu bleiben.

§. 124. (Erklärung dieser Erscheinungen) Eine solche plötz-
liche Versetzung des Aequators der Erde könnte nur von irgend
einer fremden äußern Kraft gekommen seyn, und man sieht da
nichts, als etwa einen Kometen, der in der Vorzeit mit der Erde
zusammengetroffen seyn mag. Allein wir haben bereits oben ge-
zeigt, wie unwahrscheinlich ein solches Zusammentreffen, und wie
noch viel unwahrscheinlicher eine so bedeutende Folge dieses Con-
flictes ist, da die Massen aller Kometen so ungemein klein sind.

Aber ist es nicht möglich, daß vor Zeiten auch in dem ge-
genwärtigen Klima Sibiriens Elephanten in der That gelebt
haben? -- Der an der Lena gefundene war allerdings, seiner
Größe und Gestalt nach, denen gleich, die wir noch jetzt im süd-
lichen Asien finden. Seine beiden Hauzähne hatten neun Fuß
Länge, und sein Kopf wog vier Zentner. Aber seine Haut war
bedeckt mit einer dichten braunen Wolle, aus der starke, schwarze
Haare hervorragten, und der Hals des Thieres war mit einer
löwenartigen Mähne besetzt. Eben so war die Haut jenes Rhi-
noceros mit steifen, drei Zoll langen Borsten oder Haaren be-
deckt. Unter einem solchen Pelze konnten diese Thiere das Klima
Sibiriens sehr wohl ertragen, während die ihres Gleichen, wenn

Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.
eine Verſetzung des Aequators in die Gegenden, welche jetzt die
Pole einnehmen, zu Hülfe gerufen haben. Man hat dieſe
extravaganten Hypotheſen ausgedacht, um dadurch die Ueberreſte
von Thieren der Tropenländer, die man in den kalten Zonen
fand, zu erklären. So wurde im Jahr 1771 an dem ſandigen
Ufer des Fluſſes Wilhui in Sibirien ein ganz gut erhaltenes
Rhinoceros einige Fuß tief unter der Erde entdeckt, deſſen Haut
noch nicht von der Verweſung ergriffen war, und i. J. 1799
wurde am Ausfluſſe der Lena ein ungewöhnlich großer Elephant,
in einen Eisblock eingeſchloſſen, gefunden, deſſen Fleiſch noch ſo
friſch geweſen ſeyn ſoll, daß die Jakuten ihre Hunde damit füttern
konnten. Dieſe und ähnliche Erſcheinungen wollte man aus einer
ſolchen Verſetzung des Aequators, der früher durch jene Gegenden
gegangen ſeyn ſoll, und durch den dadurch verurſachten Sturz
des Weltmeers von Süd nach Nord erklären, ohne zu bedenken,
daß dieſe Thiere unmittelbar nach ihrem Tode hätten einfrieren
müſſen, um vor der Fäulniß bewahrt zu bleiben.

§. 124. (Erklärung dieſer Erſcheinungen) Eine ſolche plötz-
liche Verſetzung des Aequators der Erde könnte nur von irgend
einer fremden äußern Kraft gekommen ſeyn, und man ſieht da
nichts, als etwa einen Kometen, der in der Vorzeit mit der Erde
zuſammengetroffen ſeyn mag. Allein wir haben bereits oben ge-
zeigt, wie unwahrſcheinlich ein ſolches Zuſammentreffen, und wie
noch viel unwahrſcheinlicher eine ſo bedeutende Folge dieſes Con-
flictes iſt, da die Maſſen aller Kometen ſo ungemein klein ſind.

Aber iſt es nicht möglich, daß vor Zeiten auch in dem ge-
genwärtigen Klima Sibiriens Elephanten in der That gelebt
haben? — Der an der Lena gefundene war allerdings, ſeiner
Größe und Geſtalt nach, denen gleich, die wir noch jetzt im ſüd-
lichen Aſien finden. Seine beiden Hauzähne hatten neun Fuß
Länge, und ſein Kopf wog vier Zentner. Aber ſeine Haut war
bedeckt mit einer dichten braunen Wolle, aus der ſtarke, ſchwarze
Haare hervorragten, und der Hals des Thieres war mit einer
löwenartigen Mähne beſetzt. Eben ſo war die Haut jenes Rhi-
noceros mit ſteifen, drei Zoll langen Borſten oder Haaren be-
deckt. Unter einem ſolchen Pelze konnten dieſe Thiere das Klima
Sibiriens ſehr wohl ertragen, während die ihres Gleichen, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0183" n="171"/><fw place="top" type="header">Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.</fw><lb/>
eine Ver&#x017F;etzung des Aequators in die Gegenden, welche jetzt die<lb/>
Pole einnehmen, zu Hülfe gerufen haben. Man hat die&#x017F;e<lb/>
extravaganten Hypothe&#x017F;en ausgedacht, um dadurch die Ueberre&#x017F;te<lb/>
von Thieren der Tropenländer, die man in den kalten Zonen<lb/>
fand, zu erklären. So wurde im Jahr 1771 an dem &#x017F;andigen<lb/>
Ufer des Flu&#x017F;&#x017F;es Wilhui in Sibirien ein ganz gut erhaltenes<lb/>
Rhinoceros einige Fuß tief unter der Erde entdeckt, de&#x017F;&#x017F;en Haut<lb/>
noch nicht von der Verwe&#x017F;ung ergriffen war, und i. J. 1799<lb/>
wurde am Ausflu&#x017F;&#x017F;e der Lena ein ungewöhnlich großer Elephant,<lb/>
in einen Eisblock einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, gefunden, de&#x017F;&#x017F;en Flei&#x017F;ch noch &#x017F;o<lb/>
fri&#x017F;ch gewe&#x017F;en &#x017F;eyn &#x017F;oll, daß die Jakuten ihre Hunde damit füttern<lb/>
konnten. Die&#x017F;e und ähnliche Er&#x017F;cheinungen wollte man aus einer<lb/>
&#x017F;olchen Ver&#x017F;etzung des Aequators, der früher durch jene Gegenden<lb/>
gegangen &#x017F;eyn &#x017F;oll, und durch den dadurch verur&#x017F;achten Sturz<lb/>
des Weltmeers von Süd nach Nord erklären, ohne zu bedenken,<lb/>
daß die&#x017F;e Thiere unmittelbar nach ihrem Tode hätten einfrieren<lb/>&#x017F;&#x017F;en, um vor der Fäulniß bewahrt zu bleiben.</p><lb/>
              <p>§. 124. (Erklärung die&#x017F;er Er&#x017F;cheinungen) Eine &#x017F;olche plötz-<lb/>
liche Ver&#x017F;etzung des Aequators der Erde könnte nur von irgend<lb/>
einer fremden äußern Kraft gekommen &#x017F;eyn, und man &#x017F;ieht da<lb/>
nichts, als etwa einen Kometen, der in der Vorzeit mit der Erde<lb/>
zu&#x017F;ammengetroffen &#x017F;eyn mag. Allein wir haben bereits oben ge-<lb/>
zeigt, wie unwahr&#x017F;cheinlich ein &#x017F;olches Zu&#x017F;ammentreffen, und wie<lb/>
noch viel unwahr&#x017F;cheinlicher eine &#x017F;o bedeutende Folge die&#x017F;es Con-<lb/>
flictes i&#x017F;t, da die Ma&#x017F;&#x017F;en aller Kometen &#x017F;o ungemein klein &#x017F;ind.</p><lb/>
              <p>Aber i&#x017F;t es nicht möglich, daß vor Zeiten auch in dem ge-<lb/>
genwärtigen Klima Sibiriens Elephanten in der That gelebt<lb/>
haben? &#x2014; Der an der Lena gefundene war allerdings, &#x017F;einer<lb/>
Größe und Ge&#x017F;talt nach, denen gleich, die wir noch jetzt im &#x017F;üd-<lb/>
lichen A&#x017F;ien finden. Seine beiden Hauzähne hatten neun Fuß<lb/>
Länge, und &#x017F;ein Kopf wog vier Zentner. Aber &#x017F;eine Haut war<lb/>
bedeckt mit einer dichten braunen Wolle, aus der &#x017F;tarke, &#x017F;chwarze<lb/>
Haare hervorragten, und der Hals des Thieres war mit einer<lb/>
löwenartigen Mähne be&#x017F;etzt. Eben &#x017F;o war die Haut jenes Rhi-<lb/>
noceros mit &#x017F;teifen, drei Zoll langen Bor&#x017F;ten oder Haaren be-<lb/>
deckt. Unter einem &#x017F;olchen Pelze konnten die&#x017F;e Thiere das Klima<lb/>
Sibiriens &#x017F;ehr wohl ertragen, während die ihres Gleichen, wenn<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0183] Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten. eine Verſetzung des Aequators in die Gegenden, welche jetzt die Pole einnehmen, zu Hülfe gerufen haben. Man hat dieſe extravaganten Hypotheſen ausgedacht, um dadurch die Ueberreſte von Thieren der Tropenländer, die man in den kalten Zonen fand, zu erklären. So wurde im Jahr 1771 an dem ſandigen Ufer des Fluſſes Wilhui in Sibirien ein ganz gut erhaltenes Rhinoceros einige Fuß tief unter der Erde entdeckt, deſſen Haut noch nicht von der Verweſung ergriffen war, und i. J. 1799 wurde am Ausfluſſe der Lena ein ungewöhnlich großer Elephant, in einen Eisblock eingeſchloſſen, gefunden, deſſen Fleiſch noch ſo friſch geweſen ſeyn ſoll, daß die Jakuten ihre Hunde damit füttern konnten. Dieſe und ähnliche Erſcheinungen wollte man aus einer ſolchen Verſetzung des Aequators, der früher durch jene Gegenden gegangen ſeyn ſoll, und durch den dadurch verurſachten Sturz des Weltmeers von Süd nach Nord erklären, ohne zu bedenken, daß dieſe Thiere unmittelbar nach ihrem Tode hätten einfrieren müſſen, um vor der Fäulniß bewahrt zu bleiben. §. 124. (Erklärung dieſer Erſcheinungen) Eine ſolche plötz- liche Verſetzung des Aequators der Erde könnte nur von irgend einer fremden äußern Kraft gekommen ſeyn, und man ſieht da nichts, als etwa einen Kometen, der in der Vorzeit mit der Erde zuſammengetroffen ſeyn mag. Allein wir haben bereits oben ge- zeigt, wie unwahrſcheinlich ein ſolches Zuſammentreffen, und wie noch viel unwahrſcheinlicher eine ſo bedeutende Folge dieſes Con- flictes iſt, da die Maſſen aller Kometen ſo ungemein klein ſind. Aber iſt es nicht möglich, daß vor Zeiten auch in dem ge- genwärtigen Klima Sibiriens Elephanten in der That gelebt haben? — Der an der Lena gefundene war allerdings, ſeiner Größe und Geſtalt nach, denen gleich, die wir noch jetzt im ſüd- lichen Aſien finden. Seine beiden Hauzähne hatten neun Fuß Länge, und ſein Kopf wog vier Zentner. Aber ſeine Haut war bedeckt mit einer dichten braunen Wolle, aus der ſtarke, ſchwarze Haare hervorragten, und der Hals des Thieres war mit einer löwenartigen Mähne beſetzt. Eben ſo war die Haut jenes Rhi- noceros mit ſteifen, drei Zoll langen Borſten oder Haaren be- deckt. Unter einem ſolchen Pelze konnten dieſe Thiere das Klima Sibiriens ſehr wohl ertragen, während die ihres Gleichen, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/183
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/183>, abgerufen am 24.11.2024.