Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.Merkur. westlichen Seite der Sonne. Anfangs, wo er der Sonne nochsehr nahe erscheint, sieht man ihn nur wie einen feinen Silber- faden, wie den Mond in den ersten Tagen nach dem Neulichte, und seine östliche Seite wird immer mehr beleuchtet, bis er in (4), in seinem letzten Viertel, uns die Hälfte seiner lichten He- misphäre, und endlich in (1) wieder die ganze beleuchtete Scheibe zuwendet. (Vergl. I. §. 94 -- 112). Alle diese Erscheinungen sind den Beobachtungen vollkommen gemäß, und es ist bereits oben (I. Cap. VIII.) gesagt worden, daß man diese Phasen als einen der treffendsten Beweise des Copernicanischen Planeten- systems ansehen kann. Zwar hat man eben diese Abwesenheit derselben (da man, selbst bei der Venus, diese Phasen ohne Fern- röhre, die damals noch unbekannt waren, nicht sehen kann) als einen Beweis gegen dieß System brauchen wollen, aber nichts beweist mehr die Sicherheit und die innige Ueberzeugung von der einmal erkannten Wahrheit, als daß Copernicus sich durch diesen damals allerdings sehr gewichtvollen Einwurf nicht hindern ließ, und daß er kühn behauptete, daß diese Phasen ganz gewiß existiren, und daß wir sie nur nicht sehen können, weil unsere Augen dazu zu schwach sind. Und in der That, kaum war das Fernrohr er- funden, als auch Galilei schon diese Phasen, wenigstens bei der Venus, wo sie viel leichter zu sehen sind, entdeckt hatte. Die Geschichte der Wissenschaften enthält vielleicht nur noch einen einzigen analogen Fall eines ähnlichen beharrlichen Festhaltens an der einmal entdeckten Wahrheit. Als Hutton seine Theorie von der Consolidation der Felsen durch Anwendung der Hitze in einer großen Tiefe unter dem Spiegel des Meeres vortrug, und diese besonders auf den einst flüssigen Marmor anwendete, wurde ihm entgegnet, daß wenigstens bei dieser und überhaupt bei allen kalkigen Steinarten eine solche Ursache der Consolidation nicht zu- gelassen werden könne, weil die Hitze die Substanz derselben auf- löst und sie in Kalk verwandelt, indem sie die Kohlensäure aus dem Steine treibt und nichts als eine Masse zurückläßt, die nicht weiter flüssig gemacht und nicht einmal durch Hitze verändert werden kann; allein Hutton antwortete darauf, daß der große Druck, unter welchem die Hitze auf diese Steinart angebracht Merkur. weſtlichen Seite der Sonne. Anfangs, wo er der Sonne nochſehr nahe erſcheint, ſieht man ihn nur wie einen feinen Silber- faden, wie den Mond in den erſten Tagen nach dem Neulichte, und ſeine öſtliche Seite wird immer mehr beleuchtet, bis er in (4), in ſeinem letzten Viertel, uns die Hälfte ſeiner lichten He- miſphäre, und endlich in (1) wieder die ganze beleuchtete Scheibe zuwendet. (Vergl. I. §. 94 — 112). Alle dieſe Erſcheinungen ſind den Beobachtungen vollkommen gemäß, und es iſt bereits oben (I. Cap. VIII.) geſagt worden, daß man dieſe Phaſen als einen der treffendſten Beweiſe des Copernicaniſchen Planeten- ſyſtems anſehen kann. Zwar hat man eben dieſe Abweſenheit derſelben (da man, ſelbſt bei der Venus, dieſe Phaſen ohne Fern- röhre, die damals noch unbekannt waren, nicht ſehen kann) als einen Beweis gegen dieß Syſtem brauchen wollen, aber nichts beweiſt mehr die Sicherheit und die innige Ueberzeugung von der einmal erkannten Wahrheit, als daß Copernicus ſich durch dieſen damals allerdings ſehr gewichtvollen Einwurf nicht hindern ließ, und daß er kühn behauptete, daß dieſe Phaſen ganz gewiß exiſtiren, und daß wir ſie nur nicht ſehen können, weil unſere Augen dazu zu ſchwach ſind. Und in der That, kaum war das Fernrohr er- funden, als auch Galilei ſchon dieſe Phaſen, wenigſtens bei der Venus, wo ſie viel leichter zu ſehen ſind, entdeckt hatte. Die Geſchichte der Wiſſenſchaften enthält vielleicht nur noch einen einzigen analogen Fall eines ähnlichen beharrlichen Feſthaltens an der einmal entdeckten Wahrheit. Als Hutton ſeine Theorie von der Conſolidation der Felſen durch Anwendung der Hitze in einer großen Tiefe unter dem Spiegel des Meeres vortrug, und dieſe beſonders auf den einſt flüſſigen Marmor anwendete, wurde ihm entgegnet, daß wenigſtens bei dieſer und überhaupt bei allen kalkigen Steinarten eine ſolche Urſache der Conſolidation nicht zu- gelaſſen werden könne, weil die Hitze die Subſtanz derſelben auf- löſt und ſie in Kalk verwandelt, indem ſie die Kohlenſäure aus dem Steine treibt und nichts als eine Maſſe zurückläßt, die nicht weiter flüſſig gemacht und nicht einmal durch Hitze verändert werden kann; allein Hutton antwortete darauf, daß der große Druck, unter welchem die Hitze auf dieſe Steinart angebracht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0067" n="57"/><fw place="top" type="header">Merkur.</fw><lb/> weſtlichen Seite der Sonne. 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Merkur.
weſtlichen Seite der Sonne. Anfangs, wo er der Sonne noch
ſehr nahe erſcheint, ſieht man ihn nur wie einen feinen Silber-
faden, wie den Mond in den erſten Tagen nach dem Neulichte,
und ſeine öſtliche Seite wird immer mehr beleuchtet, bis er in
(4), in ſeinem letzten Viertel, uns die Hälfte ſeiner lichten He-
miſphäre, und endlich in (1) wieder die ganze beleuchtete Scheibe
zuwendet. (Vergl. I. §. 94 — 112). Alle dieſe Erſcheinungen
ſind den Beobachtungen vollkommen gemäß, und es iſt bereits
oben (I. Cap. VIII.) geſagt worden, daß man dieſe Phaſen als
einen der treffendſten Beweiſe des Copernicaniſchen Planeten-
ſyſtems anſehen kann. Zwar hat man eben dieſe Abweſenheit
derſelben (da man, ſelbſt bei der Venus, dieſe Phaſen ohne Fern-
röhre, die damals noch unbekannt waren, nicht ſehen kann) als
einen Beweis gegen dieß Syſtem brauchen wollen, aber nichts
beweiſt mehr die Sicherheit und die innige Ueberzeugung von der
einmal erkannten Wahrheit, als daß Copernicus ſich durch dieſen
damals allerdings ſehr gewichtvollen Einwurf nicht hindern ließ,
und daß er kühn behauptete, daß dieſe Phaſen ganz gewiß exiſtiren,
und daß wir ſie nur nicht ſehen können, weil unſere Augen dazu
zu ſchwach ſind. Und in der That, kaum war das Fernrohr er-
funden, als auch Galilei ſchon dieſe Phaſen, wenigſtens bei der
Venus, wo ſie viel leichter zu ſehen ſind, entdeckt hatte. Die
Geſchichte der Wiſſenſchaften enthält vielleicht nur noch einen
einzigen analogen Fall eines ähnlichen beharrlichen Feſthaltens
an der einmal entdeckten Wahrheit. Als Hutton ſeine Theorie
von der Conſolidation der Felſen durch Anwendung der Hitze in
einer großen Tiefe unter dem Spiegel des Meeres vortrug, und
dieſe beſonders auf den einſt flüſſigen Marmor anwendete, wurde
ihm entgegnet, daß wenigſtens bei dieſer und überhaupt bei allen
kalkigen Steinarten eine ſolche Urſache der Conſolidation nicht zu-
gelaſſen werden könne, weil die Hitze die Subſtanz derſelben auf-
löſt und ſie in Kalk verwandelt, indem ſie die Kohlenſäure aus
dem Steine treibt und nichts als eine Maſſe zurückläßt, die nicht
weiter flüſſig gemacht und nicht einmal durch Hitze verändert
werden kann; allein Hutton antwortete darauf, daß der große
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