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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Die Sonne.
fortbewege. Auch kamen in den nächsten Tagen noch mehrere
andere Flecken zu dem ersten, die alle dieselben Erscheinungen
zeigten. Etwas später verschwand der erste Flecken an dem west-
lichen Rande der Sonne, und nach etwa zwei Wochen sah er ihn
an dem östlichen Rande wieder eintreten. Er schloß daraus mit
Recht, daß diese Flecken sich um der Sonne Mittelpunkt bewegen.
Seine Freude über diese Entdeckung wurde dadurch etwas ver-
mindert, daß er die Veränderlichkeit der Gestalt dieser Flecken,
ja sogar ihr völliges Verschwinden in der Mitte der Sonnenscheibe
bemerkte, und daß also diese Flecken keine permanenten Körper
sind. Demungeachtet zieht er aus seinen Beobachtungen mit Recht
den Schluß, daß die Sonne sich um sich selbst drehen müsse, wie
dieß schon Jordan Bruno (der i. J. 1600 wegen seiner zu liberalen
religiösen Gesinnungen lebendig verbrannt wurde), und später
auch Kepler behauptet hatte.

Der bereits erwähnte Jesuit, Christoph Scheiner aus Schwaben,
suchte die Entdeckung der Sonnenflecken für sich zu vindiciren.
Sein Werk, Rosa Ursina, welches die Beobachtungen dieser
Flecken enthielt, erschien aber erst i. J. 1630 zu Bracciano in
Italien. Er soll den ersten Flecken zu Ingolstadt, wo er Professor
war, im März 1611 gesehen und ihn seinen Zuhörern gezeigt
haben. Die Nachricht davon verbreitete sich, wie er sagt, sehr
schnell, und er wurde von mehreren Freunden dringend ersucht,
seine Entdeckungen bekannt zu machen, allein er wurde daran
durch die Betrachtung gehindert, daß die Sache zu neu und mit
den Grundsätzen der Philosophie seiner Zeit nicht im Einklange
erscheinen müßte. Flecken oder Fehler in der Sonne zu sehen,
schien allen bisher gehegten Ideen von diesem Gestirne, dem
Sinnbilde der höchsten Reinheit, zu widersprechen. Demungeachtet
wollte er es endlich wagen, seine Beobachtungen öffentlich mit-
zutheilen, aber sein Provinzial, Theodor Busäus, ein peripa-
tetischer Zelot, hielt ihn davon zurück, indem er ihm sagte: "Von
"solchen Dingen habe ich nichts in meinem Aristoteles gelesen:
"das sind bloße Einbildungen oder Fehler deines Auges, oder
"endlich deiner Gläser, mein Sohn, und du wirst besser thun,
"diese Sache bei dir zu behalten." -- Demungeachtet konnte
Scheiner nicht ganz schweigen, und gab daher seinem Freunde

Die Sonne.
fortbewege. Auch kamen in den nächſten Tagen noch mehrere
andere Flecken zu dem erſten, die alle dieſelben Erſcheinungen
zeigten. Etwas ſpäter verſchwand der erſte Flecken an dem weſt-
lichen Rande der Sonne, und nach etwa zwei Wochen ſah er ihn
an dem öſtlichen Rande wieder eintreten. Er ſchloß daraus mit
Recht, daß dieſe Flecken ſich um der Sonne Mittelpunkt bewegen.
Seine Freude über dieſe Entdeckung wurde dadurch etwas ver-
mindert, daß er die Veränderlichkeit der Geſtalt dieſer Flecken,
ja ſogar ihr völliges Verſchwinden in der Mitte der Sonnenſcheibe
bemerkte, und daß alſo dieſe Flecken keine permanenten Körper
ſind. Demungeachtet zieht er aus ſeinen Beobachtungen mit Recht
den Schluß, daß die Sonne ſich um ſich ſelbſt drehen müſſe, wie
dieß ſchon Jordan Bruno (der i. J. 1600 wegen ſeiner zu liberalen
religiöſen Geſinnungen lebendig verbrannt wurde), und ſpäter
auch Kepler behauptet hatte.

Der bereits erwähnte Jeſuit, Chriſtoph Scheiner aus Schwaben,
ſuchte die Entdeckung der Sonnenflecken für ſich zu vindiciren.
Sein Werk, Rosa Ursina, welches die Beobachtungen dieſer
Flecken enthielt, erſchien aber erſt i. J. 1630 zu Bracciano in
Italien. Er ſoll den erſten Flecken zu Ingolſtadt, wo er Profeſſor
war, im März 1611 geſehen und ihn ſeinen Zuhörern gezeigt
haben. Die Nachricht davon verbreitete ſich, wie er ſagt, ſehr
ſchnell, und er wurde von mehreren Freunden dringend erſucht,
ſeine Entdeckungen bekannt zu machen, allein er wurde daran
durch die Betrachtung gehindert, daß die Sache zu neu und mit
den Grundſätzen der Philoſophie ſeiner Zeit nicht im Einklange
erſcheinen müßte. Flecken oder Fehler in der Sonne zu ſehen,
ſchien allen bisher gehegten Ideen von dieſem Geſtirne, dem
Sinnbilde der höchſten Reinheit, zu widerſprechen. Demungeachtet
wollte er es endlich wagen, ſeine Beobachtungen öffentlich mit-
zutheilen, aber ſein Provinzial, Theodor Buſäus, ein peripa-
tetiſcher Zelot, hielt ihn davon zurück, indem er ihm ſagte: „Von
„ſolchen Dingen habe ich nichts in meinem Ariſtoteles geleſen:
„das ſind bloße Einbildungen oder Fehler deines Auges, oder
„endlich deiner Gläſer, mein Sohn, und du wirſt beſſer thun,
„dieſe Sache bei dir zu behalten.“ — Demungeachtet konnte
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[45/0055] Die Sonne. fortbewege. Auch kamen in den nächſten Tagen noch mehrere andere Flecken zu dem erſten, die alle dieſelben Erſcheinungen zeigten. Etwas ſpäter verſchwand der erſte Flecken an dem weſt- lichen Rande der Sonne, und nach etwa zwei Wochen ſah er ihn an dem öſtlichen Rande wieder eintreten. Er ſchloß daraus mit Recht, daß dieſe Flecken ſich um der Sonne Mittelpunkt bewegen. Seine Freude über dieſe Entdeckung wurde dadurch etwas ver- mindert, daß er die Veränderlichkeit der Geſtalt dieſer Flecken, ja ſogar ihr völliges Verſchwinden in der Mitte der Sonnenſcheibe bemerkte, und daß alſo dieſe Flecken keine permanenten Körper ſind. Demungeachtet zieht er aus ſeinen Beobachtungen mit Recht den Schluß, daß die Sonne ſich um ſich ſelbſt drehen müſſe, wie dieß ſchon Jordan Bruno (der i. J. 1600 wegen ſeiner zu liberalen religiöſen Geſinnungen lebendig verbrannt wurde), und ſpäter auch Kepler behauptet hatte. Der bereits erwähnte Jeſuit, Chriſtoph Scheiner aus Schwaben, ſuchte die Entdeckung der Sonnenflecken für ſich zu vindiciren. Sein Werk, Rosa Ursina, welches die Beobachtungen dieſer Flecken enthielt, erſchien aber erſt i. J. 1630 zu Bracciano in Italien. Er ſoll den erſten Flecken zu Ingolſtadt, wo er Profeſſor war, im März 1611 geſehen und ihn ſeinen Zuhörern gezeigt haben. Die Nachricht davon verbreitete ſich, wie er ſagt, ſehr ſchnell, und er wurde von mehreren Freunden dringend erſucht, ſeine Entdeckungen bekannt zu machen, allein er wurde daran durch die Betrachtung gehindert, daß die Sache zu neu und mit den Grundſätzen der Philoſophie ſeiner Zeit nicht im Einklange erſcheinen müßte. Flecken oder Fehler in der Sonne zu ſehen, ſchien allen bisher gehegten Ideen von dieſem Geſtirne, dem Sinnbilde der höchſten Reinheit, zu widerſprechen. Demungeachtet wollte er es endlich wagen, ſeine Beobachtungen öffentlich mit- zutheilen, aber ſein Provinzial, Theodor Buſäus, ein peripa- tetiſcher Zelot, hielt ihn davon zurück, indem er ihm ſagte: „Von „ſolchen Dingen habe ich nichts in meinem Ariſtoteles geleſen: „das ſind bloße Einbildungen oder Fehler deines Auges, oder „endlich deiner Gläſer, mein Sohn, und du wirſt beſſer thun, „dieſe Sache bei dir zu behalten.“ — Demungeachtet konnte Scheiner nicht ganz ſchweigen, und gab daher ſeinem Freunde

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/55>, abgerufen am 24.11.2024.