gruppen aus den Tiefen des Himmels zu uns herüberschimmern: aus bloßem Dunst, der sich verdichtet, wo es dann, wie bei uns Wassertropfen, dort Sonnen regnet.
Uebrigens liegen die meisten dieser wundervollen Gegenstände weit außer dem Bereiche unserer eigentlichen Beobachtungen, und der Phantasie ist noch ein unendliches Feld für ihre Spiele eröffnet. Vielleicht existirt eine Urmaterie, das alte Chaos, das nach allen Seiten in dem Weltraume ausgegossen ist, das sich in unübersehbaren Gefilden gleich einem Nebel lagert, sich stellenweise in Wolken sammelt und verdichtet, und gleich den letzten, wenn sie vom Winde getrieben werden, verschiedene phantastische Gestalten annimmt, oder sich bis zur Lichterzeugung condensirt, oder sich an Sterne hängt u. dgl. Vielleicht ist es dieser Stoff, aus dem die eigentlichen Gestirne sich entwickeln, wenn in der That die letzten, wie Herschel meint, nichts als verdichtete Lichtwolken sind. Vielleicht auch, daß dieser Urnebel bloß die Nahrung der eigentlichen Sonnen ist, aus dem sie Licht und Wärme ziehen. Dieß war wenigstens die Ansicht Newtons, die er seinem Freunde Conduit in einem vertraulichen Gespräche mitgetheilt hat. Der ehrwürdige Greis feierte eben seinen dreiundachtzigsten Geburtstag. Er hatte vor Kurzem eine heftige Krankheit überstanden und fühlte sich heute stärker und munterer, als lange Zeit vorher. Sein Freund be- fragte ihn über diese Gegenstände, bei denen er sonst nur ungern verweilte, weil sie der Rechnung nicht unterworfen werden können. Aber in dieser Stunde, wo er sich so wohl fühlte, schien ihm die Kraft der Jugend wieder zu kehren, da ihn doch vielleicht nur die Redseligkeit des Alters beschlich. Die Leser werden vielleicht nicht un- gern hören, was ein Mann dieser Art von jenen Dingen dachte. Ich bemerke nur noch, daß Brewster in seinem Life of Newton uns erst kürzlich (London 1831) aus einem Manuscripte Conduits diese Nachricht mitgetheilt hat.
"Newton sagte mir darüber Folgendes, mehr gesprächsweise und in Antwort auf mehrere meiner Fragen, als in fortlaufender Rede: Es ist meine Muthmaßung, denn behaupten könnte ich es nicht, daß es eine Art von Revolution oder Umwälzung unter den himmlischen Körpern gebe. Vielleicht gehen von der Sonne
Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.
gruppen aus den Tiefen des Himmels zu uns herüberſchimmern: aus bloßem Dunſt, der ſich verdichtet, wo es dann, wie bei uns Waſſertropfen, dort Sonnen regnet.
Uebrigens liegen die meiſten dieſer wundervollen Gegenſtände weit außer dem Bereiche unſerer eigentlichen Beobachtungen, und der Phantaſie iſt noch ein unendliches Feld für ihre Spiele eröffnet. Vielleicht exiſtirt eine Urmaterie, das alte Chaos, das nach allen Seiten in dem Weltraume ausgegoſſen iſt, das ſich in unüberſehbaren Gefilden gleich einem Nebel lagert, ſich ſtellenweiſe in Wolken ſammelt und verdichtet, und gleich den letzten, wenn ſie vom Winde getrieben werden, verſchiedene phantaſtiſche Geſtalten annimmt, oder ſich bis zur Lichterzeugung condenſirt, oder ſich an Sterne hängt u. dgl. Vielleicht iſt es dieſer Stoff, aus dem die eigentlichen Geſtirne ſich entwickeln, wenn in der That die letzten, wie Herſchel meint, nichts als verdichtete Lichtwolken ſind. Vielleicht auch, daß dieſer Urnebel bloß die Nahrung der eigentlichen Sonnen iſt, aus dem ſie Licht und Wärme ziehen. Dieß war wenigſtens die Anſicht Newtons, die er ſeinem Freunde Conduit in einem vertraulichen Geſpräche mitgetheilt hat. Der ehrwürdige Greis feierte eben ſeinen dreiundachtzigſten Geburtstag. Er hatte vor Kurzem eine heftige Krankheit überſtanden und fühlte ſich heute ſtärker und munterer, als lange Zeit vorher. Sein Freund be- fragte ihn über dieſe Gegenſtände, bei denen er ſonſt nur ungern verweilte, weil ſie der Rechnung nicht unterworfen werden können. Aber in dieſer Stunde, wo er ſich ſo wohl fühlte, ſchien ihm die Kraft der Jugend wieder zu kehren, da ihn doch vielleicht nur die Redſeligkeit des Alters beſchlich. Die Leſer werden vielleicht nicht un- gern hören, was ein Mann dieſer Art von jenen Dingen dachte. Ich bemerke nur noch, daß Brewſter in ſeinem Life of Newton uns erſt kürzlich (London 1831) aus einem Manuſcripte Conduits dieſe Nachricht mitgetheilt hat.
„Newton ſagte mir darüber Folgendes, mehr geſprächsweiſe und in Antwort auf mehrere meiner Fragen, als in fortlaufender Rede: Es iſt meine Muthmaßung, denn behaupten könnte ich es nicht, daß es eine Art von Revolution oder Umwälzung unter den himmliſchen Körpern gebe. Vielleicht gehen von der Sonne
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Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels.
gruppen aus den Tiefen des Himmels zu uns herüberſchimmern:
aus bloßem Dunſt, der ſich verdichtet, wo es dann, wie bei uns
Waſſertropfen, dort Sonnen regnet.
Uebrigens liegen die meiſten dieſer wundervollen Gegenſtände
weit außer dem Bereiche unſerer eigentlichen Beobachtungen, und
der Phantaſie iſt noch ein unendliches Feld für ihre Spiele
eröffnet. Vielleicht exiſtirt eine Urmaterie, das alte Chaos, das
nach allen Seiten in dem Weltraume ausgegoſſen iſt, das ſich in
unüberſehbaren Gefilden gleich einem Nebel lagert, ſich ſtellenweiſe
in Wolken ſammelt und verdichtet, und gleich den letzten, wenn ſie
vom Winde getrieben werden, verſchiedene phantaſtiſche Geſtalten
annimmt, oder ſich bis zur Lichterzeugung condenſirt, oder ſich an
Sterne hängt u. dgl. Vielleicht iſt es dieſer Stoff, aus dem die
eigentlichen Geſtirne ſich entwickeln, wenn in der That die letzten, wie
Herſchel meint, nichts als verdichtete Lichtwolken ſind. Vielleicht auch,
daß dieſer Urnebel bloß die Nahrung der eigentlichen Sonnen iſt,
aus dem ſie Licht und Wärme ziehen. Dieß war wenigſtens die
Anſicht Newtons, die er ſeinem Freunde Conduit in einem
vertraulichen Geſpräche mitgetheilt hat. Der ehrwürdige Greis
feierte eben ſeinen dreiundachtzigſten Geburtstag. Er hatte vor
Kurzem eine heftige Krankheit überſtanden und fühlte ſich heute
ſtärker und munterer, als lange Zeit vorher. Sein Freund be-
fragte ihn über dieſe Gegenſtände, bei denen er ſonſt nur ungern
verweilte, weil ſie der Rechnung nicht unterworfen werden können.
Aber in dieſer Stunde, wo er ſich ſo wohl fühlte, ſchien ihm die
Kraft der Jugend wieder zu kehren, da ihn doch vielleicht nur die
Redſeligkeit des Alters beſchlich. Die Leſer werden vielleicht nicht un-
gern hören, was ein Mann dieſer Art von jenen Dingen dachte.
Ich bemerke nur noch, daß Brewſter in ſeinem Life of Newton
uns erſt kürzlich (London 1831) aus einem Manuſcripte Conduits
dieſe Nachricht mitgetheilt hat.
„Newton ſagte mir darüber Folgendes, mehr geſprächsweiſe
und in Antwort auf mehrere meiner Fragen, als in fortlaufender
Rede: Es iſt meine Muthmaßung, denn behaupten könnte ich
es nicht, daß es eine Art von Revolution oder Umwälzung unter
den himmliſchen Körpern gebe. Vielleicht gehen von der Sonne
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/400>, abgerufen am 16.02.2025.
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