Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Doppelsterne.
durch Beobachtungen constatirt ist, und ganz besonders zu unserm
gegenwärtigen Zwecke gehört.

Wenn man nämlich einer schwach erleuchteten weißen Fläche
ein von den drei primären Farben stark gefärbtes, intensives Licht
nahe bringt, so erscheint diese weiße Fläche sogleich in der com-
plementären Farbe jenes primären Lichtes. Wird z. B. einem
matt erleuchteten weißen Papiere ein starkes rothes Licht genähert,
so erscheint das Papier nicht roth, sondern grün, und war jenes
Licht gelb, so erscheint das Papier violet, war endlich jenes Licht
blau, so wird das Papier orangefarb erscheinen. Aus dieser
Ursache erblickt man eine weiße Wand voll violeter Flecken, wenn
man kurz zuvor das Auge gegen die Sonne gerichtet hat, oder
man sieht diese Wand grün oder orange, wenn man kurz zuvor
eine rothe oder eine blaue Fläche durch längere Zeit angesehen hat.

§. 220. (Sind die Farben der Doppelsterne aus diesem Grunde
zu erklären?) Man hat die Meinung geäußert, daß die zwei
Farben, in welchen man gewöhnlich die Doppelsterne sieht, aus
diesen complementären Farben zu erklären seyn können, und daß
daher diese Farben der Sterne nicht reel, sondern nur optische
Illusionen unsers Sehorgans sind. Der kleine Stern hat ge-
wöhnlich nur ein schwaches Licht im Verhältnisse zu den größern.
Wenn also jener auch an sich selbst von weißer Farbe ist, so wird
er uns doch violet oder bläulich erscheinen, sobald er einem großen
und intensiven gelben Sterne, oder grünlich, falls er einem großen
rothen Stern nahe steht. Beispiele für eine solche Zusammen-
stellung gibt es genug. So ist bei a Herkules und e Cassiopeia
der große roth und der kleine grün; bei z Orion, i Cancer,
b Cygnus, Th Centaurus der große gelb und der kleine blau u. s. w.

Allein auch an zahlreichen Ausnahmen von dieser sogenannten
Regel fehlt es nicht. So findet man sehr oft einen kleinen blauen
Stern neben einem großen weißen, wie in l Aries, e Perseus,
b Orion, d Gemini, a Leo, a Serpens u. f. Da hier weder roth
noch gelb ist, woher soll die complementäre blaue Farbe kommen?
-- Bei andern Doppelsternen sind sogar beide blau, wie bei
d Serpens, n Draco, 28 und 59 Andromeda u. f. Bei g Andro-
meda ist der große orange und der kleine smaragdgrün; bei

Doppelſterne.
durch Beobachtungen conſtatirt iſt, und ganz beſonders zu unſerm
gegenwärtigen Zwecke gehört.

Wenn man nämlich einer ſchwach erleuchteten weißen Fläche
ein von den drei primären Farben ſtark gefärbtes, intenſives Licht
nahe bringt, ſo erſcheint dieſe weiße Fläche ſogleich in der com-
plementären Farbe jenes primären Lichtes. Wird z. B. einem
matt erleuchteten weißen Papiere ein ſtarkes rothes Licht genähert,
ſo erſcheint das Papier nicht roth, ſondern grün, und war jenes
Licht gelb, ſo erſcheint das Papier violet, war endlich jenes Licht
blau, ſo wird das Papier orangefarb erſcheinen. Aus dieſer
Urſache erblickt man eine weiße Wand voll violeter Flecken, wenn
man kurz zuvor das Auge gegen die Sonne gerichtet hat, oder
man ſieht dieſe Wand grün oder orange, wenn man kurz zuvor
eine rothe oder eine blaue Fläche durch längere Zeit angeſehen hat.

§. 220. (Sind die Farben der Doppelſterne aus dieſem Grunde
zu erklären?) Man hat die Meinung geäußert, daß die zwei
Farben, in welchen man gewöhnlich die Doppelſterne ſieht, aus
dieſen complementären Farben zu erklären ſeyn können, und daß
daher dieſe Farben der Sterne nicht reel, ſondern nur optiſche
Illuſionen unſers Sehorgans ſind. Der kleine Stern hat ge-
wöhnlich nur ein ſchwaches Licht im Verhältniſſe zu den größern.
Wenn alſo jener auch an ſich ſelbſt von weißer Farbe iſt, ſo wird
er uns doch violet oder bläulich erſcheinen, ſobald er einem großen
und intenſiven gelben Sterne, oder grünlich, falls er einem großen
rothen Stern nahe ſteht. Beiſpiele für eine ſolche Zuſammen-
ſtellung gibt es genug. So iſt bei α Herkules und η Caſſiopeia
der große roth und der kleine grün; bei ζ Orion, ι Cancer,
β Cygnus, Θ Centaurus der große gelb und der kleine blau u. ſ. w.

Allein auch an zahlreichen Ausnahmen von dieſer ſogenannten
Regel fehlt es nicht. So findet man ſehr oft einen kleinen blauen
Stern neben einem großen weißen, wie in λ Aries, ε Perſeus,
β Orion, δ Gemini, α Leo, α Serpens u. f. Da hier weder roth
noch gelb iſt, woher ſoll die complementäre blaue Farbe kommen?
— Bei andern Doppelſternen ſind ſogar beide blau, wie bei
δ Serpens, ν Draco, 28 und 59 Andromeda u. f. Bei γ Andro-
meda iſt der große orange und der kleine ſmaragdgrün; bei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0352" n="342"/><fw place="top" type="header">Doppel&#x017F;terne.</fw><lb/>
durch Beobachtungen con&#x017F;tatirt i&#x017F;t, und ganz be&#x017F;onders zu un&#x017F;erm<lb/>
gegenwärtigen Zwecke gehört.</p><lb/>
            <p>Wenn man nämlich einer &#x017F;chwach erleuchteten weißen Fläche<lb/>
ein von den drei primären Farben &#x017F;tark gefärbtes, inten&#x017F;ives Licht<lb/>
nahe bringt, &#x017F;o er&#x017F;cheint die&#x017F;e weiße Fläche &#x017F;ogleich in der com-<lb/>
plementären Farbe jenes primären Lichtes. Wird z. B. einem<lb/>
matt erleuchteten weißen Papiere ein &#x017F;tarkes rothes Licht genähert,<lb/>
&#x017F;o er&#x017F;cheint das Papier nicht roth, &#x017F;ondern grün, und war jenes<lb/>
Licht gelb, &#x017F;o er&#x017F;cheint das Papier violet, war endlich jenes Licht<lb/>
blau, &#x017F;o wird das Papier orangefarb er&#x017F;cheinen. Aus die&#x017F;er<lb/>
Ur&#x017F;ache erblickt man eine weiße Wand voll violeter Flecken, wenn<lb/>
man kurz zuvor das Auge gegen die Sonne gerichtet hat, oder<lb/>
man &#x017F;ieht die&#x017F;e Wand grün oder orange, wenn man kurz zuvor<lb/>
eine rothe oder eine blaue Fläche durch längere Zeit ange&#x017F;ehen hat.</p><lb/>
            <p>§. 220. (Sind die Farben der Doppel&#x017F;terne aus die&#x017F;em Grunde<lb/>
zu erklären?) Man hat die Meinung geäußert, daß die zwei<lb/>
Farben, in welchen man gewöhnlich die Doppel&#x017F;terne &#x017F;ieht, aus<lb/>
die&#x017F;en complementären Farben zu erklären &#x017F;eyn können, und daß<lb/>
daher die&#x017F;e Farben der Sterne nicht reel, &#x017F;ondern nur opti&#x017F;che<lb/>
Illu&#x017F;ionen un&#x017F;ers Sehorgans &#x017F;ind. Der kleine Stern hat ge-<lb/>
wöhnlich nur ein &#x017F;chwaches Licht im Verhältni&#x017F;&#x017F;e zu den größern.<lb/>
Wenn al&#x017F;o jener auch an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t von weißer Farbe i&#x017F;t, &#x017F;o wird<lb/>
er uns doch violet oder bläulich er&#x017F;cheinen, &#x017F;obald er einem großen<lb/>
und inten&#x017F;iven gelben Sterne, oder grünlich, falls er einem großen<lb/>
rothen Stern nahe &#x017F;teht. Bei&#x017F;piele für eine &#x017F;olche Zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x017F;tellung gibt es genug. So i&#x017F;t bei &#x03B1; Herkules und &#x03B7; Ca&#x017F;&#x017F;iopeia<lb/>
der große roth und der kleine grün; bei &#x03B6; Orion, &#x03B9; Cancer,<lb/>
&#x03B2; Cygnus, &#x0398; Centaurus der große gelb und der kleine blau u. &#x017F;. w.</p><lb/>
            <p>Allein auch an zahlreichen Ausnahmen von die&#x017F;er &#x017F;ogenannten<lb/>
Regel fehlt es nicht. So findet man &#x017F;ehr oft einen kleinen blauen<lb/>
Stern neben einem großen weißen, wie in &#x03BB; Aries, &#x03B5; Per&#x017F;eus,<lb/>
&#x03B2; Orion, &#x03B4; Gemini, &#x03B1; Leo, &#x03B1; Serpens u. f. Da hier weder roth<lb/>
noch gelb i&#x017F;t, woher &#x017F;oll die complementäre blaue Farbe kommen?<lb/>
&#x2014; Bei andern Doppel&#x017F;ternen &#x017F;ind &#x017F;ogar beide blau, wie bei<lb/>
&#x03B4; Serpens, &#x03BD; Draco, 28 und 59 Andromeda u. f. Bei &#x03B3; Andro-<lb/>
meda i&#x017F;t der große orange und der kleine &#x017F;maragdgrün; bei<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0352] Doppelſterne. durch Beobachtungen conſtatirt iſt, und ganz beſonders zu unſerm gegenwärtigen Zwecke gehört. Wenn man nämlich einer ſchwach erleuchteten weißen Fläche ein von den drei primären Farben ſtark gefärbtes, intenſives Licht nahe bringt, ſo erſcheint dieſe weiße Fläche ſogleich in der com- plementären Farbe jenes primären Lichtes. Wird z. B. einem matt erleuchteten weißen Papiere ein ſtarkes rothes Licht genähert, ſo erſcheint das Papier nicht roth, ſondern grün, und war jenes Licht gelb, ſo erſcheint das Papier violet, war endlich jenes Licht blau, ſo wird das Papier orangefarb erſcheinen. Aus dieſer Urſache erblickt man eine weiße Wand voll violeter Flecken, wenn man kurz zuvor das Auge gegen die Sonne gerichtet hat, oder man ſieht dieſe Wand grün oder orange, wenn man kurz zuvor eine rothe oder eine blaue Fläche durch längere Zeit angeſehen hat. §. 220. (Sind die Farben der Doppelſterne aus dieſem Grunde zu erklären?) Man hat die Meinung geäußert, daß die zwei Farben, in welchen man gewöhnlich die Doppelſterne ſieht, aus dieſen complementären Farben zu erklären ſeyn können, und daß daher dieſe Farben der Sterne nicht reel, ſondern nur optiſche Illuſionen unſers Sehorgans ſind. Der kleine Stern hat ge- wöhnlich nur ein ſchwaches Licht im Verhältniſſe zu den größern. Wenn alſo jener auch an ſich ſelbſt von weißer Farbe iſt, ſo wird er uns doch violet oder bläulich erſcheinen, ſobald er einem großen und intenſiven gelben Sterne, oder grünlich, falls er einem großen rothen Stern nahe ſteht. Beiſpiele für eine ſolche Zuſammen- ſtellung gibt es genug. So iſt bei α Herkules und η Caſſiopeia der große roth und der kleine grün; bei ζ Orion, ι Cancer, β Cygnus, Θ Centaurus der große gelb und der kleine blau u. ſ. w. Allein auch an zahlreichen Ausnahmen von dieſer ſogenannten Regel fehlt es nicht. So findet man ſehr oft einen kleinen blauen Stern neben einem großen weißen, wie in λ Aries, ε Perſeus, β Orion, δ Gemini, α Leo, α Serpens u. f. Da hier weder roth noch gelb iſt, woher ſoll die complementäre blaue Farbe kommen? — Bei andern Doppelſternen ſind ſogar beide blau, wie bei δ Serpens, ν Draco, 28 und 59 Andromeda u. f. Bei γ Andro- meda iſt der große orange und der kleine ſmaragdgrün; bei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/352
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/352>, abgerufen am 25.11.2024.