entfernt wäre, so würden wir die Milchstraße nur mehr als einen Ring oder als eine Scheibe von 60 Graden im Durchmesser sehen. In der Entfernung von 100 Durchmessern würden wir die ganze Milchstraße nur mehr unter einem Winkel von 36 Minuten im Durchmesser erblicken, also kleiner, als der bekannte Nebelfleck in der Andromeda, der ebenfalls eine linsenförmige Gestalt hat.
Wie also, wenn dieser Nebel selbst wieder eine, aber eine so weit von uns entfernte Milchstraße wäre, daß wir die einzelnen Sterne derselben nicht mehr unterscheiden können und daß uns das Ganze nur mehr als eine schwache Lichtwolke erscheint? Solcher Nebel giebt es aber noch sehr viele am Himmel und die Muthmaßung, welche wir hier von ihm aufgestellt haben, hat wenigstens sehr viel Wahrscheinlichkeit. In der That hat auch Herschel mehrere dieser wunderbaren Gebilde des Himmels noch als sehr gedrängte Sternhaufen erkannt; seine mächtigen Fernröhre haben eine große Menge von sehr kleinen und äußerst dicht ge- drängten Sternchen in ihnen erkennen lassen, während andere, wahrscheinlich noch viel weiter entfernte, sich nicht in Sterne auflösen ließen, und selbst in seinen stärksten Telescopen immer noch die frühere Nebelgestalt beibehielten. Er hat daraus den Schluß gezogen, daß diese letzten wenigstens noch 10000 Stern- weiten von uns entfernt seyn müssen. In einer solchen Entfernung würde aber unsere eigene Milchstraße kaum mehr eine Secunde am Himmel bedecken und uns daher ganz unsichtbar seyn. Wie viel größer müssen aber dann viele von jenen Milchstraßen seyn, da sie uns, jener Entfernung ungeachtet, doch noch oft unter einem Durchmesser von mehreren Minuten erscheinen.
§. 199. (Daraus folgende Anzahl der Fixsterne.) Wenn aber dieß alles sich in der That so verhält, wer wird es dann noch unternehmen, die Sterne des Himmels zu zählen? -- Offenbar führen uns die vorhergehenden Betrachtungen dahin, die Anzahl der Fixsterne als ganz unzählbar, als wahrhaft unendlich groß anzunehmen. Wir sind gleichsam gezwungen, den Weltenraum nach allen Richtungen hin als unbegränzt und überall und ohne
Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.
entfernt wäre, ſo würden wir die Milchſtraße nur mehr als einen Ring oder als eine Scheibe von 60 Graden im Durchmeſſer ſehen. In der Entfernung von 100 Durchmeſſern würden wir die ganze Milchſtraße nur mehr unter einem Winkel von 36 Minuten im Durchmeſſer erblicken, alſo kleiner, als der bekannte Nebelfleck in der Andromeda, der ebenfalls eine linſenförmige Geſtalt hat.
Wie alſo, wenn dieſer Nebel ſelbſt wieder eine, aber eine ſo weit von uns entfernte Milchſtraße wäre, daß wir die einzelnen Sterne derſelben nicht mehr unterſcheiden können und daß uns das Ganze nur mehr als eine ſchwache Lichtwolke erſcheint? Solcher Nebel giebt es aber noch ſehr viele am Himmel und die Muthmaßung, welche wir hier von ihm aufgeſtellt haben, hat wenigſtens ſehr viel Wahrſcheinlichkeit. In der That hat auch Herſchel mehrere dieſer wunderbaren Gebilde des Himmels noch als ſehr gedrängte Sternhaufen erkannt; ſeine mächtigen Fernröhre haben eine große Menge von ſehr kleinen und äußerſt dicht ge- drängten Sternchen in ihnen erkennen laſſen, während andere, wahrſcheinlich noch viel weiter entfernte, ſich nicht in Sterne auflöſen ließen, und ſelbſt in ſeinen ſtärkſten Teleſcopen immer noch die frühere Nebelgeſtalt beibehielten. Er hat daraus den Schluß gezogen, daß dieſe letzten wenigſtens noch 10000 Stern- weiten von uns entfernt ſeyn müſſen. In einer ſolchen Entfernung würde aber unſere eigene Milchſtraße kaum mehr eine Secunde am Himmel bedecken und uns daher ganz unſichtbar ſeyn. Wie viel größer müſſen aber dann viele von jenen Milchſtraßen ſeyn, da ſie uns, jener Entfernung ungeachtet, doch noch oft unter einem Durchmeſſer von mehreren Minuten erſcheinen.
§. 199. (Daraus folgende Anzahl der Fixſterne.) Wenn aber dieß alles ſich in der That ſo verhält, wer wird es dann noch unternehmen, die Sterne des Himmels zu zählen? — Offenbar führen uns die vorhergehenden Betrachtungen dahin, die Anzahl der Fixſterne als ganz unzählbar, als wahrhaft unendlich groß anzunehmen. Wir ſind gleichſam gezwungen, den Weltenraum nach allen Richtungen hin als unbegränzt und überall und ohne
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Anzahl, Entfernung und Größe der Fixſterne.
entfernt wäre, ſo würden wir die Milchſtraße nur mehr als einen
Ring oder als eine Scheibe von 60 Graden im Durchmeſſer
ſehen. In der Entfernung von 100 Durchmeſſern würden wir
die ganze Milchſtraße nur mehr unter einem Winkel von 36
Minuten im Durchmeſſer erblicken, alſo kleiner, als der bekannte
Nebelfleck in der Andromeda, der ebenfalls eine linſenförmige
Geſtalt hat.
Wie alſo, wenn dieſer Nebel ſelbſt wieder eine, aber eine ſo
weit von uns entfernte Milchſtraße wäre, daß wir die einzelnen
Sterne derſelben nicht mehr unterſcheiden können und daß uns
das Ganze nur mehr als eine ſchwache Lichtwolke erſcheint?
Solcher Nebel giebt es aber noch ſehr viele am Himmel und die
Muthmaßung, welche wir hier von ihm aufgeſtellt haben, hat
wenigſtens ſehr viel Wahrſcheinlichkeit. In der That hat auch
Herſchel mehrere dieſer wunderbaren Gebilde des Himmels noch
als ſehr gedrängte Sternhaufen erkannt; ſeine mächtigen Fernröhre
haben eine große Menge von ſehr kleinen und äußerſt dicht ge-
drängten Sternchen in ihnen erkennen laſſen, während andere,
wahrſcheinlich noch viel weiter entfernte, ſich nicht in Sterne
auflöſen ließen, und ſelbſt in ſeinen ſtärkſten Teleſcopen immer
noch die frühere Nebelgeſtalt beibehielten. Er hat daraus den
Schluß gezogen, daß dieſe letzten wenigſtens noch 10000 Stern-
weiten von uns entfernt ſeyn müſſen. In einer ſolchen Entfernung
würde aber unſere eigene Milchſtraße kaum mehr eine Secunde
am Himmel bedecken und uns daher ganz unſichtbar ſeyn. Wie
viel größer müſſen aber dann viele von jenen Milchſtraßen ſeyn,
da ſie uns, jener Entfernung ungeachtet, doch noch oft unter
einem Durchmeſſer von mehreren Minuten erſcheinen.
§. 199. (Daraus folgende Anzahl der Fixſterne.) Wenn aber
dieß alles ſich in der That ſo verhält, wer wird es dann noch
unternehmen, die Sterne des Himmels zu zählen? — Offenbar
führen uns die vorhergehenden Betrachtungen dahin, die Anzahl
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anzunehmen. Wir ſind gleichſam gezwungen, den Weltenraum
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/321>, abgerufen am 18.02.2025.
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