Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Kometen.
nem Wege alle Menschen und Thiere verschlingen, unsere Städte
und Wälder niederreißen, alle Länder überschwemmen und selbst
die höchsten Gegenden mit seinen schäumenden Fluthen bedecken.
Die wahrhaft gräßlichen Folgen einer solchen Katastrophe mögen
die Leser sich selbst zu schildern suchen.

§. 180. (Gründe gegen diese Besorgnisse.) Alle die fürchter-
lichen Ereignisse, denen wir entgegen gehen sollen, beruhen aber
auf der Voraussetzung, daß der Komet, welcher die Erde treffen
werde, ein dichter, fester und in Beziehung auf die Erde auch
ein beträchtlich großer Körper sey. Wir haben aber bereits im
Vorhergehenden mehr als einmal Gelegenheit gehabt, zu bemer-
ken, daß die Kometen mit eigentlich festen Körpern ganz und gar
keine Aehnlichkeit zu haben scheinen. Wir sehen sie alle nur
als leichte Wolken, als schwache, mattbeleuchtete Dünste, als
bloße Luftgebilde, von welchen, jene fürchterlichen Folgen abzulei-
ten, durchaus kein Grund vorhanden ist.

Wenn aber selbst ein Zusammentreffen mit diesen Körpern für
uns wahrscheinlich ohne alle verderbliche Folgen statt haben kann,
so wird von einem bloßen näheren Vorübergange eines Ko-
meten noch weniger zu besorgen seyn, schon aus der Ursache,
weil die Bewegung dieser Himmelskörper so äußerst schnell ist,
daß sie, selbst wenn sie uns einige Augenblicke sehr nahe kommen
können, schon nach wenigen Stunden sehr weit von uns entfernt
seyn müssen, und daß daher auch ihre Einwirkung auf uns, we-
gen der ungemein kurzen Dauer ihrer größeren Anziehung, dadurch
sehr verringert werden muß. Ein Komet, dessen kürzeste Entfer-
nung von der Sonne gleich dem Halbmesser der Erdbahn ist und
der daher in seinem Perihelium die Erde treffen könnte, hat in
diesem Punkte seiner Bahn eine Geschwindigkeit, die ihn in einer
Stunde schon durch 21000 Meilen treiben würde, eine Geschwin-
digkeit, welche die einer Kanonenkugel schon 230 mal übertrifft.
Aber noch viel größer ist, wie wir schon oben gesehen haben,
die Geschwindigkeit mancher anderen Kometen, die in ihrem
Perihelium der Sonne viel näher kommen.

§. 181. (Aeltere Meinungen von den Kometen.) Unsere Vor-
gänger, welche die Bahnen der Kometen, die sie, gleich den Pla-

Kometen.
nem Wege alle Menſchen und Thiere verſchlingen, unſere Städte
und Wälder niederreißen, alle Länder überſchwemmen und ſelbſt
die höchſten Gegenden mit ſeinen ſchäumenden Fluthen bedecken.
Die wahrhaft gräßlichen Folgen einer ſolchen Kataſtrophe mögen
die Leſer ſich ſelbſt zu ſchildern ſuchen.

§. 180. (Gründe gegen dieſe Beſorgniſſe.) Alle die fürchter-
lichen Ereigniſſe, denen wir entgegen gehen ſollen, beruhen aber
auf der Vorausſetzung, daß der Komet, welcher die Erde treffen
werde, ein dichter, feſter und in Beziehung auf die Erde auch
ein beträchtlich großer Körper ſey. Wir haben aber bereits im
Vorhergehenden mehr als einmal Gelegenheit gehabt, zu bemer-
ken, daß die Kometen mit eigentlich feſten Körpern ganz und gar
keine Aehnlichkeit zu haben ſcheinen. Wir ſehen ſie alle nur
als leichte Wolken, als ſchwache, mattbeleuchtete Dünſte, als
bloße Luftgebilde, von welchen, jene fürchterlichen Folgen abzulei-
ten, durchaus kein Grund vorhanden iſt.

Wenn aber ſelbſt ein Zuſammentreffen mit dieſen Körpern für
uns wahrſcheinlich ohne alle verderbliche Folgen ſtatt haben kann,
ſo wird von einem bloßen näheren Vorübergange eines Ko-
meten noch weniger zu beſorgen ſeyn, ſchon aus der Urſache,
weil die Bewegung dieſer Himmelskörper ſo äußerſt ſchnell iſt,
daß ſie, ſelbſt wenn ſie uns einige Augenblicke ſehr nahe kommen
können, ſchon nach wenigen Stunden ſehr weit von uns entfernt
ſeyn müſſen, und daß daher auch ihre Einwirkung auf uns, we-
gen der ungemein kurzen Dauer ihrer größeren Anziehung, dadurch
ſehr verringert werden muß. Ein Komet, deſſen kürzeſte Entfer-
nung von der Sonne gleich dem Halbmeſſer der Erdbahn iſt und
der daher in ſeinem Perihelium die Erde treffen könnte, hat in
dieſem Punkte ſeiner Bahn eine Geſchwindigkeit, die ihn in einer
Stunde ſchon durch 21000 Meilen treiben würde, eine Geſchwin-
digkeit, welche die einer Kanonenkugel ſchon 230 mal übertrifft.
Aber noch viel größer iſt, wie wir ſchon oben geſehen haben,
die Geſchwindigkeit mancher anderen Kometen, die in ihrem
Perihelium der Sonne viel näher kommen.

§. 181. (Aeltere Meinungen von den Kometen.) Unſere Vor-
gänger, welche die Bahnen der Kometen, die ſie, gleich den Pla-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0287" n="277"/><fw place="top" type="header">Kometen.</fw><lb/>
nem Wege alle Men&#x017F;chen und Thiere ver&#x017F;chlingen, un&#x017F;ere Städte<lb/>
und Wälder niederreißen, alle Länder über&#x017F;chwemmen und &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
die höch&#x017F;ten Gegenden mit &#x017F;einen &#x017F;chäumenden Fluthen bedecken.<lb/>
Die wahrhaft gräßlichen Folgen einer &#x017F;olchen Kata&#x017F;trophe mögen<lb/>
die Le&#x017F;er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;childern &#x017F;uchen.</p><lb/>
            <p>§. 180. (Gründe gegen die&#x017F;e Be&#x017F;orgni&#x017F;&#x017F;e.) Alle die fürchter-<lb/>
lichen Ereigni&#x017F;&#x017F;e, denen wir entgegen gehen &#x017F;ollen, beruhen aber<lb/>
auf der Voraus&#x017F;etzung, daß der Komet, welcher die Erde treffen<lb/>
werde, ein dichter, fe&#x017F;ter und in Beziehung auf die Erde auch<lb/>
ein beträchtlich großer Körper &#x017F;ey. Wir haben aber bereits im<lb/>
Vorhergehenden mehr als einmal Gelegenheit gehabt, zu bemer-<lb/>
ken, daß die Kometen mit eigentlich fe&#x017F;ten Körpern ganz und gar<lb/>
keine Aehnlichkeit zu haben &#x017F;cheinen. Wir &#x017F;ehen &#x017F;ie alle nur<lb/>
als leichte Wolken, als &#x017F;chwache, mattbeleuchtete Dün&#x017F;te, als<lb/>
bloße Luftgebilde, von welchen, jene fürchterlichen Folgen abzulei-<lb/>
ten, durchaus kein Grund vorhanden i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Wenn aber &#x017F;elb&#x017F;t ein Zu&#x017F;ammentreffen mit die&#x017F;en Körpern für<lb/>
uns wahr&#x017F;cheinlich ohne alle verderbliche Folgen &#x017F;tatt haben kann,<lb/>
&#x017F;o wird von einem bloßen näheren Vorübergange eines Ko-<lb/>
meten noch weniger zu be&#x017F;orgen &#x017F;eyn, &#x017F;chon aus der Ur&#x017F;ache,<lb/>
weil die Bewegung die&#x017F;er Himmelskörper &#x017F;o äußer&#x017F;t &#x017F;chnell i&#x017F;t,<lb/>
daß &#x017F;ie, &#x017F;elb&#x017F;t wenn &#x017F;ie uns einige Augenblicke &#x017F;ehr nahe kommen<lb/>
können, &#x017F;chon nach wenigen Stunden &#x017F;ehr weit von uns entfernt<lb/>
&#x017F;eyn mü&#x017F;&#x017F;en, und daß daher auch ihre Einwirkung auf uns, we-<lb/>
gen der ungemein kurzen Dauer ihrer größeren Anziehung, dadurch<lb/>
&#x017F;ehr verringert werden muß. Ein Komet, de&#x017F;&#x017F;en kürze&#x017F;te Entfer-<lb/>
nung von der Sonne gleich dem Halbme&#x017F;&#x017F;er der Erdbahn i&#x017F;t und<lb/>
der daher in &#x017F;einem Perihelium die Erde treffen könnte, hat in<lb/>
die&#x017F;em Punkte &#x017F;einer Bahn eine Ge&#x017F;chwindigkeit, die ihn in einer<lb/>
Stunde &#x017F;chon durch 21000 Meilen treiben würde, eine Ge&#x017F;chwin-<lb/>
digkeit, welche die einer Kanonenkugel &#x017F;chon 230 mal übertrifft.<lb/>
Aber noch viel größer i&#x017F;t, wie wir &#x017F;chon oben ge&#x017F;ehen haben,<lb/>
die Ge&#x017F;chwindigkeit mancher anderen Kometen, die in ihrem<lb/>
Perihelium der Sonne viel näher kommen.</p><lb/>
            <p>§. 181. (Aeltere Meinungen von den Kometen.) Un&#x017F;ere Vor-<lb/>
gänger, welche die Bahnen der Kometen, die &#x017F;ie, gleich den Pla-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0287] Kometen. nem Wege alle Menſchen und Thiere verſchlingen, unſere Städte und Wälder niederreißen, alle Länder überſchwemmen und ſelbſt die höchſten Gegenden mit ſeinen ſchäumenden Fluthen bedecken. Die wahrhaft gräßlichen Folgen einer ſolchen Kataſtrophe mögen die Leſer ſich ſelbſt zu ſchildern ſuchen. §. 180. (Gründe gegen dieſe Beſorgniſſe.) Alle die fürchter- lichen Ereigniſſe, denen wir entgegen gehen ſollen, beruhen aber auf der Vorausſetzung, daß der Komet, welcher die Erde treffen werde, ein dichter, feſter und in Beziehung auf die Erde auch ein beträchtlich großer Körper ſey. Wir haben aber bereits im Vorhergehenden mehr als einmal Gelegenheit gehabt, zu bemer- ken, daß die Kometen mit eigentlich feſten Körpern ganz und gar keine Aehnlichkeit zu haben ſcheinen. Wir ſehen ſie alle nur als leichte Wolken, als ſchwache, mattbeleuchtete Dünſte, als bloße Luftgebilde, von welchen, jene fürchterlichen Folgen abzulei- ten, durchaus kein Grund vorhanden iſt. Wenn aber ſelbſt ein Zuſammentreffen mit dieſen Körpern für uns wahrſcheinlich ohne alle verderbliche Folgen ſtatt haben kann, ſo wird von einem bloßen näheren Vorübergange eines Ko- meten noch weniger zu beſorgen ſeyn, ſchon aus der Urſache, weil die Bewegung dieſer Himmelskörper ſo äußerſt ſchnell iſt, daß ſie, ſelbſt wenn ſie uns einige Augenblicke ſehr nahe kommen können, ſchon nach wenigen Stunden ſehr weit von uns entfernt ſeyn müſſen, und daß daher auch ihre Einwirkung auf uns, we- gen der ungemein kurzen Dauer ihrer größeren Anziehung, dadurch ſehr verringert werden muß. Ein Komet, deſſen kürzeſte Entfer- nung von der Sonne gleich dem Halbmeſſer der Erdbahn iſt und der daher in ſeinem Perihelium die Erde treffen könnte, hat in dieſem Punkte ſeiner Bahn eine Geſchwindigkeit, die ihn in einer Stunde ſchon durch 21000 Meilen treiben würde, eine Geſchwin- digkeit, welche die einer Kanonenkugel ſchon 230 mal übertrifft. Aber noch viel größer iſt, wie wir ſchon oben geſehen haben, die Geſchwindigkeit mancher anderen Kometen, die in ihrem Perihelium der Sonne viel näher kommen. §. 181. (Aeltere Meinungen von den Kometen.) Unſere Vor- gänger, welche die Bahnen der Kometen, die ſie, gleich den Pla-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/287
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/287>, abgerufen am 25.11.2024.