In jeder von diesen beiden Lagen der zwei Krystalle, wo die Hauptschnitte derselben entweder parallel oder auf einander senk- recht sind, wird weder der gewöhnliche, noch der außerordentliche Strahl von dem zweiten Krystall mehr gespalten, und man sieht immer nur zwei Strahlen. Aber in den Zwischenpositionen die- ser beiden Lagen, wenn nämlich der Winkel der beiden Haupt- schnitte weder O noch 90 Grade beträgt, hat allerdings eine solche Spaltung statt, so daß man dann mehr als zwei Lichtstrahlen bemerkt.
§. 15. (Erklärung dieser Erscheinungen des polarisirten Lichts.) Was ist nun die Ursache dieser sonderbaren Erscheinungen? -- Auf den ersten Blick könnte man glauben, daß jeder Lichtstrahl aus zwei verschiedenen Strahlen, aus zwei verschiedenen Reihen von Elementen besteht, von welchen die erste die Eigenschaft hat, auf die gewöhnliche, und die andere auf die außerordentliche Weise, von diaphanen Körpern gewisser Art, gebrochen zu werden. Aber die so eben angeführte Beobachtung steht mit dieser An- nahme im Widerspruch, daß nämlich, wenn die Hauptschnitte auf einander senkrecht stehen, der gewöhnliche Strahl des ersten Krystalls der ungewöhnliche im zweiten wird und umgekehrt.
Der ganze Unterschied zwischen den in Fig. 2 und 3 vorge- stellten Erscheinungen rührt offenbar nur daher, daß man in Fig. 2 die beiden Hauptschnitte parallel, also z. B. beide von Süd gen Nord gestellt hat, während man in Fig. 3 den einen nach Südnord und den andern nach Ostwest gerichtet hat. Die von dem ersten Krystalle kommenden Strahlen würden also von dem Hauptschnitte des zweiten Krystalls in Fig. 2 in der Rich- tung Südnord, und in Fig. 3 in der Richtung Ostwest geschnit- ten. Es muß also auch in jedem Lichtstrahle etwas seyn, das seine Südnordseite von seiner Ostwestseite verschieden macht, und diese zwei oder eigentlich diese vier Hauptseiten müssen noch das Eigenthümliche haben, daß die Nordsüdseite des gewöhnlichen Strahls mit der Ostwestseite des außerordentlichen Strahls als identisch angesehen werden kann, so zwar, daß der letzte, wenn er um 90 Grade um sich selbst gedreht wird, von dem ersten nicht mehr unterschieden werden kann. Wir werden daher künftig bei jedem Lichtstrahl, so fein er auch übrigens seyn mag, vier Seiten
Die Sonne.
In jeder von dieſen beiden Lagen der zwei Kryſtalle, wo die Hauptſchnitte derſelben entweder parallel oder auf einander ſenk- recht ſind, wird weder der gewöhnliche, noch der außerordentliche Strahl von dem zweiten Kryſtall mehr geſpalten, und man ſieht immer nur zwei Strahlen. Aber in den Zwiſchenpoſitionen die- ſer beiden Lagen, wenn nämlich der Winkel der beiden Haupt- ſchnitte weder O noch 90 Grade beträgt, hat allerdings eine ſolche Spaltung ſtatt, ſo daß man dann mehr als zwei Lichtſtrahlen bemerkt.
§. 15. (Erklärung dieſer Erſcheinungen des polariſirten Lichts.) Was iſt nun die Urſache dieſer ſonderbaren Erſcheinungen? — Auf den erſten Blick könnte man glauben, daß jeder Lichtſtrahl aus zwei verſchiedenen Strahlen, aus zwei verſchiedenen Reihen von Elementen beſteht, von welchen die erſte die Eigenſchaft hat, auf die gewöhnliche, und die andere auf die außerordentliche Weiſe, von diaphanen Körpern gewiſſer Art, gebrochen zu werden. Aber die ſo eben angeführte Beobachtung ſteht mit dieſer An- nahme im Widerſpruch, daß nämlich, wenn die Hauptſchnitte auf einander ſenkrecht ſtehen, der gewöhnliche Strahl des erſten Kryſtalls der ungewöhnliche im zweiten wird und umgekehrt.
Der ganze Unterſchied zwiſchen den in Fig. 2 und 3 vorge- ſtellten Erſcheinungen rührt offenbar nur daher, daß man in Fig. 2 die beiden Hauptſchnitte parallel, alſo z. B. beide von Süd gen Nord geſtellt hat, während man in Fig. 3 den einen nach Südnord und den andern nach Oſtweſt gerichtet hat. Die von dem erſten Kryſtalle kommenden Strahlen würden alſo von dem Hauptſchnitte des zweiten Kryſtalls in Fig. 2 in der Rich- tung Südnord, und in Fig. 3 in der Richtung Oſtweſt geſchnit- ten. Es muß alſo auch in jedem Lichtſtrahle etwas ſeyn, das ſeine Südnordſeite von ſeiner Oſtweſtſeite verſchieden macht, und dieſe zwei oder eigentlich dieſe vier Hauptſeiten müſſen noch das Eigenthümliche haben, daß die Nordſüdſeite des gewöhnlichen Strahls mit der Oſtweſtſeite des außerordentlichen Strahls als identiſch angeſehen werden kann, ſo zwar, daß der letzte, wenn er um 90 Grade um ſich ſelbſt gedreht wird, von dem erſten nicht mehr unterſchieden werden kann. Wir werden daher künftig bei jedem Lichtſtrahl, ſo fein er auch übrigens ſeyn mag, vier Seiten
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Die Sonne.
In jeder von dieſen beiden Lagen der zwei Kryſtalle, wo die
Hauptſchnitte derſelben entweder parallel oder auf einander ſenk-
recht ſind, wird weder der gewöhnliche, noch der außerordentliche
Strahl von dem zweiten Kryſtall mehr geſpalten, und man ſieht
immer nur zwei Strahlen. Aber in den Zwiſchenpoſitionen die-
ſer beiden Lagen, wenn nämlich der Winkel der beiden Haupt-
ſchnitte weder O noch 90 Grade beträgt, hat allerdings eine ſolche
Spaltung ſtatt, ſo daß man dann mehr als zwei Lichtſtrahlen
bemerkt.
§. 15. (Erklärung dieſer Erſcheinungen des polariſirten Lichts.)
Was iſt nun die Urſache dieſer ſonderbaren Erſcheinungen? —
Auf den erſten Blick könnte man glauben, daß jeder Lichtſtrahl
aus zwei verſchiedenen Strahlen, aus zwei verſchiedenen Reihen
von Elementen beſteht, von welchen die erſte die Eigenſchaft hat,
auf die gewöhnliche, und die andere auf die außerordentliche
Weiſe, von diaphanen Körpern gewiſſer Art, gebrochen zu werden.
Aber die ſo eben angeführte Beobachtung ſteht mit dieſer An-
nahme im Widerſpruch, daß nämlich, wenn die Hauptſchnitte
auf einander ſenkrecht ſtehen, der gewöhnliche Strahl des erſten
Kryſtalls der ungewöhnliche im zweiten wird und umgekehrt.
Der ganze Unterſchied zwiſchen den in Fig. 2 und 3 vorge-
ſtellten Erſcheinungen rührt offenbar nur daher, daß man in
Fig. 2 die beiden Hauptſchnitte parallel, alſo z. B. beide von
Süd gen Nord geſtellt hat, während man in Fig. 3 den einen
nach Südnord und den andern nach Oſtweſt gerichtet hat. Die
von dem erſten Kryſtalle kommenden Strahlen würden alſo von
dem Hauptſchnitte des zweiten Kryſtalls in Fig. 2 in der Rich-
tung Südnord, und in Fig. 3 in der Richtung Oſtweſt geſchnit-
ten. Es muß alſo auch in jedem Lichtſtrahle etwas ſeyn, das
ſeine Südnordſeite von ſeiner Oſtweſtſeite verſchieden macht, und
dieſe zwei oder eigentlich dieſe vier Hauptſeiten müſſen noch das
Eigenthümliche haben, daß die Nordſüdſeite des gewöhnlichen
Strahls mit der Oſtweſtſeite des außerordentlichen Strahls als
identiſch angeſehen werden kann, ſo zwar, daß der letzte, wenn
er um 90 Grade um ſich ſelbſt gedreht wird, von dem erſten nicht
mehr unterſchieden werden kann. Wir werden daher künftig bei
jedem Lichtſtrahl, ſo fein er auch übrigens ſeyn mag, vier Seiten
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/28>, abgerufen am 24.11.2024.
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