Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.Der Mond. Kälte, besonders zu ihrer langen Nachtzeit, wie auf den Gipfelnunserer hohen Berge, sehr groß seyn, nicht minder groß, als die darauf folgende Hitze, wenn endlich nach vierzehn unserer Tage die Sonne über ihm aufgeht und eben so lange über ihrem Hori- zonte verweilt. Aber diese langen Tage und Nächte erzeugen auch vielleicht durch eine Art von Destillation im halbleeren Raume eine stete Wanderung aller Feuchtigkeit, die von der durch die Sonne erwärmten Hemisphäre nach der dunkeln Seite des Mon- des abfließt. Die Folge einer solchen Einrichtung würde eine ab- solute Trockenheit auf der Sonnenseite und ein immerwährendes Hinströmen der Feuchtigkeit auf die Nachtseite des Mondes seyn, so daß, was wir Regen und Thau nennen, dort regelmäßig alle vier Wochen die Runde um die ganze Kugel macht, und daß selbst die ebenfalls um den Mond wandernde Lichtgränze einem Flusse zu vergleichen ist, der gleich einem beweglichen Reifen die ganze Kugel umspannt und in jedem Monate abwechselnd je- den Theil der Oberfläche mit Wasser versorgt und zur Vegetation vorbereitet, wie es der Nil bei uns nur in jedem Jahre einmal thut. Bei einer solchen Einrichtung wäre es selbst sehr möglich, daß eine immerwährende Evaporation auf der einen und eine ste- tige Condensation auf der andern Seite des Mondes eine Art von Gleichgewicht in dem Zustande der Temperatur sowohl, als auch in dem der Feuchtigkeit und Trockenheit hervorbringt, der die Extreme derselben mäßiget und auf die Bewohner jenes Weltkör- pers sehr wohlthätig einwirkt. Wir haben bereits oben gesagt, daß den Seleniten unsere Der Mond. Kälte, beſonders zu ihrer langen Nachtzeit, wie auf den Gipfelnunſerer hohen Berge, ſehr groß ſeyn, nicht minder groß, als die darauf folgende Hitze, wenn endlich nach vierzehn unſerer Tage die Sonne über ihm aufgeht und eben ſo lange über ihrem Hori- zonte verweilt. Aber dieſe langen Tage und Nächte erzeugen auch vielleicht durch eine Art von Deſtillation im halbleeren Raume eine ſtete Wanderung aller Feuchtigkeit, die von der durch die Sonne erwärmten Hemiſphäre nach der dunkeln Seite des Mon- des abfließt. Die Folge einer ſolchen Einrichtung würde eine ab- ſolute Trockenheit auf der Sonnenſeite und ein immerwährendes Hinſtrömen der Feuchtigkeit auf die Nachtſeite des Mondes ſeyn, ſo daß, was wir Regen und Thau nennen, dort regelmäßig alle vier Wochen die Runde um die ganze Kugel macht, und daß ſelbſt die ebenfalls um den Mond wandernde Lichtgränze einem Fluſſe zu vergleichen iſt, der gleich einem beweglichen Reifen die ganze Kugel umſpannt und in jedem Monate abwechſelnd je- den Theil der Oberfläche mit Waſſer verſorgt und zur Vegetation vorbereitet, wie es der Nil bei uns nur in jedem Jahre einmal thut. Bei einer ſolchen Einrichtung wäre es ſelbſt ſehr möglich, daß eine immerwährende Evaporation auf der einen und eine ſte- tige Condenſation auf der andern Seite des Mondes eine Art von Gleichgewicht in dem Zuſtande der Temperatur ſowohl, als auch in dem der Feuchtigkeit und Trockenheit hervorbringt, der die Extreme derſelben mäßiget und auf die Bewohner jenes Weltkör- pers ſehr wohlthätig einwirkt. Wir haben bereits oben geſagt, daß den Seleniten unſere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0210" n="200"/><fw place="top" type="header">Der Mond.</fw><lb/> Kälte, beſonders zu ihrer langen Nachtzeit, wie auf den Gipfeln<lb/> unſerer hohen Berge, ſehr groß ſeyn, nicht minder groß, als die<lb/> darauf folgende Hitze, wenn endlich nach vierzehn unſerer Tage<lb/> die Sonne über ihm aufgeht und eben ſo lange über ihrem Hori-<lb/> zonte verweilt. 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Aber dafür werden eben dieſelben und aus<lb/> eben derſelben Urſache, wie bei uns, deſto mehr betroffen und er-<lb/> ſchrocken ſeyn, wenn nun der gewöhnliche Lauf dieſer Erſcheinungen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [200/0210]
Der Mond.
Kälte, beſonders zu ihrer langen Nachtzeit, wie auf den Gipfeln
unſerer hohen Berge, ſehr groß ſeyn, nicht minder groß, als die
darauf folgende Hitze, wenn endlich nach vierzehn unſerer Tage
die Sonne über ihm aufgeht und eben ſo lange über ihrem Hori-
zonte verweilt. Aber dieſe langen Tage und Nächte erzeugen auch
vielleicht durch eine Art von Deſtillation im halbleeren Raume
eine ſtete Wanderung aller Feuchtigkeit, die von der durch die
Sonne erwärmten Hemiſphäre nach der dunkeln Seite des Mon-
des abfließt. Die Folge einer ſolchen Einrichtung würde eine ab-
ſolute Trockenheit auf der Sonnenſeite und ein immerwährendes
Hinſtrömen der Feuchtigkeit auf die Nachtſeite des Mondes ſeyn,
ſo daß, was wir Regen und Thau nennen, dort regelmäßig alle
vier Wochen die Runde um die ganze Kugel macht, und daß
ſelbſt die ebenfalls um den Mond wandernde Lichtgränze einem
Fluſſe zu vergleichen iſt, der gleich einem beweglichen Reifen
die ganze Kugel umſpannt und in jedem Monate abwechſelnd je-
den Theil der Oberfläche mit Waſſer verſorgt und zur Vegetation
vorbereitet, wie es der Nil bei uns nur in jedem Jahre einmal
thut. Bei einer ſolchen Einrichtung wäre es ſelbſt ſehr möglich,
daß eine immerwährende Evaporation auf der einen und eine ſte-
tige Condenſation auf der andern Seite des Mondes eine Art von
Gleichgewicht in dem Zuſtande der Temperatur ſowohl, als auch
in dem der Feuchtigkeit und Trockenheit hervorbringt, der die
Extreme derſelben mäßiget und auf die Bewohner jenes Weltkör-
pers ſehr wohlthätig einwirkt.
Wir haben bereits oben geſagt, daß den Seleniten unſere
Erde in der Oberfläche dreizehnmal größer, als uns der Mond,
erſcheint und daß ſie ihnen dieſelben Abwechslungen der Licht-
geſtalten zeigt, die wir bei dem Monde bemerken. So auffal-
lend dieſe Erſcheinungen bei einem ſo großen Weltkörper an ſich
ſeyn mögen, ſo ſehr werden ſie auch ohne Zweifel ſchon daran ge-
wohnt ſeyn, und es wird auch dort nicht an Leuten fehlen, die
ſich um alles das, was über ihnen am Himmel vorgeht, nicht
weiter bekümmern. Aber dafür werden eben dieſelben und aus
eben derſelben Urſache, wie bei uns, deſto mehr betroffen und er-
ſchrocken ſeyn, wenn nun der gewöhnliche Lauf dieſer Erſcheinungen
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