§. 7. (Dem Lichte verdanken wir die Farben in der Natur.) Ohne Sonnenlicht würde die Erde, würden alle Planeten von ei- ner ewigen Nacht bedeckt, und das ganze Sonnensystem würde eine starre Wüste, ein weites, finsteres Grab seyn. Die Folgen eines solchen Zustandes, so wie die bloß allgemeinen Vor- theile, deren wir uns jetzt durch Hülfe dieses Lichtes erfreuen, sind aber so bekannt, und auch so leicht zu finden, daß es über- flüssig wäre, sie hier näher auseinander zu setzen.
Verweilen wir daher bloß einige Augenblicke bei einer der vielen besonderen Eigenschaften, durch welche sich das Son- nenlicht vor jedem andern Lichte auszeichnet. Es ist bekannt, daß jeder einzelne Sonnenstrahl, wenn er durch ein Glasprisma geht, in eine große Anzahl von farbigen Strahlen getheilt wird, unter welchen man vorzüglich die sieben auf einander folgenden unterscheidet: roth, orange, gelb, grün, blau, indigo und violett. Diese gefärbten Strahlen haben alle eine andere Richtung, als der ursprüngliche weiße Strahl, und zwar liegt der rothe Strahl dem ursprünglichen am nächsten, während der violette am weite- sten von ihm entfernt ist, so daß also das Prisma, wie man zu sagen pflegt, die rothen Strahlen am wenigsten, und die violetten am meisten bricht. Wird einer dieser gefärbten oder bereits gebro- chenen Strahlen neuerdings durch ein Prisma geführt, so ändert er weder seine Brechung, noch seine Farbe, zum Beweise, daß diese Farbe dem Lichte selbst eigenthümlich angehört. Werden endlich alle sieben farbige Strahlen durch eine convexe Glaslinse wieder gesammelt, so erscheint der weiße Strahl wieder, zum Zeichen, daß der weiße Strahl in der That aus jenen gefärbten Strahlen zusammengesetzt ist.
Wenn nun, um nur bei dieser einzelnen Erscheinung stehen zu bleiben, wenn das Sonnenlicht ursprünglich weiß, und nicht aus farbigen Strahlen zusammengesetzt wäre, welche Folgen wür- den aus einer solchen Einrichtung entstehen? -- Die ganze Natur würde farbenlos seyn; alle Körper würden ein bleifarbiges Anse- ben haben; die Morgenröthe, und selbst das menschliche Antlitz, die Morgenröthe des Lebens auf den blühenden Wangen der Ju-
Die Sonne.
Licht.
§. 7. (Dem Lichte verdanken wir die Farben in der Natur.) Ohne Sonnenlicht würde die Erde, würden alle Planeten von ei- ner ewigen Nacht bedeckt, und das ganze Sonnenſyſtem würde eine ſtarre Wüſte, ein weites, finſteres Grab ſeyn. Die Folgen eines ſolchen Zuſtandes, ſo wie die bloß allgemeinen Vor- theile, deren wir uns jetzt durch Hülfe dieſes Lichtes erfreuen, ſind aber ſo bekannt, und auch ſo leicht zu finden, daß es über- flüſſig wäre, ſie hier näher auseinander zu ſetzen.
Verweilen wir daher bloß einige Augenblicke bei einer der vielen beſonderen Eigenſchaften, durch welche ſich das Son- nenlicht vor jedem andern Lichte auszeichnet. Es iſt bekannt, daß jeder einzelne Sonnenſtrahl, wenn er durch ein Glasprisma geht, in eine große Anzahl von farbigen Strahlen getheilt wird, unter welchen man vorzüglich die ſieben auf einander folgenden unterſcheidet: roth, orange, gelb, grün, blau, indigo und violett. Dieſe gefärbten Strahlen haben alle eine andere Richtung, als der urſprüngliche weiße Strahl, und zwar liegt der rothe Strahl dem urſprünglichen am nächſten, während der violette am weite- ſten von ihm entfernt iſt, ſo daß alſo das Prisma, wie man zu ſagen pflegt, die rothen Strahlen am wenigſten, und die violetten am meiſten bricht. Wird einer dieſer gefärbten oder bereits gebro- chenen Strahlen neuerdings durch ein Prisma geführt, ſo ändert er weder ſeine Brechung, noch ſeine Farbe, zum Beweiſe, daß dieſe Farbe dem Lichte ſelbſt eigenthümlich angehört. Werden endlich alle ſieben farbige Strahlen durch eine convexe Glaslinſe wieder geſammelt, ſo erſcheint der weiße Strahl wieder, zum Zeichen, daß der weiße Strahl in der That aus jenen gefärbten Strahlen zuſammengeſetzt iſt.
Wenn nun, um nur bei dieſer einzelnen Erſcheinung ſtehen zu bleiben, wenn das Sonnenlicht urſprünglich weiß, und nicht aus farbigen Strahlen zuſammengeſetzt wäre, welche Folgen wür- den aus einer ſolchen Einrichtung entſtehen? — Die ganze Natur würde farbenlos ſeyn; alle Körper würden ein bleifarbiges Anſe- ben haben; die Morgenröthe, und ſelbſt das menſchliche Antlitz, die Morgenröthe des Lebens auf den blühenden Wangen der Ju-
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Die Sonne.
Licht.
§. 7. (Dem Lichte verdanken wir die Farben in der Natur.)
Ohne Sonnenlicht würde die Erde, würden alle Planeten von ei-
ner ewigen Nacht bedeckt, und das ganze Sonnenſyſtem würde
eine ſtarre Wüſte, ein weites, finſteres Grab ſeyn. Die Folgen
eines ſolchen Zuſtandes, ſo wie die bloß allgemeinen Vor-
theile, deren wir uns jetzt durch Hülfe dieſes Lichtes erfreuen,
ſind aber ſo bekannt, und auch ſo leicht zu finden, daß es über-
flüſſig wäre, ſie hier näher auseinander zu ſetzen.
Verweilen wir daher bloß einige Augenblicke bei einer der
vielen beſonderen Eigenſchaften, durch welche ſich das Son-
nenlicht vor jedem andern Lichte auszeichnet. Es iſt bekannt,
daß jeder einzelne Sonnenſtrahl, wenn er durch ein Glasprisma
geht, in eine große Anzahl von farbigen Strahlen getheilt wird,
unter welchen man vorzüglich die ſieben auf einander folgenden
unterſcheidet: roth, orange, gelb, grün, blau, indigo und violett.
Dieſe gefärbten Strahlen haben alle eine andere Richtung, als
der urſprüngliche weiße Strahl, und zwar liegt der rothe Strahl
dem urſprünglichen am nächſten, während der violette am weite-
ſten von ihm entfernt iſt, ſo daß alſo das Prisma, wie man zu
ſagen pflegt, die rothen Strahlen am wenigſten, und die violetten
am meiſten bricht. Wird einer dieſer gefärbten oder bereits gebro-
chenen Strahlen neuerdings durch ein Prisma geführt, ſo ändert
er weder ſeine Brechung, noch ſeine Farbe, zum Beweiſe, daß
dieſe Farbe dem Lichte ſelbſt eigenthümlich angehört. Werden
endlich alle ſieben farbige Strahlen durch eine convexe Glaslinſe
wieder geſammelt, ſo erſcheint der weiße Strahl wieder, zum
Zeichen, daß der weiße Strahl in der That aus jenen gefärbten
Strahlen zuſammengeſetzt iſt.
Wenn nun, um nur bei dieſer einzelnen Erſcheinung ſtehen
zu bleiben, wenn das Sonnenlicht urſprünglich weiß, und nicht
aus farbigen Strahlen zuſammengeſetzt wäre, welche Folgen wür-
den aus einer ſolchen Einrichtung entſtehen? — Die ganze Natur
würde farbenlos ſeyn; alle Körper würden ein bleifarbiges Anſe-
ben haben; die Morgenröthe, und ſelbſt das menſchliche Antlitz,
die Morgenröthe des Lebens auf den blühenden Wangen der Ju-
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/19>, abgerufen am 22.12.2024.
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