Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Saturn und sein Ring.
nur von derjenigen Hemisphäre des Planeten gesehen werden,
welche eben gegen sie gewendet ist. Allein eben diese Hemisphäre
ist auch zugleich die gegen die Sonne gewendete, die eben ihren
Sommer feiernde Hälfte Saturns; diese könnte aber, da sie ohnehin
im Sonnenlichte schwimmt, diese Beleuchtung des Ringes noch am
besten entrathen, während die andere, winterliche Hälfte, die jene
Beleuchtung ihrer langen Nächte am meisten brauchte, sie gänzlich
entbehren muß. Dazu kommt noch, daß diese vordere, der Sonne
zugewendete Hälfte Saturns den beleuchteten Ring nur während
ihres Tages sieht, wo ihr ohnehin die Sonne scheint, während bei
Nacht, wo eigentlich die beleuchtete Seite des Ringes den Mangel
des Sonnenlichtes ersetzen sollte, Saturn seinen eigenen Schatten
auf den Ring wirft und ihn, in einer Art von Mondesfinsterniß
(I. S. 333) wieder unsichtbar macht, während die ganze andere
Hälfte Saturns, die eben Winter und ihre lange Nacht hat,
gegen die unbeleuchtete Seite des Ringes gewendet ist und diesen
daher gar nicht sieht, vielmehr es sich noch gefallen lassen muß,
daß ihr durch ihn die Sterne und selbst die Sonne, wo sie ohne
Ring noch sichtbar seyn könnte, verdeckt, und so ganze Jahre
dauernde und über große Zonen sich erstreckende Sonnenfinsternisse
erzeugt werden.

Aber wenn nun die Bewohner Saturns sich an diesem Ringe,
nach unseren Ansichten, nicht sehr ergötzen können, so werden viel-
leicht die Einwohner des Ringes selbst, wenn es deren gibt, einen
desto angenehmeren Aufenthalt haben? -- Unsere Leser werden
dieß leicht selbst beurtheilen können, wenn sie sich aus dem Vor-
hergehenden erinnern, daß jede der beiden breiten Seiten dieses
Ringes abwechselnd durch fünfzehn unserer Jahre immerwährend
Tag und eben so lange Nacht haben.

So unwirthlich aber auch dieser Planet sowohl, als auch
sein Ring, für Geschöpfe unserer Art scheint, so unangemessen
mag es auch seyn, von dem, was uns schicklich oder unschicklich
ist, sofort denselben Schluß auch auf andere Himmelskörper und
auf andere Geschöpfe anzuwenden, deren Einrichtung und Organi-
sation durchaus von der unseren verschieden ist, so daß, was uns
nur Abscheu und Entsetzen, und vielleicht selbst einen schnellen

Saturn und ſein Ring.
nur von derjenigen Hemiſphäre des Planeten geſehen werden,
welche eben gegen ſie gewendet iſt. Allein eben dieſe Hemiſphäre
iſt auch zugleich die gegen die Sonne gewendete, die eben ihren
Sommer feiernde Hälfte Saturns; dieſe könnte aber, da ſie ohnehin
im Sonnenlichte ſchwimmt, dieſe Beleuchtung des Ringes noch am
beſten entrathen, während die andere, winterliche Hälfte, die jene
Beleuchtung ihrer langen Nächte am meiſten brauchte, ſie gänzlich
entbehren muß. Dazu kommt noch, daß dieſe vordere, der Sonne
zugewendete Hälfte Saturns den beleuchteten Ring nur während
ihres Tages ſieht, wo ihr ohnehin die Sonne ſcheint, während bei
Nacht, wo eigentlich die beleuchtete Seite des Ringes den Mangel
des Sonnenlichtes erſetzen ſollte, Saturn ſeinen eigenen Schatten
auf den Ring wirft und ihn, in einer Art von Mondesfinſterniß
(I. S. 333) wieder unſichtbar macht, während die ganze andere
Hälfte Saturns, die eben Winter und ihre lange Nacht hat,
gegen die unbeleuchtete Seite des Ringes gewendet iſt und dieſen
daher gar nicht ſieht, vielmehr es ſich noch gefallen laſſen muß,
daß ihr durch ihn die Sterne und ſelbſt die Sonne, wo ſie ohne
Ring noch ſichtbar ſeyn könnte, verdeckt, und ſo ganze Jahre
dauernde und über große Zonen ſich erſtreckende Sonnenfinſterniſſe
erzeugt werden.

Aber wenn nun die Bewohner Saturns ſich an dieſem Ringe,
nach unſeren Anſichten, nicht ſehr ergötzen können, ſo werden viel-
leicht die Einwohner des Ringes ſelbſt, wenn es deren gibt, einen
deſto angenehmeren Aufenthalt haben? — Unſere Leſer werden
dieß leicht ſelbſt beurtheilen können, wenn ſie ſich aus dem Vor-
hergehenden erinnern, daß jede der beiden breiten Seiten dieſes
Ringes abwechſelnd durch fünfzehn unſerer Jahre immerwährend
Tag und eben ſo lange Nacht haben.

So unwirthlich aber auch dieſer Planet ſowohl, als auch
ſein Ring, für Geſchöpfe unſerer Art ſcheint, ſo unangemeſſen
mag es auch ſeyn, von dem, was uns ſchicklich oder unſchicklich
iſt, ſofort denſelben Schluß auch auf andere Himmelskörper und
auf andere Geſchöpfe anzuwenden, deren Einrichtung und Organi-
ſation durchaus von der unſeren verſchieden iſt, ſo daß, was uns
nur Abſcheu und Entſetzen, und vielleicht ſelbſt einen ſchnellen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0164" n="154"/><fw place="top" type="header">Saturn und &#x017F;ein Ring.</fw><lb/>
nur von derjenigen Hemi&#x017F;phäre des Planeten ge&#x017F;ehen werden,<lb/>
welche eben gegen &#x017F;ie gewendet i&#x017F;t. Allein eben die&#x017F;e Hemi&#x017F;phäre<lb/>
i&#x017F;t auch zugleich die gegen die Sonne gewendete, die eben ihren<lb/>
Sommer feiernde Hälfte Saturns; die&#x017F;e könnte aber, da &#x017F;ie ohnehin<lb/>
im Sonnenlichte &#x017F;chwimmt, die&#x017F;e Beleuchtung des Ringes noch am<lb/>
be&#x017F;ten entrathen, während die andere, winterliche Hälfte, die jene<lb/>
Beleuchtung ihrer langen Nächte am mei&#x017F;ten brauchte, &#x017F;ie gänzlich<lb/>
entbehren muß. Dazu kommt noch, daß die&#x017F;e vordere, der Sonne<lb/>
zugewendete Hälfte Saturns den beleuchteten Ring nur während<lb/>
ihres Tages &#x017F;ieht, wo ihr ohnehin die Sonne &#x017F;cheint, während bei<lb/>
Nacht, wo eigentlich die beleuchtete Seite des Ringes den Mangel<lb/>
des Sonnenlichtes er&#x017F;etzen &#x017F;ollte, Saturn &#x017F;einen eigenen Schatten<lb/>
auf den Ring wirft und ihn, in einer Art von Mondesfin&#x017F;terniß<lb/>
(<hi rendition="#aq">I.</hi> S. 333) wieder un&#x017F;ichtbar macht, während die ganze andere<lb/>
Hälfte Saturns, die eben Winter und ihre lange Nacht hat,<lb/>
gegen die unbeleuchtete Seite des Ringes gewendet i&#x017F;t und die&#x017F;en<lb/>
daher gar nicht &#x017F;ieht, vielmehr es &#x017F;ich noch gefallen la&#x017F;&#x017F;en muß,<lb/>
daß ihr durch ihn die Sterne und &#x017F;elb&#x017F;t die Sonne, wo &#x017F;ie ohne<lb/>
Ring noch &#x017F;ichtbar &#x017F;eyn könnte, verdeckt, und &#x017F;o ganze Jahre<lb/>
dauernde und über große Zonen &#x017F;ich er&#x017F;treckende Sonnenfin&#x017F;terni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
erzeugt werden.</p><lb/>
              <p>Aber wenn nun die Bewohner Saturns &#x017F;ich an die&#x017F;em Ringe,<lb/>
nach un&#x017F;eren An&#x017F;ichten, nicht &#x017F;ehr ergötzen können, &#x017F;o werden viel-<lb/>
leicht die Einwohner des Ringes &#x017F;elb&#x017F;t, wenn es deren gibt, einen<lb/>
de&#x017F;to angenehmeren Aufenthalt haben? &#x2014; Un&#x017F;ere Le&#x017F;er werden<lb/>
dieß leicht &#x017F;elb&#x017F;t beurtheilen können, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich aus dem Vor-<lb/>
hergehenden erinnern, daß jede der beiden breiten Seiten die&#x017F;es<lb/>
Ringes abwech&#x017F;elnd durch fünfzehn un&#x017F;erer Jahre immerwährend<lb/>
Tag und eben &#x017F;o lange Nacht haben.</p><lb/>
              <p>So unwirthlich aber auch die&#x017F;er Planet &#x017F;owohl, als auch<lb/>
&#x017F;ein Ring, für Ge&#x017F;chöpfe un&#x017F;erer Art &#x017F;cheint, &#x017F;o unangeme&#x017F;&#x017F;en<lb/>
mag es auch &#x017F;eyn, von dem, was uns &#x017F;chicklich oder un&#x017F;chicklich<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;ofort den&#x017F;elben Schluß auch auf andere Himmelskörper und<lb/>
auf andere Ge&#x017F;chöpfe anzuwenden, deren Einrichtung und Organi-<lb/>
&#x017F;ation durchaus von der un&#x017F;eren ver&#x017F;chieden i&#x017F;t, &#x017F;o daß, was uns<lb/>
nur Ab&#x017F;cheu und Ent&#x017F;etzen, und vielleicht &#x017F;elb&#x017F;t einen &#x017F;chnellen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0164] Saturn und ſein Ring. nur von derjenigen Hemiſphäre des Planeten geſehen werden, welche eben gegen ſie gewendet iſt. Allein eben dieſe Hemiſphäre iſt auch zugleich die gegen die Sonne gewendete, die eben ihren Sommer feiernde Hälfte Saturns; dieſe könnte aber, da ſie ohnehin im Sonnenlichte ſchwimmt, dieſe Beleuchtung des Ringes noch am beſten entrathen, während die andere, winterliche Hälfte, die jene Beleuchtung ihrer langen Nächte am meiſten brauchte, ſie gänzlich entbehren muß. Dazu kommt noch, daß dieſe vordere, der Sonne zugewendete Hälfte Saturns den beleuchteten Ring nur während ihres Tages ſieht, wo ihr ohnehin die Sonne ſcheint, während bei Nacht, wo eigentlich die beleuchtete Seite des Ringes den Mangel des Sonnenlichtes erſetzen ſollte, Saturn ſeinen eigenen Schatten auf den Ring wirft und ihn, in einer Art von Mondesfinſterniß (I. S. 333) wieder unſichtbar macht, während die ganze andere Hälfte Saturns, die eben Winter und ihre lange Nacht hat, gegen die unbeleuchtete Seite des Ringes gewendet iſt und dieſen daher gar nicht ſieht, vielmehr es ſich noch gefallen laſſen muß, daß ihr durch ihn die Sterne und ſelbſt die Sonne, wo ſie ohne Ring noch ſichtbar ſeyn könnte, verdeckt, und ſo ganze Jahre dauernde und über große Zonen ſich erſtreckende Sonnenfinſterniſſe erzeugt werden. Aber wenn nun die Bewohner Saturns ſich an dieſem Ringe, nach unſeren Anſichten, nicht ſehr ergötzen können, ſo werden viel- leicht die Einwohner des Ringes ſelbſt, wenn es deren gibt, einen deſto angenehmeren Aufenthalt haben? — Unſere Leſer werden dieß leicht ſelbſt beurtheilen können, wenn ſie ſich aus dem Vor- hergehenden erinnern, daß jede der beiden breiten Seiten dieſes Ringes abwechſelnd durch fünfzehn unſerer Jahre immerwährend Tag und eben ſo lange Nacht haben. So unwirthlich aber auch dieſer Planet ſowohl, als auch ſein Ring, für Geſchöpfe unſerer Art ſcheint, ſo unangemeſſen mag es auch ſeyn, von dem, was uns ſchicklich oder unſchicklich iſt, ſofort denſelben Schluß auch auf andere Himmelskörper und auf andere Geſchöpfe anzuwenden, deren Einrichtung und Organi- ſation durchaus von der unſeren verſchieden iſt, ſo daß, was uns nur Abſcheu und Entſetzen, und vielleicht ſelbſt einen ſchnellen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/164
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/164>, abgerufen am 22.11.2024.