Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Venus.
dieselbe Zeit den Planeten auch wirklich beobachtet, so müssen
beide Resultate, das der Tafel, oder, was dasselbe ist, das der
Rechnung und das der unmittelbaren Beobachtung übereinstim-
men, wenn anders beyde: Beobachtung und Berechnung, ganz
gut und fehlerfrei sind.

Wenn nun die Beobachtungen mit aller möglichen Sorgfalt,
mit den besten Instrumenten und unter den günstigsten Umstän-
den angestellt worden sind, wenn vielleicht mehrere Astronomen
an derselben oder auch an verschiedenen Sternwarten diese Be-
obachtungen gemacht und davon das sogenannte Mittel genom-
men haben, so wird man, da alle Wahrscheinlichkeit dafür spricht,
diese Beobachtung, die man zur Vergleichung gewählt hat, als
gut ansehen können. Wenn sie nun aber mit der Rechnung, d. h.
mit dem aus den Tafeln durch Rechnung abgeleiteten Orte dem-
ungeachtet nicht stimmen sollte? -- Dann bleibt nichts übrig, als
diese Rechnung oder diese Tafeln für fehlerhaft zu erklären.

Es ist aber eines der wichtigsten, ja das Hauptgeschäft
des Astronomen, diese Tafeln der Planeten immer mehr und
mehr zu vervollkommnen und es endlich, wenn möglich, dahin zu
bringen, daß ein solcher aus den Tafeln berechneter Ort verläß-
licher ist, als jede einzelne Beobachtung, oder daß wir auf diese
Weise den Himmel, d. h. hier die Planeten und ihre Bewegungen,
am Ende so genau kennen lernen, um alle fernern Beobachtungen
gleichsam entbehrlich zu machen.

Wenn also eine als gut anerkannte Beobachtung mit diesen
Tafeln nicht stimmt, so sind diese Tafeln noch fehlerhaft, und
sie müssen daher verbessert werden. Allein wo soll man diese Ver-
besserung anbringen?

Diese Frage ist von der größten Wichtigkeit. -- Um eine
solche Tafel zu construiren, muß man eine nicht kleine Anzahl
von Dingen zu Hülfe rufen oder zu Grunde legen. Man muß
z. B. die große Axe der Bahn, oder die Umlaufszeit des Planeten
um die Sonne, man muß die Lage dieser großen Axe, die Ex-
centricität dieser Bahn, ihre Neigung gegen die Ecliptik ... kurz
man muß vor Allem die Elemente (Vergl. I. §. 142) der
Planetenbahn kennen. Sind diese einmal genau bekannt, so hat

Venus.
dieſelbe Zeit den Planeten auch wirklich beobachtet, ſo müſſen
beide Reſultate, das der Tafel, oder, was daſſelbe iſt, das der
Rechnung und das der unmittelbaren Beobachtung übereinſtim-
men, wenn anders beyde: Beobachtung und Berechnung, ganz
gut und fehlerfrei ſind.

Wenn nun die Beobachtungen mit aller möglichen Sorgfalt,
mit den beſten Inſtrumenten und unter den günſtigſten Umſtän-
den angeſtellt worden ſind, wenn vielleicht mehrere Aſtronomen
an derſelben oder auch an verſchiedenen Sternwarten dieſe Be-
obachtungen gemacht und davon das ſogenannte Mittel genom-
men haben, ſo wird man, da alle Wahrſcheinlichkeit dafür ſpricht,
dieſe Beobachtung, die man zur Vergleichung gewählt hat, als
gut anſehen können. Wenn ſie nun aber mit der Rechnung, d. h.
mit dem aus den Tafeln durch Rechnung abgeleiteten Orte dem-
ungeachtet nicht ſtimmen ſollte? — Dann bleibt nichts übrig, als
dieſe Rechnung oder dieſe Tafeln für fehlerhaft zu erklären.

Es iſt aber eines der wichtigſten, ja das Hauptgeſchäft
des Aſtronomen, dieſe Tafeln der Planeten immer mehr und
mehr zu vervollkommnen und es endlich, wenn möglich, dahin zu
bringen, daß ein ſolcher aus den Tafeln berechneter Ort verläß-
licher iſt, als jede einzelne Beobachtung, oder daß wir auf dieſe
Weiſe den Himmel, d. h. hier die Planeten und ihre Bewegungen,
am Ende ſo genau kennen lernen, um alle fernern Beobachtungen
gleichſam entbehrlich zu machen.

Wenn alſo eine als gut anerkannte Beobachtung mit dieſen
Tafeln nicht ſtimmt, ſo ſind dieſe Tafeln noch fehlerhaft, und
ſie müſſen daher verbeſſert werden. Allein wo ſoll man dieſe Ver-
beſſerung anbringen?

Dieſe Frage iſt von der größten Wichtigkeit. — Um eine
ſolche Tafel zu conſtruiren, muß man eine nicht kleine Anzahl
von Dingen zu Hülfe rufen oder zu Grunde legen. Man muß
z. B. die große Axe der Bahn, oder die Umlaufszeit des Planeten
um die Sonne, man muß die Lage dieſer großen Axe, die Ex-
centricität dieſer Bahn, ihre Neigung gegen die Ecliptik … kurz
man muß vor Allem die Elemente (Vergl. I. §. 142) der
Planetenbahn kennen. Sind dieſe einmal genau bekannt, ſo hat

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0112" n="102"/><fw place="top" type="header">Venus.</fw><lb/>
die&#x017F;elbe Zeit den Planeten auch wirklich beobachtet, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
beide Re&#x017F;ultate, das der Tafel, oder, was da&#x017F;&#x017F;elbe i&#x017F;t, das der<lb/>
Rechnung und das der unmittelbaren Beobachtung überein&#x017F;tim-<lb/>
men, wenn anders beyde: Beobachtung und Berechnung, ganz<lb/>
gut und fehlerfrei &#x017F;ind.</p><lb/>
            <p>Wenn nun die Beobachtungen mit aller möglichen Sorgfalt,<lb/>
mit den be&#x017F;ten In&#x017F;trumenten und unter den gün&#x017F;tig&#x017F;ten Um&#x017F;tän-<lb/>
den ange&#x017F;tellt worden &#x017F;ind, wenn vielleicht mehrere A&#x017F;tronomen<lb/>
an der&#x017F;elben oder auch an ver&#x017F;chiedenen Sternwarten die&#x017F;e Be-<lb/>
obachtungen gemacht und davon das &#x017F;ogenannte Mittel genom-<lb/>
men haben, &#x017F;o wird man, da alle Wahr&#x017F;cheinlichkeit dafür &#x017F;pricht,<lb/>
die&#x017F;e Beobachtung, die man zur Vergleichung gewählt hat, als<lb/><hi rendition="#g">gut</hi> an&#x017F;ehen können. Wenn &#x017F;ie nun aber mit der Rechnung, d. h.<lb/>
mit dem aus den Tafeln durch Rechnung abgeleiteten Orte dem-<lb/>
ungeachtet nicht &#x017F;timmen &#x017F;ollte? &#x2014; Dann bleibt nichts übrig, als<lb/>
die&#x017F;e Rechnung oder die&#x017F;e Tafeln für fehlerhaft zu erklären.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t aber eines der wichtig&#x017F;ten, ja das Hauptge&#x017F;chäft<lb/>
des A&#x017F;tronomen, die&#x017F;e Tafeln der Planeten immer mehr und<lb/>
mehr zu vervollkommnen und es endlich, wenn möglich, dahin zu<lb/>
bringen, daß ein &#x017F;olcher aus den Tafeln berechneter Ort verläß-<lb/>
licher i&#x017F;t, als jede einzelne Beobachtung, oder daß wir auf die&#x017F;e<lb/>
Wei&#x017F;e den Himmel, d. h. hier die Planeten und ihre Bewegungen,<lb/>
am Ende &#x017F;o genau kennen lernen, um alle fernern Beobachtungen<lb/>
gleich&#x017F;am entbehrlich zu machen.</p><lb/>
            <p>Wenn al&#x017F;o eine als gut anerkannte Beobachtung mit die&#x017F;en<lb/>
Tafeln nicht &#x017F;timmt, &#x017F;o &#x017F;ind die&#x017F;e Tafeln noch fehlerhaft, und<lb/>
&#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;en daher verbe&#x017F;&#x017F;ert werden. Allein wo &#x017F;oll man die&#x017F;e Ver-<lb/>
be&#x017F;&#x017F;erung anbringen?</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Frage i&#x017F;t von der größten Wichtigkeit. &#x2014; Um eine<lb/>
&#x017F;olche Tafel zu con&#x017F;truiren, muß man eine nicht kleine Anzahl<lb/>
von Dingen zu Hülfe rufen oder zu Grunde legen. Man muß<lb/>
z. B. die große Axe der Bahn, oder die Umlaufszeit des Planeten<lb/>
um die Sonne, man muß die Lage die&#x017F;er großen Axe, die Ex-<lb/>
centricität die&#x017F;er Bahn, ihre Neigung gegen die Ecliptik &#x2026; kurz<lb/>
man muß vor Allem die <hi rendition="#g">Elemente</hi> (Vergl. <hi rendition="#aq">I.</hi> §. 142) der<lb/>
Planetenbahn kennen. Sind die&#x017F;e einmal genau bekannt, &#x017F;o hat<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0112] Venus. dieſelbe Zeit den Planeten auch wirklich beobachtet, ſo müſſen beide Reſultate, das der Tafel, oder, was daſſelbe iſt, das der Rechnung und das der unmittelbaren Beobachtung übereinſtim- men, wenn anders beyde: Beobachtung und Berechnung, ganz gut und fehlerfrei ſind. Wenn nun die Beobachtungen mit aller möglichen Sorgfalt, mit den beſten Inſtrumenten und unter den günſtigſten Umſtän- den angeſtellt worden ſind, wenn vielleicht mehrere Aſtronomen an derſelben oder auch an verſchiedenen Sternwarten dieſe Be- obachtungen gemacht und davon das ſogenannte Mittel genom- men haben, ſo wird man, da alle Wahrſcheinlichkeit dafür ſpricht, dieſe Beobachtung, die man zur Vergleichung gewählt hat, als gut anſehen können. Wenn ſie nun aber mit der Rechnung, d. h. mit dem aus den Tafeln durch Rechnung abgeleiteten Orte dem- ungeachtet nicht ſtimmen ſollte? — Dann bleibt nichts übrig, als dieſe Rechnung oder dieſe Tafeln für fehlerhaft zu erklären. Es iſt aber eines der wichtigſten, ja das Hauptgeſchäft des Aſtronomen, dieſe Tafeln der Planeten immer mehr und mehr zu vervollkommnen und es endlich, wenn möglich, dahin zu bringen, daß ein ſolcher aus den Tafeln berechneter Ort verläß- licher iſt, als jede einzelne Beobachtung, oder daß wir auf dieſe Weiſe den Himmel, d. h. hier die Planeten und ihre Bewegungen, am Ende ſo genau kennen lernen, um alle fernern Beobachtungen gleichſam entbehrlich zu machen. Wenn alſo eine als gut anerkannte Beobachtung mit dieſen Tafeln nicht ſtimmt, ſo ſind dieſe Tafeln noch fehlerhaft, und ſie müſſen daher verbeſſert werden. Allein wo ſoll man dieſe Ver- beſſerung anbringen? Dieſe Frage iſt von der größten Wichtigkeit. — Um eine ſolche Tafel zu conſtruiren, muß man eine nicht kleine Anzahl von Dingen zu Hülfe rufen oder zu Grunde legen. Man muß z. B. die große Axe der Bahn, oder die Umlaufszeit des Planeten um die Sonne, man muß die Lage dieſer großen Axe, die Ex- centricität dieſer Bahn, ihre Neigung gegen die Ecliptik … kurz man muß vor Allem die Elemente (Vergl. I. §. 142) der Planetenbahn kennen. Sind dieſe einmal genau bekannt, ſo hat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/112
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/112>, abgerufen am 27.11.2024.