des Orts darf nur obenhin bekannt seyn, da sie auf die Erschei- nung keinen so wesentlichen Einfluß hat und die geographische Länge kann man beinahe ganz entbehren, da man nichts als die Dauer der Beobachtung, d. h. als die Zeit zu kennen braucht, die zwischen dem Ein- und Austritt der Venus verfließt, ohne die absoluten Momente dieser Erscheinungen selbst zu kennen."
"Der erste der nächstkünftigen Durchgänge der Venus wird am 26sten May 1761 statt haben. An diesem Tage, wenn es in London zwei Uhr des Morgens ist, wird Venus in die Sonne treten und um zehn Uhr des Vormittags wird sie wieder austreten. Die Dauer des ganzen Durchgangs wird also acht Stunden seyn, und wir in London werden den Eintritt nicht sehen, weil wir zu dieser Zeit noch Nacht haben. Aber wenn die Sonne gegen sechs Uhr aufgehen wird, werden wir die Venus beinahe in der Mitte der Sonnenscheibe erblicken. Aber die Bewohner von Norwegen und wohl auch die vom nördlichen Schottland, für welche die Sonne, wenn es in London zwei Uhr ist, schon aufgegangen seyn wird, diese werden den Eintritt und sonach die ganze Dauer der Er- scheinung sehen. In Ostindien aber, am Ausflusse des Ganges, wird die Sonne beinahe im Zenithe dieses Landes stehen, zu der Zeit, wo die Bewohner derselben die Venus eben in der Mitte der Scheibe sehen, und es läßt sich leicht durch Rechnung zeigen, daß hier die Dauer des ganzen Durchgangs, durch die Wirkung der Parallaxe, nahe um 11 Zeitminuten verkürzt wird. Allein die Antipoden dieses Ortes, d. h. die Gegenden um die Hudsons- bay sehen die Venus in der Mitte der Scheibe zur Zeit ihrer Mitternacht, und hier wird, durch die Wirkung derselben Parall- axe die Dauer des Durchgangs um mehr als 6 Zeitminuten ver- längert. Wenn also die Erscheinung an diesen beiden Orten beobachtet werden sollte, so würde die beobachtete Dauer des ei- nen um volle 17 Min. von der des andern Ortes verschieden seyn, wenn, wie ich bei diesen kleinen Rechnungen voraussetzte, die Parallaxe der Sonne gleich 12 1/2 Secunden ist. Sollte nun diese Differenz der Dauer an den beiden Orten, durch die wirklichen Beobachtungen größer oder kleiner gefunden werden, so würde daraus auch eine nahe in demselben Maaße größere oder kleinere
Venus.
des Orts darf nur obenhin bekannt ſeyn, da ſie auf die Erſchei- nung keinen ſo weſentlichen Einfluß hat und die geographiſche Länge kann man beinahe ganz entbehren, da man nichts als die Dauer der Beobachtung, d. h. als die Zeit zu kennen braucht, die zwiſchen dem Ein- und Austritt der Venus verfließt, ohne die abſoluten Momente dieſer Erſcheinungen ſelbſt zu kennen.“
„Der erſte der nächſtkünftigen Durchgänge der Venus wird am 26ſten May 1761 ſtatt haben. An dieſem Tage, wenn es in London zwei Uhr des Morgens iſt, wird Venus in die Sonne treten und um zehn Uhr des Vormittags wird ſie wieder austreten. Die Dauer des ganzen Durchgangs wird alſo acht Stunden ſeyn, und wir in London werden den Eintritt nicht ſehen, weil wir zu dieſer Zeit noch Nacht haben. Aber wenn die Sonne gegen ſechs Uhr aufgehen wird, werden wir die Venus beinahe in der Mitte der Sonnenſcheibe erblicken. Aber die Bewohner von Norwegen und wohl auch die vom nördlichen Schottland, für welche die Sonne, wenn es in London zwei Uhr iſt, ſchon aufgegangen ſeyn wird, dieſe werden den Eintritt und ſonach die ganze Dauer der Er- ſcheinung ſehen. In Oſtindien aber, am Ausfluſſe des Ganges, wird die Sonne beinahe im Zenithe dieſes Landes ſtehen, zu der Zeit, wo die Bewohner derſelben die Venus eben in der Mitte der Scheibe ſehen, und es läßt ſich leicht durch Rechnung zeigen, daß hier die Dauer des ganzen Durchgangs, durch die Wirkung der Parallaxe, nahe um 11 Zeitminuten verkürzt wird. Allein die Antipoden dieſes Ortes, d. h. die Gegenden um die Hudſons- bay ſehen die Venus in der Mitte der Scheibe zur Zeit ihrer Mitternacht, und hier wird, durch die Wirkung derſelben Parall- axe die Dauer des Durchgangs um mehr als 6 Zeitminuten ver- längert. Wenn alſo die Erſcheinung an dieſen beiden Orten beobachtet werden ſollte, ſo würde die beobachtete Dauer des ei- nen um volle 17 Min. von der des andern Ortes verſchieden ſeyn, wenn, wie ich bei dieſen kleinen Rechnungen vorausſetzte, die Parallaxe der Sonne gleich 12 ½ Secunden iſt. Sollte nun dieſe Differenz der Dauer an den beiden Orten, durch die wirklichen Beobachtungen größer oder kleiner gefunden werden, ſo würde daraus auch eine nahe in demſelben Maaße größere oder kleinere
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Venus.
des Orts darf nur obenhin bekannt ſeyn, da ſie auf die Erſchei-
nung keinen ſo weſentlichen Einfluß hat und die geographiſche
Länge kann man beinahe ganz entbehren, da man nichts als die
Dauer der Beobachtung, d. h. als die Zeit zu kennen braucht,
die zwiſchen dem Ein- und Austritt der Venus verfließt, ohne
die abſoluten Momente dieſer Erſcheinungen ſelbſt zu kennen.“
„Der erſte der nächſtkünftigen Durchgänge der Venus wird
am 26ſten May 1761 ſtatt haben. An dieſem Tage, wenn es in
London zwei Uhr des Morgens iſt, wird Venus in die Sonne
treten und um zehn Uhr des Vormittags wird ſie wieder austreten.
Die Dauer des ganzen Durchgangs wird alſo acht Stunden ſeyn,
und wir in London werden den Eintritt nicht ſehen, weil wir zu
dieſer Zeit noch Nacht haben. Aber wenn die Sonne gegen ſechs Uhr
aufgehen wird, werden wir die Venus beinahe in der Mitte der
Sonnenſcheibe erblicken. Aber die Bewohner von Norwegen und
wohl auch die vom nördlichen Schottland, für welche die Sonne,
wenn es in London zwei Uhr iſt, ſchon aufgegangen ſeyn wird,
dieſe werden den Eintritt und ſonach die ganze Dauer der Er-
ſcheinung ſehen. In Oſtindien aber, am Ausfluſſe des Ganges,
wird die Sonne beinahe im Zenithe dieſes Landes ſtehen, zu der
Zeit, wo die Bewohner derſelben die Venus eben in der Mitte
der Scheibe ſehen, und es läßt ſich leicht durch Rechnung zeigen,
daß hier die Dauer des ganzen Durchgangs, durch die Wirkung
der Parallaxe, nahe um 11 Zeitminuten verkürzt wird. Allein
die Antipoden dieſes Ortes, d. h. die Gegenden um die Hudſons-
bay ſehen die Venus in der Mitte der Scheibe zur Zeit ihrer
Mitternacht, und hier wird, durch die Wirkung derſelben Parall-
axe die Dauer des Durchgangs um mehr als 6 Zeitminuten ver-
längert. Wenn alſo die Erſcheinung an dieſen beiden Orten
beobachtet werden ſollte, ſo würde die beobachtete Dauer des ei-
nen um volle 17 Min. von der des andern Ortes verſchieden ſeyn,
wenn, wie ich bei dieſen kleinen Rechnungen vorausſetzte, die
Parallaxe der Sonne gleich 12 ½ Secunden iſt. Sollte nun dieſe
Differenz der Dauer an den beiden Orten, durch die wirklichen
Beobachtungen größer oder kleiner gefunden werden, ſo würde
daraus auch eine nahe in demſelben Maaße größere oder kleinere
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/101>, abgerufen am 17.02.2025.
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