Je kleiner daher mit der Annäherung zu den beiden Polen die Parallelkreise der Erde werden, desto kleiner wird auch die Schwungkraft, und an den beiden Polen selbst verschwindet sie gänzlich, weil dort auch die Halbmesser der Parallelkreise ver- schwinden. An den beiden Polen ist daher die beobachtete Schwere gleich 30,2068 Fuß, oder so groß, als sie bei einer rotirenden Erde auf allen Punkten ihrer Oberfläche seyn würde.
Während aber die Schwungkraft von dem Aequator zu den Polen wie die Halbmesser der Parallelkreise abnimmt, nimmt die Schwere der Erde nicht in demselben Verhältnisse zu. Dieß würde nur dann der Fall seyn, wenn diese beiden Kräfte in ihren Rich- tungen einander immer entgegengesetzt wären. Allein dieß sind sie nur am Aequator, wo die eine Kraft, die Schwere, die Körper senkrecht abwärts, und die andere, die Schwungkraft, dieselben senkrecht aufwärts treibt.
In allen übrigen Punkten der Erdoberfläche bilden diese bei- den Richtungen immer kleinere Winkel, je näher man gegen die Pole zu geht, weil die Richtung der Schwere, ihrer Natur nach, gegen den Mittelpunkt, also überall senkrecht auf die Oberfläche der Erde, wirkt, während die der Schwungkraft in der Ebene des Parallelkreises liegt, der nicht durch den Mittelpunkt der Erde geht. Die Folge davon ist, daß die Schwere der Erde nicht bloß im Verhältnisse der Halbmesser der Parallelkreise, sondern daß sie langsamer vermindert wird, d. h. daß sie gegen die Pole zu schneller wächst, weil sie nämlich nicht durch die ganze Schwung- kraft, wie am Aequator, sondern, wegen der schiefen Lage derselben, nur um einen Theil dieser Schwungkraft vermindert wird, und da diese Theile sich ebenfalls wie die Halbmesser der Parallelkreise verhalten, so nimmt auf der um ihre Axe rotirenden Erde die immer gegen ihren Mittelpunkt gerichtete Schwere zu, wie das Quadrat der Halbmesser der Parallelkreise.
Die folgende kleine Tafel gibt, für verschiedene Entfernungen vom Aequator oder für verschiedene Breiten, die Größe der da- selbst Statt findenden Schwere, wie sie unmittelbar aus der vor- hergehenden Betrachtung abgeleitet wurden:
Tägliche Bewegung der Erde.
Je kleiner daher mit der Annäherung zu den beiden Polen die Parallelkreiſe der Erde werden, deſto kleiner wird auch die Schwungkraft, und an den beiden Polen ſelbſt verſchwindet ſie gänzlich, weil dort auch die Halbmeſſer der Parallelkreiſe ver- ſchwinden. An den beiden Polen iſt daher die beobachtete Schwere gleich 30,2068 Fuß, oder ſo groß, als ſie bei einer rotirenden Erde auf allen Punkten ihrer Oberfläche ſeyn würde.
Während aber die Schwungkraft von dem Aequator zu den Polen wie die Halbmeſſer der Parallelkreiſe abnimmt, nimmt die Schwere der Erde nicht in demſelben Verhältniſſe zu. Dieß würde nur dann der Fall ſeyn, wenn dieſe beiden Kräfte in ihren Rich- tungen einander immer entgegengeſetzt wären. Allein dieß ſind ſie nur am Aequator, wo die eine Kraft, die Schwere, die Körper ſenkrecht abwärts, und die andere, die Schwungkraft, dieſelben ſenkrecht aufwärts treibt.
In allen übrigen Punkten der Erdoberfläche bilden dieſe bei- den Richtungen immer kleinere Winkel, je näher man gegen die Pole zu geht, weil die Richtung der Schwere, ihrer Natur nach, gegen den Mittelpunkt, alſo überall ſenkrecht auf die Oberfläche der Erde, wirkt, während die der Schwungkraft in der Ebene des Parallelkreiſes liegt, der nicht durch den Mittelpunkt der Erde geht. Die Folge davon iſt, daß die Schwere der Erde nicht bloß im Verhältniſſe der Halbmeſſer der Parallelkreiſe, ſondern daß ſie langſamer vermindert wird, d. h. daß ſie gegen die Pole zu ſchneller wächst, weil ſie nämlich nicht durch die ganze Schwung- kraft, wie am Aequator, ſondern, wegen der ſchiefen Lage derſelben, nur um einen Theil dieſer Schwungkraft vermindert wird, und da dieſe Theile ſich ebenfalls wie die Halbmeſſer der Parallelkreiſe verhalten, ſo nimmt auf der um ihre Axe rotirenden Erde die immer gegen ihren Mittelpunkt gerichtete Schwere zu, wie das Quadrat der Halbmeſſer der Parallelkreiſe.
Die folgende kleine Tafel gibt, für verſchiedene Entfernungen vom Aequator oder für verſchiedene Breiten, die Größe der da- ſelbſt Statt findenden Schwere, wie ſie unmittelbar aus der vor- hergehenden Betrachtung abgeleitet wurden:
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0087"n="75"/><fwplace="top"type="header">Tägliche Bewegung der Erde.</fw><lb/><p>Je kleiner daher mit der Annäherung zu den beiden Polen<lb/>
die Parallelkreiſe der Erde werden, deſto kleiner wird auch die<lb/>
Schwungkraft, und an den beiden Polen ſelbſt verſchwindet ſie<lb/>
gänzlich, weil dort auch die Halbmeſſer der Parallelkreiſe ver-<lb/>ſchwinden. An den beiden Polen iſt daher die beobachtete Schwere<lb/>
gleich 30,<hirendition="#sub">2068</hi> Fuß, oder ſo groß, als ſie bei einer rotirenden<lb/>
Erde auf allen Punkten ihrer Oberfläche ſeyn würde.</p><lb/><p>Während aber die Schwungkraft von dem Aequator zu den<lb/>
Polen wie die Halbmeſſer der Parallelkreiſe abnimmt, nimmt die<lb/>
Schwere der Erde nicht in demſelben Verhältniſſe zu. Dieß würde<lb/>
nur dann der Fall ſeyn, wenn dieſe beiden Kräfte in ihren Rich-<lb/>
tungen einander immer entgegengeſetzt wären. Allein dieß ſind<lb/>ſie nur am Aequator, wo die eine Kraft, die Schwere, die Körper<lb/>ſenkrecht abwärts, und die andere, die Schwungkraft, dieſelben<lb/>ſenkrecht aufwärts treibt.</p><lb/><p>In allen übrigen Punkten der Erdoberfläche bilden dieſe bei-<lb/>
den Richtungen immer kleinere Winkel, je näher man gegen die<lb/>
Pole zu geht, weil die Richtung der Schwere, ihrer Natur nach,<lb/>
gegen den Mittelpunkt, alſo überall ſenkrecht auf die Oberfläche<lb/>
der Erde, wirkt, während die der Schwungkraft in der Ebene des<lb/>
Parallelkreiſes liegt, der nicht durch den Mittelpunkt der Erde<lb/>
geht. Die Folge davon iſt, daß die Schwere der Erde nicht bloß<lb/>
im Verhältniſſe der Halbmeſſer der Parallelkreiſe, ſondern daß ſie<lb/>
langſamer vermindert wird, d. h. daß ſie gegen die Pole zu<lb/>ſchneller wächst, weil ſie nämlich nicht durch die ganze Schwung-<lb/>
kraft, wie am Aequator, ſondern, wegen der ſchiefen Lage derſelben,<lb/>
nur um einen Theil dieſer Schwungkraft vermindert wird, und<lb/>
da dieſe Theile ſich ebenfalls wie die Halbmeſſer der Parallelkreiſe<lb/>
verhalten, ſo nimmt auf der um ihre Axe rotirenden Erde die<lb/>
immer gegen ihren Mittelpunkt gerichtete Schwere zu, wie das<lb/>
Quadrat der Halbmeſſer der Parallelkreiſe.</p><lb/><p>Die folgende kleine Tafel gibt, für verſchiedene Entfernungen<lb/>
vom Aequator oder für verſchiedene <hirendition="#g">Breiten</hi>, die Größe der da-<lb/>ſelbſt Statt findenden Schwere, wie ſie unmittelbar aus der vor-<lb/>
hergehenden Betrachtung abgeleitet wurden:</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[75/0087]
Tägliche Bewegung der Erde.
Je kleiner daher mit der Annäherung zu den beiden Polen
die Parallelkreiſe der Erde werden, deſto kleiner wird auch die
Schwungkraft, und an den beiden Polen ſelbſt verſchwindet ſie
gänzlich, weil dort auch die Halbmeſſer der Parallelkreiſe ver-
ſchwinden. An den beiden Polen iſt daher die beobachtete Schwere
gleich 30,2068 Fuß, oder ſo groß, als ſie bei einer rotirenden
Erde auf allen Punkten ihrer Oberfläche ſeyn würde.
Während aber die Schwungkraft von dem Aequator zu den
Polen wie die Halbmeſſer der Parallelkreiſe abnimmt, nimmt die
Schwere der Erde nicht in demſelben Verhältniſſe zu. Dieß würde
nur dann der Fall ſeyn, wenn dieſe beiden Kräfte in ihren Rich-
tungen einander immer entgegengeſetzt wären. Allein dieß ſind
ſie nur am Aequator, wo die eine Kraft, die Schwere, die Körper
ſenkrecht abwärts, und die andere, die Schwungkraft, dieſelben
ſenkrecht aufwärts treibt.
In allen übrigen Punkten der Erdoberfläche bilden dieſe bei-
den Richtungen immer kleinere Winkel, je näher man gegen die
Pole zu geht, weil die Richtung der Schwere, ihrer Natur nach,
gegen den Mittelpunkt, alſo überall ſenkrecht auf die Oberfläche
der Erde, wirkt, während die der Schwungkraft in der Ebene des
Parallelkreiſes liegt, der nicht durch den Mittelpunkt der Erde
geht. Die Folge davon iſt, daß die Schwere der Erde nicht bloß
im Verhältniſſe der Halbmeſſer der Parallelkreiſe, ſondern daß ſie
langſamer vermindert wird, d. h. daß ſie gegen die Pole zu
ſchneller wächst, weil ſie nämlich nicht durch die ganze Schwung-
kraft, wie am Aequator, ſondern, wegen der ſchiefen Lage derſelben,
nur um einen Theil dieſer Schwungkraft vermindert wird, und
da dieſe Theile ſich ebenfalls wie die Halbmeſſer der Parallelkreiſe
verhalten, ſo nimmt auf der um ihre Axe rotirenden Erde die
immer gegen ihren Mittelpunkt gerichtete Schwere zu, wie das
Quadrat der Halbmeſſer der Parallelkreiſe.
Die folgende kleine Tafel gibt, für verſchiedene Entfernungen
vom Aequator oder für verſchiedene Breiten, die Größe der da-
ſelbſt Statt findenden Schwere, wie ſie unmittelbar aus der vor-
hergehenden Betrachtung abgeleitet wurden:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/87>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.