noch weiter östlich an der Mündung niederfielen, und einige der- selben gar nicht mehr gefunden werden konnten.
Erst Newton hatte von dieser Sache, wie von so vielen an- deren, zuerst die richtigen Begriffe aufgestellt, und selbst dieser große Mann erkannte sie, wenigstens anfangs, nicht ganz in ih- rem wahren Lichte. Es war am 28. November 1679, daß er an Hooke, Secretär d. k. Societät der Wissenschaften in London, schrieb, daß er ein Mittel gefunden habe, die Umdrehung der Erde durch unmittelbare Beobachtungen, deren man bisher entbehrt hatte, zu beweisen, und er schlug zu diesem Zwecke die Beobach- tungen des Falles kleiner und sehr dichter Körper aus sehr be- trächtlichen Höhen, z. B. von der Spitze eines Thurmes, vor. Hat die Erde, setzte er hinzu, keine Bewegung in sich selbst, so werden jene Körper in einer senkrechten Linie zur Erde fallen. Hat sie aber, wie man bisher aus anderen Gründen mit Recht voraus- setzte, eine Bewegung gegen Osten, so muß der fallende Körper am Ende seines Falles eine Abweichung von der senkrechten Linie, und zwar gegen Osten (nicht, wie man früher glaubte, gegen Westen) zeigen. Wenn nämlich die Erde sich um ihre Axe dreht, so müssen auch alle zur Erde gehörigen Körper, also auch die Luft, die sie umgibt, und der Stein, den wir aus der Hand fal- len lassen, an dieser Umdrehung der Erde Theil nehmen, so daß also der Stein, während seines Falles, zugleich eben die Bewe- gung nach Osten haben wird, wie die Thurmspitze, von welcher er gefallen ist. Diese Spitze hat aber eine schnellere Bewegung nach Osten, als der Fuß des Thurmes, weil sie in größerer Ent- fernung von dem Mittelpunkte der Erde ist, also auch einen grö- ßeren Kreis um denselben beschreibt, als der dem Mittelpunkte nähere Fuß des Thurmes. Da also der Stein diese schnellere Bewegung nach Osten während seines Falles beibehält, so wird er auch, wenn er die Erde erreicht, einen größeren Weg nach Osten zurückgelegt haben, als der Fuß des Thurmes, und daher östlich von diesem Fuße niederfallen.
Die königliche Gesellschaft, welcher Newton's Schreiben vorgelegt wurde, setzte einen großen Werth auf die darin vorgetragenen Ideen und trug ihrem Secretär auf, darüber unmittelbare Experimente an- zustellen. Hooke war nicht nur ein Mann von ausgezeichnetem
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Tägliche Bewegung der Erde.
noch weiter öſtlich an der Mündung niederfielen, und einige der- ſelben gar nicht mehr gefunden werden konnten.
Erſt Newton hatte von dieſer Sache, wie von ſo vielen an- deren, zuerſt die richtigen Begriffe aufgeſtellt, und ſelbſt dieſer große Mann erkannte ſie, wenigſtens anfangs, nicht ganz in ih- rem wahren Lichte. Es war am 28. November 1679, daß er an Hooke, Secretär d. k. Societät der Wiſſenſchaften in London, ſchrieb, daß er ein Mittel gefunden habe, die Umdrehung der Erde durch unmittelbare Beobachtungen, deren man bisher entbehrt hatte, zu beweiſen, und er ſchlug zu dieſem Zwecke die Beobach- tungen des Falles kleiner und ſehr dichter Körper aus ſehr be- trächtlichen Höhen, z. B. von der Spitze eines Thurmes, vor. Hat die Erde, ſetzte er hinzu, keine Bewegung in ſich ſelbſt, ſo werden jene Körper in einer ſenkrechten Linie zur Erde fallen. Hat ſie aber, wie man bisher aus anderen Gründen mit Recht voraus- ſetzte, eine Bewegung gegen Oſten, ſo muß der fallende Körper am Ende ſeines Falles eine Abweichung von der ſenkrechten Linie, und zwar gegen Oſten (nicht, wie man früher glaubte, gegen Weſten) zeigen. Wenn nämlich die Erde ſich um ihre Axe dreht, ſo müſſen auch alle zur Erde gehörigen Körper, alſo auch die Luft, die ſie umgibt, und der Stein, den wir aus der Hand fal- len laſſen, an dieſer Umdrehung der Erde Theil nehmen, ſo daß alſo der Stein, während ſeines Falles, zugleich eben die Bewe- gung nach Oſten haben wird, wie die Thurmſpitze, von welcher er gefallen iſt. Dieſe Spitze hat aber eine ſchnellere Bewegung nach Oſten, als der Fuß des Thurmes, weil ſie in größerer Ent- fernung von dem Mittelpunkte der Erde iſt, alſo auch einen grö- ßeren Kreis um denſelben beſchreibt, als der dem Mittelpunkte nähere Fuß des Thurmes. Da alſo der Stein dieſe ſchnellere Bewegung nach Oſten während ſeines Falles beibehält, ſo wird er auch, wenn er die Erde erreicht, einen größeren Weg nach Oſten zurückgelegt haben, als der Fuß des Thurmes, und daher öſtlich von dieſem Fuße niederfallen.
Die königliche Geſellſchaft, welcher Newton’s Schreiben vorgelegt wurde, ſetzte einen großen Werth auf die darin vorgetragenen Ideen und trug ihrem Secretär auf, darüber unmittelbare Experimente an- zuſtellen. Hooke war nicht nur ein Mann von ausgezeichnetem
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Tägliche Bewegung der Erde.
noch weiter öſtlich an der Mündung niederfielen, und einige der-
ſelben gar nicht mehr gefunden werden konnten.
Erſt Newton hatte von dieſer Sache, wie von ſo vielen an-
deren, zuerſt die richtigen Begriffe aufgeſtellt, und ſelbſt dieſer
große Mann erkannte ſie, wenigſtens anfangs, nicht ganz in ih-
rem wahren Lichte. Es war am 28. November 1679, daß er an
Hooke, Secretär d. k. Societät der Wiſſenſchaften in London,
ſchrieb, daß er ein Mittel gefunden habe, die Umdrehung der Erde
durch unmittelbare Beobachtungen, deren man bisher entbehrt
hatte, zu beweiſen, und er ſchlug zu dieſem Zwecke die Beobach-
tungen des Falles kleiner und ſehr dichter Körper aus ſehr be-
trächtlichen Höhen, z. B. von der Spitze eines Thurmes, vor. Hat
die Erde, ſetzte er hinzu, keine Bewegung in ſich ſelbſt, ſo werden
jene Körper in einer ſenkrechten Linie zur Erde fallen. Hat ſie
aber, wie man bisher aus anderen Gründen mit Recht voraus-
ſetzte, eine Bewegung gegen Oſten, ſo muß der fallende Körper
am Ende ſeines Falles eine Abweichung von der ſenkrechten Linie,
und zwar gegen Oſten (nicht, wie man früher glaubte, gegen
Weſten) zeigen. Wenn nämlich die Erde ſich um ihre Axe dreht,
ſo müſſen auch alle zur Erde gehörigen Körper, alſo auch die
Luft, die ſie umgibt, und der Stein, den wir aus der Hand fal-
len laſſen, an dieſer Umdrehung der Erde Theil nehmen, ſo daß
alſo der Stein, während ſeines Falles, zugleich eben die Bewe-
gung nach Oſten haben wird, wie die Thurmſpitze, von welcher
er gefallen iſt. Dieſe Spitze hat aber eine ſchnellere Bewegung
nach Oſten, als der Fuß des Thurmes, weil ſie in größerer Ent-
fernung von dem Mittelpunkte der Erde iſt, alſo auch einen grö-
ßeren Kreis um denſelben beſchreibt, als der dem Mittelpunkte
nähere Fuß des Thurmes. Da alſo der Stein dieſe ſchnellere
Bewegung nach Oſten während ſeines Falles beibehält, ſo wird
er auch, wenn er die Erde erreicht, einen größeren Weg nach
Oſten zurückgelegt haben, als der Fuß des Thurmes, und daher
öſtlich von dieſem Fuße niederfallen.
Die königliche Geſellſchaft, welcher Newton’s Schreiben vorgelegt
wurde, ſetzte einen großen Werth auf die darin vorgetragenen Ideen
und trug ihrem Secretär auf, darüber unmittelbare Experimente an-
zuſtellen. Hooke war nicht nur ein Mann von ausgezeichnetem
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/79>, abgerufen am 16.02.2025.
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