gleich in den Stand, die Wirkungen dieser auf die erwähnte Weise constituirten Atmosphäre der Rechnung zu unterwerfen. Die Ueber- einstimmung der Resultate dieser Rechnungen mit jenen der un- mittelbaren Beobachtungen wird dann zeigen, ob jene Voraus- setzung selbst der Wahrheit gemäß ist.
§. 184. (Refraction.) Wie alle durchsichtigen Körper, so hat auch die Luft die Eigenschaft, daß sie die auf sie fallenden Lichtstrahlen, indem sie dieselben anzieht, bricht und ihnen eine andere Richtung gibt. Die Folge davon ist, daß wir die Sonne und überhaupt alle Körper des Himmels an einem ganz andern Orte sehen, als an dem, welchen sie in der That einnehmen.
Ist C (Fig. 25) der Mittelpunkt der Erde, B der Beobachter auf der Oberfläche derselben und S ein Gestirn, so wird der Licht- strabl Ss, wenn er der ersten der oben erwähnten concentrischen Luftschichten in s begegnet, von derselben so gebrochen, daß er auf der anderen Seite von s der Linie Cs oder dem Einfallslothe näher kömmt, als er ohne Brechung gekommen seyn würde. Da ferner die Veschaffenheit der Schichten in allen Richtungen um den Punkt s durchaus dieselbe ist, so wird der Strahl durch die Bre- chung nur von dem Zenithe weg, aber nicht seitwärts gebracht, so daß er auch nach seiner Brechung noch in derselben Verti- calebene CSs liegt, wie vor derselben, oder daß durch diese Bre- chung nur die Zenithdistanz, aber nicht das Azimut des Sterns (Einl. 20) verändert wird. Diese Veränderung ist allerdings nur sehr gering, weil die Dichte sowohl, als die Dicke dieser ersten Schicht ebenfalls nur äußerst klein ist. Aber die zweite Schicht bewirkt eine ähnliche Veränderung oder eine ähnliche Beugung des Lichtstrahls, und da dasselbe auch von allen folgenden Schich- ten gilt, so wird die Wirkung aller dieser Brechungen seyn, daß der anfänglich geradlinige Strahl Ss innerhalb der Atmosphäre oder von dem Punkte s bis zu dem Auge des Beobachters in B eine gegen die Erde hohle krumme Linie sB beschreibt. Nun sieht man aber alle Gegenstände in derjenigen Richtung, welche der von ihm ausgehende Lichtstrahl in dem Augenblicke hat, in welchem er das Auge des Beobachters trifft, unbeschadet aller der andern Richtungen, die er etwa vor diesem Augenblicke gehabt haben kann. Daraus folgt, das Auge sieht den Stern S in der
Refraction, Präceſſion und Nutation.
gleich in den Stand, die Wirkungen dieſer auf die erwähnte Weiſe conſtituirten Atmoſphäre der Rechnung zu unterwerfen. Die Ueber- einſtimmung der Reſultate dieſer Rechnungen mit jenen der un- mittelbaren Beobachtungen wird dann zeigen, ob jene Voraus- ſetzung ſelbſt der Wahrheit gemäß iſt.
§. 184. (Refraction.) Wie alle durchſichtigen Körper, ſo hat auch die Luft die Eigenſchaft, daß ſie die auf ſie fallenden Lichtſtrahlen, indem ſie dieſelben anzieht, bricht und ihnen eine andere Richtung gibt. Die Folge davon iſt, daß wir die Sonne und überhaupt alle Körper des Himmels an einem ganz andern Orte ſehen, als an dem, welchen ſie in der That einnehmen.
Iſt C (Fig. 25) der Mittelpunkt der Erde, B der Beobachter auf der Oberfläche derſelben und S ein Geſtirn, ſo wird der Licht- ſtrabl Ss, wenn er der erſten der oben erwähnten concentriſchen Luftſchichten in s begegnet, von derſelben ſo gebrochen, daß er auf der anderen Seite von s der Linie Cs oder dem Einfallslothe näher kömmt, als er ohne Brechung gekommen ſeyn würde. Da ferner die Veſchaffenheit der Schichten in allen Richtungen um den Punkt s durchaus dieſelbe iſt, ſo wird der Strahl durch die Bre- chung nur von dem Zenithe weg, aber nicht ſeitwärts gebracht, ſo daß er auch nach ſeiner Brechung noch in derſelben Verti- calebene CSs liegt, wie vor derſelben, oder daß durch dieſe Bre- chung nur die Zenithdiſtanz, aber nicht das Azimut des Sterns (Einl. 20) verändert wird. Dieſe Veränderung iſt allerdings nur ſehr gering, weil die Dichte ſowohl, als die Dicke dieſer erſten Schicht ebenfalls nur äußerſt klein iſt. Aber die zweite Schicht bewirkt eine ähnliche Veränderung oder eine ähnliche Beugung des Lichtſtrahls, und da daſſelbe auch von allen folgenden Schich- ten gilt, ſo wird die Wirkung aller dieſer Brechungen ſeyn, daß der anfänglich geradlinige Strahl Ss innerhalb der Atmoſphäre oder von dem Punkte s bis zu dem Auge des Beobachters in B eine gegen die Erde hohle krumme Linie sB beſchreibt. Nun ſieht man aber alle Gegenſtände in derjenigen Richtung, welche der von ihm ausgehende Lichtſtrahl in dem Augenblicke hat, in welchem er das Auge des Beobachters trifft, unbeſchadet aller der andern Richtungen, die er etwa vor dieſem Augenblicke gehabt haben kann. Daraus folgt, das Auge ſieht den Stern S in der
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Refraction, Präceſſion und Nutation.
gleich in den Stand, die Wirkungen dieſer auf die erwähnte Weiſe
conſtituirten Atmoſphäre der Rechnung zu unterwerfen. Die Ueber-
einſtimmung der Reſultate dieſer Rechnungen mit jenen der un-
mittelbaren Beobachtungen wird dann zeigen, ob jene Voraus-
ſetzung ſelbſt der Wahrheit gemäß iſt.
§. 184. (Refraction.) Wie alle durchſichtigen Körper, ſo
hat auch die Luft die Eigenſchaft, daß ſie die auf ſie fallenden
Lichtſtrahlen, indem ſie dieſelben anzieht, bricht und ihnen eine
andere Richtung gibt. Die Folge davon iſt, daß wir die Sonne
und überhaupt alle Körper des Himmels an einem ganz andern
Orte ſehen, als an dem, welchen ſie in der That einnehmen.
Iſt C (Fig. 25) der Mittelpunkt der Erde, B der Beobachter
auf der Oberfläche derſelben und S ein Geſtirn, ſo wird der Licht-
ſtrabl Ss, wenn er der erſten der oben erwähnten concentriſchen
Luftſchichten in s begegnet, von derſelben ſo gebrochen, daß er
auf der anderen Seite von s der Linie Cs oder dem Einfallslothe
näher kömmt, als er ohne Brechung gekommen ſeyn würde. Da
ferner die Veſchaffenheit der Schichten in allen Richtungen um den
Punkt s durchaus dieſelbe iſt, ſo wird der Strahl durch die Bre-
chung nur von dem Zenithe weg, aber nicht ſeitwärts gebracht,
ſo daß er auch nach ſeiner Brechung noch in derſelben Verti-
calebene CSs liegt, wie vor derſelben, oder daß durch dieſe Bre-
chung nur die Zenithdiſtanz, aber nicht das Azimut des Sterns
(Einl. 20) verändert wird. Dieſe Veränderung iſt allerdings nur
ſehr gering, weil die Dichte ſowohl, als die Dicke dieſer erſten
Schicht ebenfalls nur äußerſt klein iſt. Aber die zweite Schicht
bewirkt eine ähnliche Veränderung oder eine ähnliche Beugung
des Lichtſtrahls, und da daſſelbe auch von allen folgenden Schich-
ten gilt, ſo wird die Wirkung aller dieſer Brechungen ſeyn, daß
der anfänglich geradlinige Strahl Ss innerhalb der Atmoſphäre
oder von dem Punkte s bis zu dem Auge des Beobachters in B
eine gegen die Erde hohle krumme Linie sB beſchreibt. Nun
ſieht man aber alle Gegenſtände in derjenigen Richtung, welche
der von ihm ausgehende Lichtſtrahl in dem Augenblicke hat, in
welchem er das Auge des Beobachters trifft, unbeſchadet aller der
andern Richtungen, die er etwa vor dieſem Augenblicke gehabt
haben kann. Daraus folgt, das Auge ſieht den Stern S in der
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/358>, abgerufen am 29.07.2024.
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