Nächste Folgen d. elliptischen Bewegung d. Planeten.
des Frühlingspunktes, und die Sternzeit eines jeden sol- chen Tages ist der Stundenwinkel dieses Frühlingspunktes (Einl. §. 28).
§. 155. (Mittlere und wahre Sonnenzeit.) Allein wir sind von jeher gewöhnt, die Sonne als das eigentliche Maaß unse- rer Zeit zu betrachten, wie sie sich denn auch in der That ganz vorzüglich dazu eignet. Durch die tägliche Abwechslung von Licht und Schatten gibt sie uns den Tag und die Nacht, welche beide zusammen den Tag, im weitern Sinne des Worts, bil- den, und eben so gibt sie uns, durch ihre Wiederkehr zu dem Frühlingspunkte, die Abwechslung der vier Jahreszeiten, welche zusammen unser Jahr ausmachen.
Wir werden daher, analog mit dem Vorhergehenden, sagen: der Sonnentag ist die Zeit zwischen zwei nächsten Culmina- tionen der Sonne, und die Sonnenzeit eines jeden Ortes ist der Winkel, welchen die Sonne seit ihrem letzten Durchgang durch den Meridian dieses Ortes, in Beziehung auf den Aequa- tor, zurückgelegt hat, d. h. die Sonnenzeit eines jedes Augen- blicks ist der Stundenwinkel der Sonne für denselben Augenblick.
Allein hier begegnen wir sogleich einer Schwierigkeit, die wir, ehe wir weiter gehen, zu entfernen suchen müssen.
Die Zeit geht gleichförmig fort, und kann daher auch nur durch solche Bewegungen gemessen werden, die ebenfalls gleich- förmig vor sich gehen, wie wir bereits oben (§. 154) gesagt ha- ben. Die Sonne aber geht, wie wir aus dem IX. Capitel von ihrer elliptischen Bewegung wissen, bald langsamer, bald geschwin- der in ihrer Bahn fort, und sie kann daher eigentlich nicht als Zeitmesser gebraucht werden. Ja selbst, wenn sie in der Ecliptik immer mit derselben Geschwindigkeit fortginge, so würde doch diese ihre in der Ecliptik gleichförmige Bewegung, in Beziehung auf den Aequator, wieder ungleichförmig erscheinen, und da wir, wie gesagt, die Zeit auf dem Aequator oder durch die Bewegung des Aequators, messen, so würde die Sonne auch dann nicht als Zeitmaaß gebraucht werden können, wenn sie selbst eine an sich vollkommen gleichförmige Bewegung hätte. Die Tage, die Stun- den des einzelnen Tags, und selbst die kleinen Theile desselben, würden in verschiedenen Jahreszeiten nicht mehr dieselbe Dauer
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Nächſte Folgen d. elliptiſchen Bewegung d. Planeten.
des Frühlingspunktes, und die Sternzeit eines jeden ſol- chen Tages iſt der Stundenwinkel dieſes Frühlingspunktes (Einl. §. 28).
§. 155. (Mittlere und wahre Sonnenzeit.) Allein wir ſind von jeher gewöhnt, die Sonne als das eigentliche Maaß unſe- rer Zeit zu betrachten, wie ſie ſich denn auch in der That ganz vorzüglich dazu eignet. Durch die tägliche Abwechslung von Licht und Schatten gibt ſie uns den Tag und die Nacht, welche beide zuſammen den Tag, im weitern Sinne des Worts, bil- den, und eben ſo gibt ſie uns, durch ihre Wiederkehr zu dem Frühlingspunkte, die Abwechslung der vier Jahreszeiten, welche zuſammen unſer Jahr ausmachen.
Wir werden daher, analog mit dem Vorhergehenden, ſagen: der Sonnentag iſt die Zeit zwiſchen zwei nächſten Culmina- tionen der Sonne, und die Sonnenzeit eines jeden Ortes iſt der Winkel, welchen die Sonne ſeit ihrem letzten Durchgang durch den Meridian dieſes Ortes, in Beziehung auf den Aequa- tor, zurückgelegt hat, d. h. die Sonnenzeit eines jedes Augen- blicks iſt der Stundenwinkel der Sonne für denſelben Augenblick.
Allein hier begegnen wir ſogleich einer Schwierigkeit, die wir, ehe wir weiter gehen, zu entfernen ſuchen müſſen.
Die Zeit geht gleichförmig fort, und kann daher auch nur durch ſolche Bewegungen gemeſſen werden, die ebenfalls gleich- förmig vor ſich gehen, wie wir bereits oben (§. 154) geſagt ha- ben. Die Sonne aber geht, wie wir aus dem IX. Capitel von ihrer elliptiſchen Bewegung wiſſen, bald langſamer, bald geſchwin- der in ihrer Bahn fort, und ſie kann daher eigentlich nicht als Zeitmeſſer gebraucht werden. Ja ſelbſt, wenn ſie in der Ecliptik immer mit derſelben Geſchwindigkeit fortginge, ſo würde doch dieſe ihre in der Ecliptik gleichförmige Bewegung, in Beziehung auf den Aequator, wieder ungleichförmig erſcheinen, und da wir, wie geſagt, die Zeit auf dem Aequator oder durch die Bewegung des Aequators, meſſen, ſo würde die Sonne auch dann nicht als Zeitmaaß gebraucht werden können, wenn ſie ſelbſt eine an ſich vollkommen gleichförmige Bewegung hätte. Die Tage, die Stun- den des einzelnen Tags, und ſelbſt die kleinen Theile deſſelben, würden in verſchiedenen Jahreszeiten nicht mehr dieſelbe Dauer
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Nächſte Folgen d. elliptiſchen Bewegung d. Planeten.
des Frühlingspunktes, und die Sternzeit eines jeden ſol-
chen Tages iſt der Stundenwinkel dieſes Frühlingspunktes (Einl.
§. 28).
§. 155. (Mittlere und wahre Sonnenzeit.) Allein wir ſind
von jeher gewöhnt, die Sonne als das eigentliche Maaß unſe-
rer Zeit zu betrachten, wie ſie ſich denn auch in der That ganz
vorzüglich dazu eignet. Durch die tägliche Abwechslung von
Licht und Schatten gibt ſie uns den Tag und die Nacht, welche
beide zuſammen den Tag, im weitern Sinne des Worts, bil-
den, und eben ſo gibt ſie uns, durch ihre Wiederkehr zu dem
Frühlingspunkte, die Abwechslung der vier Jahreszeiten, welche
zuſammen unſer Jahr ausmachen.
Wir werden daher, analog mit dem Vorhergehenden, ſagen:
der Sonnentag iſt die Zeit zwiſchen zwei nächſten Culmina-
tionen der Sonne, und die Sonnenzeit eines jeden Ortes iſt
der Winkel, welchen die Sonne ſeit ihrem letzten Durchgang
durch den Meridian dieſes Ortes, in Beziehung auf den Aequa-
tor, zurückgelegt hat, d. h. die Sonnenzeit eines jedes Augen-
blicks iſt der Stundenwinkel der Sonne für denſelben Augenblick.
Allein hier begegnen wir ſogleich einer Schwierigkeit, die
wir, ehe wir weiter gehen, zu entfernen ſuchen müſſen.
Die Zeit geht gleichförmig fort, und kann daher auch nur
durch ſolche Bewegungen gemeſſen werden, die ebenfalls gleich-
förmig vor ſich gehen, wie wir bereits oben (§. 154) geſagt ha-
ben. Die Sonne aber geht, wie wir aus dem IX. Capitel von
ihrer elliptiſchen Bewegung wiſſen, bald langſamer, bald geſchwin-
der in ihrer Bahn fort, und ſie kann daher eigentlich nicht als
Zeitmeſſer gebraucht werden. Ja ſelbſt, wenn ſie in der Ecliptik
immer mit derſelben Geſchwindigkeit fortginge, ſo würde doch
dieſe ihre in der Ecliptik gleichförmige Bewegung, in Beziehung
auf den Aequator, wieder ungleichförmig erſcheinen, und da wir,
wie geſagt, die Zeit auf dem Aequator oder durch die Bewegung des
Aequators, meſſen, ſo würde die Sonne auch dann nicht als
Zeitmaaß gebraucht werden können, wenn ſie ſelbſt eine an ſich
vollkommen gleichförmige Bewegung hätte. Die Tage, die Stun-
den des einzelnen Tags, und ſelbſt die kleinen Theile deſſelben,
würden in verſchiedenen Jahreszeiten nicht mehr dieſelbe Dauer
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/319>, abgerufen am 29.07.2024.
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