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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Nächste Folgen d. elliptischen Bewegung d. Planeten.

§. 153. (Dauer der Jahreszeiten in verschiedenen Jahrhun-
derten.) Wir haben bereits oben (§. 142) gesehen, daß die Ele-
mente aller Planetenbahnen mit der Zeit veränderlich sind, mit
Ausnahme der großen Axe, die, wie wir später zeigen werden,
immer dieselbe bleibt. Allein diese Aenderungen sind sämmtlich
sehr gering, und überdieß in gewisse Perioden eingeschlossen, wäh-
rend welchen sie zwischen oft sehr engen Gränzen auf und ab
gehen, wie die Schwingungen eines Pendels, ohne jene Gränzen
je zu überschreiten. Beispiele solcher periodischen Aenderungen
haben wir schon oben bei der Abnahme der Schiefe der Ecliptik
und erst in diesem Kapitel (§. 150) bei der Aenderung der Ex-
centricität der Erdbahn gefunden.

Bloß die Bewegung der Absiden macht davon eine Ausnahme.
Zwar gehen auch sie bald langsamer, bald geschwinder, aber doch
zugleich immer nach derselben Richtung fort, so daß sie in keine
bestimmten Gränzen eingeschlossen sind, und allmählig, wenn gleich
in Perioden von vielen Jahrtausenden, endlich den ganzen Him-
mel durchwandern. Wir werden werter unten auf diesen sehr
interessanten Gegenstand wieder zurückkommen. Hier wird es
genügen, die Lage unserer Erdbahn zu den verschiedenen Epochen
unserer Menschengeschichte etwas genauer zu betrachten.

Die Länge des Periheliums der Erde beträgt für den Anfang
dieses Jahrhunderts 99,8 Grade. Nach den Beobachtungen wächst
die Länge desselben während jedem Jahrhundert in Beziehung auf
die Fixsterne um 0.3276 Grade. Addirt man dazu die säculäre
Aenderung des Frühlingspunktes, die nach dem oben Gesagten
1,3947 Grade beträgt, so erhält man die säculäre tropische Aende-
rung des Periheliums 1,72 Grade, übereinstimmend mit der Tafel
des §. 142.

Rechnet man mit dieser jährlichen Bewegung von 0,72
Grade zurück, in die Zeit, wo die Länge des Periheliums gleich
0 Grade war, so findet man für diese Zeit 5800 Jahre, oder
mit andern Worten: gegen das Jahr 4000 vor Ch. G. fiel das
Perihelium B der Erdbahn in die Linie 0 der Herbstnacht-
gleiche. Damals war also die große Axe dieser Bahn in der
Linie der Nachtgleichen und die kleine Axe derselben mußte mit
der Solstitiallinie parallel seyn. Für diese Zeit war daher

Nächſte Folgen d. elliptiſchen Bewegung d. Planeten.

§. 153. (Dauer der Jahreszeiten in verſchiedenen Jahrhun-
derten.) Wir haben bereits oben (§. 142) geſehen, daß die Ele-
mente aller Planetenbahnen mit der Zeit veränderlich ſind, mit
Ausnahme der großen Axe, die, wie wir ſpäter zeigen werden,
immer dieſelbe bleibt. Allein dieſe Aenderungen ſind ſämmtlich
ſehr gering, und überdieß in gewiſſe Perioden eingeſchloſſen, wäh-
rend welchen ſie zwiſchen oft ſehr engen Gränzen auf und ab
gehen, wie die Schwingungen eines Pendels, ohne jene Gränzen
je zu überſchreiten. Beiſpiele ſolcher periodiſchen Aenderungen
haben wir ſchon oben bei der Abnahme der Schiefe der Ecliptik
und erſt in dieſem Kapitel (§. 150) bei der Aenderung der Ex-
centricität der Erdbahn gefunden.

Bloß die Bewegung der Abſiden macht davon eine Ausnahme.
Zwar gehen auch ſie bald langſamer, bald geſchwinder, aber doch
zugleich immer nach derſelben Richtung fort, ſo daß ſie in keine
beſtimmten Gränzen eingeſchloſſen ſind, und allmählig, wenn gleich
in Perioden von vielen Jahrtauſenden, endlich den ganzen Him-
mel durchwandern. Wir werden werter unten auf dieſen ſehr
intereſſanten Gegenſtand wieder zurückkommen. Hier wird es
genügen, die Lage unſerer Erdbahn zu den verſchiedenen Epochen
unſerer Menſchengeſchichte etwas genauer zu betrachten.

Die Länge des Periheliums der Erde beträgt für den Anfang
dieſes Jahrhunderts 99,8 Grade. Nach den Beobachtungen wächst
die Länge deſſelben während jedem Jahrhundert in Beziehung auf
die Fixſterne um 0.3276 Grade. Addirt man dazu die ſäculäre
Aenderung des Frühlingspunktes, die nach dem oben Geſagten
1,3947 Grade beträgt, ſo erhält man die ſäculäre tropiſche Aende-
rung des Periheliums 1,72 Grade, übereinſtimmend mit der Tafel
des §. 142.

Rechnet man mit dieſer jährlichen Bewegung von 0,72
Grade zurück, in die Zeit, wo die Länge des Periheliums gleich
0 Grade war, ſo findet man für dieſe Zeit 5800 Jahre, oder
mit andern Worten: gegen das Jahr 4000 vor Ch. G. fiel das
Perihelium B der Erdbahn in die Linie 0♈ der Herbſtnacht-
gleiche. Damals war alſo die große Axe dieſer Bahn in der
Linie der Nachtgleichen und die kleine Axe derſelben mußte mit
der Solſtitiallinie ♋♑ parallel ſeyn. Für dieſe Zeit war daher

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[303/0315] Nächſte Folgen d. elliptiſchen Bewegung d. Planeten. §. 153. (Dauer der Jahreszeiten in verſchiedenen Jahrhun- derten.) Wir haben bereits oben (§. 142) geſehen, daß die Ele- mente aller Planetenbahnen mit der Zeit veränderlich ſind, mit Ausnahme der großen Axe, die, wie wir ſpäter zeigen werden, immer dieſelbe bleibt. Allein dieſe Aenderungen ſind ſämmtlich ſehr gering, und überdieß in gewiſſe Perioden eingeſchloſſen, wäh- rend welchen ſie zwiſchen oft ſehr engen Gränzen auf und ab gehen, wie die Schwingungen eines Pendels, ohne jene Gränzen je zu überſchreiten. Beiſpiele ſolcher periodiſchen Aenderungen haben wir ſchon oben bei der Abnahme der Schiefe der Ecliptik und erſt in dieſem Kapitel (§. 150) bei der Aenderung der Ex- centricität der Erdbahn gefunden. Bloß die Bewegung der Abſiden macht davon eine Ausnahme. Zwar gehen auch ſie bald langſamer, bald geſchwinder, aber doch zugleich immer nach derſelben Richtung fort, ſo daß ſie in keine beſtimmten Gränzen eingeſchloſſen ſind, und allmählig, wenn gleich in Perioden von vielen Jahrtauſenden, endlich den ganzen Him- mel durchwandern. Wir werden werter unten auf dieſen ſehr intereſſanten Gegenſtand wieder zurückkommen. Hier wird es genügen, die Lage unſerer Erdbahn zu den verſchiedenen Epochen unſerer Menſchengeſchichte etwas genauer zu betrachten. Die Länge des Periheliums der Erde beträgt für den Anfang dieſes Jahrhunderts 99,8 Grade. Nach den Beobachtungen wächst die Länge deſſelben während jedem Jahrhundert in Beziehung auf die Fixſterne um 0.3276 Grade. Addirt man dazu die ſäculäre Aenderung des Frühlingspunktes, die nach dem oben Geſagten 1,3947 Grade beträgt, ſo erhält man die ſäculäre tropiſche Aende- rung des Periheliums 1,72 Grade, übereinſtimmend mit der Tafel des §. 142. Rechnet man mit dieſer jährlichen Bewegung von 0,72 Grade zurück, in die Zeit, wo die Länge des Periheliums gleich 0 Grade war, ſo findet man für dieſe Zeit 5800 Jahre, oder mit andern Worten: gegen das Jahr 4000 vor Ch. G. fiel das Perihelium B der Erdbahn in die Linie 0♈ der Herbſtnacht- gleiche. Damals war alſo die große Axe dieſer Bahn in der Linie der Nachtgleichen und die kleine Axe derſelben mußte mit der Solſtitiallinie ♋♑ parallel ſeyn. Für dieſe Zeit war daher

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/315>, abgerufen am 25.11.2024.