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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Kepler's Gesetze.
entfernt, und wenn beide dieselbe mittlere Geschwindigkeit hätten,
so würde auch die Umlaufszeit des Mars nahe das Doppelte
von jener der Venus seyn. Aber sie ist nahe dreimal größer,
woraus dann folgt, daß Mars sich in der That auch langsamer
bewege, als die der Sonne viel nähere Venus. Durch seine
frühern glücklichen Entdeckungen aufgemuntert, suchte er nun auch,
von einer Art von Vorgefühl getrieben, das Verhältniß, welches
zwischen den Umlaufszeiten und den großen Axen ihrer Bahnen
statt haben soll. Und er suchte volle siebenzehn Jahre, ohne zu
ermüden und ohne die Idee aufzugeben, welche er von der Existenz
eines solchen Verhältnisses einmal gefaßt hatte.

Schon in einem seiner frühern Werke, in dem Mysterium
cosmographicum,
das im Jahr 1596 zu Grätz erschien, suchte er
die sogenannten harmonischen Verhältnisse, mit welchen bereits
die alten Pythagoräer so viel gespielt hatten, auf diese Distanzen
der Planeten von der Sonne anzuwenden. Später wollte er ihnen
in seinem Werke "Harmonice mundi. Linz 1619" die verschiedenen
Längen der Seiten anpassen, welche in der Tonlehre eine Terze,
Quarte, Octave u. s. w. geben, fand aber auch diese Idee
eben so wenig als die vorhergehende, mit der Natur übereinstim-
mend. In dem letzten Werke suchte er auch die sogenannten
platonischen Körper, den Kubus, das Tetraeder u. f. mit den
Zwischenräumen der Planetenbahnen zu vergleichen. Aber auch
diese wollten nicht passen, obschon er sich lange genug mit ihnen
geplagt hatte. Später verglich er, immer wieder auf seine frühere
Muthmaßung zurück kommend, die verschiedenen Potenzen der
Zahlen, welche die Umlaufszeiten und die großen Axen bei den
Planeten ausdrücken, aber auch hier konnte er nichts Genügendes
finden, so daß er endlich nahe daran war, alle seine weitern Spe-
culationen über diesen ihn schon so lange hinhaltenden Gegenstand
gänzlich aufzugeben. Einige Tage nur nach dem letzterwähnten
Versuch kam es ihm vor, als hätte er bei diesen Rechnungen,
seiner Gewohnheit nach, sich von seiner Ungeduld verführen lassen,
zu schnell gerechnet, und sich auch wohl ganz verrechnet. Sogleich
nahm er die Sache noch einmal vor, rechnete jetzt bedächtiger, und
fand bald, daß sein Verdacht gegen jene ersten Arbeiten nur zu
gegründet war. Gleich die ersten Versuche zeigten ihm, daß er

Littrows Himmel u. s. Wunder. I. 19

Kepler’s Geſetze.
entfernt, und wenn beide dieſelbe mittlere Geſchwindigkeit hätten,
ſo würde auch die Umlaufszeit des Mars nahe das Doppelte
von jener der Venus ſeyn. Aber ſie iſt nahe dreimal größer,
woraus dann folgt, daß Mars ſich in der That auch langſamer
bewege, als die der Sonne viel nähere Venus. Durch ſeine
frühern glücklichen Entdeckungen aufgemuntert, ſuchte er nun auch,
von einer Art von Vorgefühl getrieben, das Verhältniß, welches
zwiſchen den Umlaufszeiten und den großen Axen ihrer Bahnen
ſtatt haben ſoll. Und er ſuchte volle ſiebenzehn Jahre, ohne zu
ermüden und ohne die Idee aufzugeben, welche er von der Exiſtenz
eines ſolchen Verhältniſſes einmal gefaßt hatte.

Schon in einem ſeiner frühern Werke, in dem Mysterium
cosmographicum,
das im Jahr 1596 zu Grätz erſchien, ſuchte er
die ſogenannten harmoniſchen Verhältniſſe, mit welchen bereits
die alten Pythagoräer ſo viel geſpielt hatten, auf dieſe Diſtanzen
der Planeten von der Sonne anzuwenden. Später wollte er ihnen
in ſeinem Werke „Harmonice mundi. Linz 1619” die verſchiedenen
Längen der Seiten anpaſſen, welche in der Tonlehre eine Terze,
Quarte, Octave u. ſ. w. geben, fand aber auch dieſe Idee
eben ſo wenig als die vorhergehende, mit der Natur übereinſtim-
mend. In dem letzten Werke ſuchte er auch die ſogenannten
platoniſchen Körper, den Kubus, das Tetraeder u. f. mit den
Zwiſchenräumen der Planetenbahnen zu vergleichen. Aber auch
dieſe wollten nicht paſſen, obſchon er ſich lange genug mit ihnen
geplagt hatte. Später verglich er, immer wieder auf ſeine frühere
Muthmaßung zurück kommend, die verſchiedenen Potenzen der
Zahlen, welche die Umlaufszeiten und die großen Axen bei den
Planeten ausdrücken, aber auch hier konnte er nichts Genügendes
finden, ſo daß er endlich nahe daran war, alle ſeine weitern Spe-
culationen über dieſen ihn ſchon ſo lange hinhaltenden Gegenſtand
gänzlich aufzugeben. Einige Tage nur nach dem letzterwähnten
Verſuch kam es ihm vor, als hätte er bei dieſen Rechnungen,
ſeiner Gewohnheit nach, ſich von ſeiner Ungeduld verführen laſſen,
zu ſchnell gerechnet, und ſich auch wohl ganz verrechnet. Sogleich
nahm er die Sache noch einmal vor, rechnete jetzt bedächtiger, und
fand bald, daß ſein Verdacht gegen jene erſten Arbeiten nur zu
gegründet war. Gleich die erſten Verſuche zeigten ihm, daß er

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[289/0301] Kepler’s Geſetze. entfernt, und wenn beide dieſelbe mittlere Geſchwindigkeit hätten, ſo würde auch die Umlaufszeit des Mars nahe das Doppelte von jener der Venus ſeyn. Aber ſie iſt nahe dreimal größer, woraus dann folgt, daß Mars ſich in der That auch langſamer bewege, als die der Sonne viel nähere Venus. Durch ſeine frühern glücklichen Entdeckungen aufgemuntert, ſuchte er nun auch, von einer Art von Vorgefühl getrieben, das Verhältniß, welches zwiſchen den Umlaufszeiten und den großen Axen ihrer Bahnen ſtatt haben ſoll. Und er ſuchte volle ſiebenzehn Jahre, ohne zu ermüden und ohne die Idee aufzugeben, welche er von der Exiſtenz eines ſolchen Verhältniſſes einmal gefaßt hatte. Schon in einem ſeiner frühern Werke, in dem Mysterium cosmographicum, das im Jahr 1596 zu Grätz erſchien, ſuchte er die ſogenannten harmoniſchen Verhältniſſe, mit welchen bereits die alten Pythagoräer ſo viel geſpielt hatten, auf dieſe Diſtanzen der Planeten von der Sonne anzuwenden. Später wollte er ihnen in ſeinem Werke „Harmonice mundi. Linz 1619” die verſchiedenen Längen der Seiten anpaſſen, welche in der Tonlehre eine Terze, Quarte, Octave u. ſ. w. geben, fand aber auch dieſe Idee eben ſo wenig als die vorhergehende, mit der Natur übereinſtim- mend. In dem letzten Werke ſuchte er auch die ſogenannten platoniſchen Körper, den Kubus, das Tetraeder u. f. mit den Zwiſchenräumen der Planetenbahnen zu vergleichen. Aber auch dieſe wollten nicht paſſen, obſchon er ſich lange genug mit ihnen geplagt hatte. Später verglich er, immer wieder auf ſeine frühere Muthmaßung zurück kommend, die verſchiedenen Potenzen der Zahlen, welche die Umlaufszeiten und die großen Axen bei den Planeten ausdrücken, aber auch hier konnte er nichts Genügendes finden, ſo daß er endlich nahe daran war, alle ſeine weitern Spe- culationen über dieſen ihn ſchon ſo lange hinhaltenden Gegenſtand gänzlich aufzugeben. Einige Tage nur nach dem letzterwähnten Verſuch kam es ihm vor, als hätte er bei dieſen Rechnungen, ſeiner Gewohnheit nach, ſich von ſeiner Ungeduld verführen laſſen, zu ſchnell gerechnet, und ſich auch wohl ganz verrechnet. Sogleich nahm er die Sache noch einmal vor, rechnete jetzt bedächtiger, und fand bald, daß ſein Verdacht gegen jene erſten Arbeiten nur zu gegründet war. Gleich die erſten Verſuche zeigten ihm, daß er Littrows Himmel u. ſ. Wunder. I. 19

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/301>, abgerufen am 22.11.2024.