unmittelbar mit dem Himmel selbst zu vergleichen, und er über- zeugte sich endlich durch zahlreiche und lange fortgesetzte Rechnun- gen, daß beide mit einander nicht in dem Grade übereinstimm- ten, wie man es wohl von Tycho's Beobachtungen erwarten konnte, wenn anders jene Theorie selbst der Wahrheit ganz gemäß seyn sollte.
Es wurde bereits oben bemerkt, daß Copernicus durch sein System eigentlich nur die zweite Ungleichheit der planetarischen Bewegung erklärt, und zwar auf eine solche Weise erklärt hatte, daß daran nicht weiter gezweifelt, und daß diese Sache für alle künftigen Zeiten als völlig abgethan betrachtet werden konnte. Aber die Erklärung der ersten Ungleichheit ward dadurch nicht ge- geben, und Copernicus hatte es in seinen Werken nicht einmal gewagt, sie auch nur von ferne zu berühren. Diese erste Ungleich- heit besteht vorzüglich darin, daß die Geschwindigkeiten der Pla- neten, selbst wenn sie von der Sonne aus beobachtet werden, nicht gleichförmig sind, wie sie doch seyn müßten, wenn sie sich in Kreisen bewegten, deren Mittelpunkt die Sonne einnimmt. Die Alten suchten diese Erscheinungen, wie bereits oben gesagt wurde, dadurch zu erklären, daß sie die Sonne außer den Mittelpunkt jener Kreise versetzten. Sie konnten durch diese excentrischen Kreise allerdings diese Veränderungen der Geschwin- digkeiten, so weit es die unvollkommenen Beobachtungen jener Zeit erforderten, darstellen, aber sie begegneten dadurch zugleich einer anderen Schwierigkeit, die sich durch dieses Hilfsmittel des excentrischen Kreises nicht entfernen ließ, und die, wenn sie ihm die Aufmerksamkeit, die es verdiente, geschenkt hätten, sie allein schon hätte überzeugen sollen, daß ihre Erklärung nicht die wahre sey, und daß daher ihre excentrischen Kreise als ganz unrichtig verworfen werden müssen.
§. 129. (Veränderung der scheinbaren Durchmesser und der Geschwindigkeiten der Planeten.) Man beobachtete nämlich, daß die Planeten zu derselben Zeit, wo ihre heliocentrische Geschwin- digkeit am größten oder kleinsten ist, auch zugleich, für ein Auge im Mittelpunkte der Sonne, am größten und kleinsten erschienen. Am besten sah man dieß bei dem Monde, von dem auch die Alten annahmen, daß er sich in einem Kreise bewege, dessen Mittelpunkt die Erde einnimmt. Die größte stündliche Bewegung des Mon-
Kepler’s Geſetze.
unmittelbar mit dem Himmel ſelbſt zu vergleichen, und er über- zeugte ſich endlich durch zahlreiche und lange fortgeſetzte Rechnun- gen, daß beide mit einander nicht in dem Grade übereinſtimm- ten, wie man es wohl von Tycho’s Beobachtungen erwarten konnte, wenn anders jene Theorie ſelbſt der Wahrheit ganz gemäß ſeyn ſollte.
Es wurde bereits oben bemerkt, daß Copernicus durch ſein Syſtem eigentlich nur die zweite Ungleichheit der planetariſchen Bewegung erklärt, und zwar auf eine ſolche Weiſe erklärt hatte, daß daran nicht weiter gezweifelt, und daß dieſe Sache für alle künftigen Zeiten als völlig abgethan betrachtet werden konnte. Aber die Erklärung der erſten Ungleichheit ward dadurch nicht ge- geben, und Copernicus hatte es in ſeinen Werken nicht einmal gewagt, ſie auch nur von ferne zu berühren. Dieſe erſte Ungleich- heit beſteht vorzüglich darin, daß die Geſchwindigkeiten der Pla- neten, ſelbſt wenn ſie von der Sonne aus beobachtet werden, nicht gleichförmig ſind, wie ſie doch ſeyn müßten, wenn ſie ſich in Kreiſen bewegten, deren Mittelpunkt die Sonne einnimmt. Die Alten ſuchten dieſe Erſcheinungen, wie bereits oben geſagt wurde, dadurch zu erklären, daß ſie die Sonne außer den Mittelpunkt jener Kreiſe verſetzten. Sie konnten durch dieſe excentriſchen Kreiſe allerdings dieſe Veränderungen der Geſchwin- digkeiten, ſo weit es die unvollkommenen Beobachtungen jener Zeit erforderten, darſtellen, aber ſie begegneten dadurch zugleich einer anderen Schwierigkeit, die ſich durch dieſes Hilfsmittel des excentriſchen Kreiſes nicht entfernen ließ, und die, wenn ſie ihm die Aufmerkſamkeit, die es verdiente, geſchenkt hätten, ſie allein ſchon hätte überzeugen ſollen, daß ihre Erklärung nicht die wahre ſey, und daß daher ihre excentriſchen Kreiſe als ganz unrichtig verworfen werden müſſen.
§. 129. (Veränderung der ſcheinbaren Durchmeſſer und der Geſchwindigkeiten der Planeten.) Man beobachtete nämlich, daß die Planeten zu derſelben Zeit, wo ihre heliocentriſche Geſchwin- digkeit am größten oder kleinſten iſt, auch zugleich, für ein Auge im Mittelpunkte der Sonne, am größten und kleinſten erſchienen. Am beſten ſah man dieß bei dem Monde, von dem auch die Alten annahmen, daß er ſich in einem Kreiſe bewege, deſſen Mittelpunkt die Erde einnimmt. Die größte ſtündliche Bewegung des Mon-
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0274"n="262"/><fwplace="top"type="header">Kepler’s Geſetze.</fw><lb/>
unmittelbar mit dem Himmel ſelbſt zu vergleichen, und er über-<lb/>
zeugte ſich endlich durch zahlreiche und lange fortgeſetzte Rechnun-<lb/>
gen, daß beide mit einander nicht in dem Grade übereinſtimm-<lb/>
ten, wie man es wohl von Tycho’s Beobachtungen erwarten konnte,<lb/>
wenn anders jene Theorie ſelbſt der Wahrheit ganz gemäß ſeyn ſollte.</p><lb/><p>Es wurde bereits oben bemerkt, daß Copernicus durch ſein<lb/>
Syſtem eigentlich nur die zweite Ungleichheit der planetariſchen<lb/>
Bewegung erklärt, und zwar auf eine ſolche Weiſe erklärt hatte,<lb/>
daß daran nicht weiter gezweifelt, und daß <hirendition="#g">dieſe</hi> Sache für alle<lb/>
künftigen Zeiten als völlig abgethan betrachtet werden konnte.<lb/>
Aber die Erklärung der erſten Ungleichheit ward dadurch nicht ge-<lb/>
geben, und Copernicus hatte es in ſeinen Werken nicht einmal<lb/>
gewagt, ſie auch nur von ferne zu berühren. Dieſe erſte Ungleich-<lb/><choice><sic>beit</sic><corr>heit</corr></choice> beſteht vorzüglich darin, daß die Geſchwindigkeiten der Pla-<lb/>
neten, ſelbſt wenn ſie von der Sonne aus beobachtet werden,<lb/>
nicht gleichförmig ſind, wie ſie doch ſeyn müßten, wenn ſie ſich<lb/>
in Kreiſen bewegten, deren Mittelpunkt die Sonne einnimmt.<lb/>
Die Alten ſuchten dieſe Erſcheinungen, wie bereits oben geſagt<lb/>
wurde, dadurch zu erklären, daß ſie die Sonne <hirendition="#g">außer</hi> den<lb/>
Mittelpunkt jener Kreiſe verſetzten. Sie konnten durch dieſe<lb/>
excentriſchen Kreiſe allerdings dieſe Veränderungen der Geſchwin-<lb/>
digkeiten, ſo weit es die unvollkommenen Beobachtungen jener<lb/>
Zeit erforderten, darſtellen, aber ſie begegneten dadurch zugleich<lb/>
einer anderen Schwierigkeit, die ſich durch dieſes Hilfsmittel des<lb/>
excentriſchen Kreiſes nicht entfernen ließ, und die, wenn ſie ihm<lb/>
die Aufmerkſamkeit, die es verdiente, geſchenkt hätten, ſie allein<lb/>ſchon hätte überzeugen ſollen, daß ihre Erklärung nicht die wahre<lb/>ſey, und daß daher ihre excentriſchen Kreiſe als ganz unrichtig<lb/>
verworfen werden müſſen.</p><lb/><p>§. 129. (Veränderung der ſcheinbaren Durchmeſſer und der<lb/>
Geſchwindigkeiten der Planeten.) Man beobachtete nämlich, daß<lb/>
die Planeten zu derſelben Zeit, wo ihre heliocentriſche Geſchwin-<lb/>
digkeit am größten oder kleinſten iſt, auch zugleich, für ein Auge<lb/>
im Mittelpunkte der Sonne, am größten und kleinſten erſchienen.<lb/>
Am beſten ſah man dieß bei dem Monde, von dem auch die Alten<lb/>
annahmen, daß er ſich in einem Kreiſe bewege, deſſen Mittelpunkt<lb/>
die Erde einnimmt. Die größte ſtündliche Bewegung des Mon-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[262/0274]
Kepler’s Geſetze.
unmittelbar mit dem Himmel ſelbſt zu vergleichen, und er über-
zeugte ſich endlich durch zahlreiche und lange fortgeſetzte Rechnun-
gen, daß beide mit einander nicht in dem Grade übereinſtimm-
ten, wie man es wohl von Tycho’s Beobachtungen erwarten konnte,
wenn anders jene Theorie ſelbſt der Wahrheit ganz gemäß ſeyn ſollte.
Es wurde bereits oben bemerkt, daß Copernicus durch ſein
Syſtem eigentlich nur die zweite Ungleichheit der planetariſchen
Bewegung erklärt, und zwar auf eine ſolche Weiſe erklärt hatte,
daß daran nicht weiter gezweifelt, und daß dieſe Sache für alle
künftigen Zeiten als völlig abgethan betrachtet werden konnte.
Aber die Erklärung der erſten Ungleichheit ward dadurch nicht ge-
geben, und Copernicus hatte es in ſeinen Werken nicht einmal
gewagt, ſie auch nur von ferne zu berühren. Dieſe erſte Ungleich-
heit beſteht vorzüglich darin, daß die Geſchwindigkeiten der Pla-
neten, ſelbſt wenn ſie von der Sonne aus beobachtet werden,
nicht gleichförmig ſind, wie ſie doch ſeyn müßten, wenn ſie ſich
in Kreiſen bewegten, deren Mittelpunkt die Sonne einnimmt.
Die Alten ſuchten dieſe Erſcheinungen, wie bereits oben geſagt
wurde, dadurch zu erklären, daß ſie die Sonne außer den
Mittelpunkt jener Kreiſe verſetzten. Sie konnten durch dieſe
excentriſchen Kreiſe allerdings dieſe Veränderungen der Geſchwin-
digkeiten, ſo weit es die unvollkommenen Beobachtungen jener
Zeit erforderten, darſtellen, aber ſie begegneten dadurch zugleich
einer anderen Schwierigkeit, die ſich durch dieſes Hilfsmittel des
excentriſchen Kreiſes nicht entfernen ließ, und die, wenn ſie ihm
die Aufmerkſamkeit, die es verdiente, geſchenkt hätten, ſie allein
ſchon hätte überzeugen ſollen, daß ihre Erklärung nicht die wahre
ſey, und daß daher ihre excentriſchen Kreiſe als ganz unrichtig
verworfen werden müſſen.
§. 129. (Veränderung der ſcheinbaren Durchmeſſer und der
Geſchwindigkeiten der Planeten.) Man beobachtete nämlich, daß
die Planeten zu derſelben Zeit, wo ihre heliocentriſche Geſchwin-
digkeit am größten oder kleinſten iſt, auch zugleich, für ein Auge
im Mittelpunkte der Sonne, am größten und kleinſten erſchienen.
Am beſten ſah man dieß bei dem Monde, von dem auch die Alten
annahmen, daß er ſich in einem Kreiſe bewege, deſſen Mittelpunkt
die Erde einnimmt. Die größte ſtündliche Bewegung des Mon-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/274>, abgerufen am 29.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.