Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
Bahnen um die Sonne laufen, und endlich von diesen Gesetzen
sich bis zu dem Prinzip der allgemeinen Gravitation zu erheben,
zu jenem Grundgesetze des Himmels, durch welches alle jene so
mannigfaltig verwickelten Erscheinungen auf die einfachste und
vollständigste Weise erklärt werden.

Um von den Schwierigkeiten, mit welchen die Auflösung dieser
Aufgabe verbunden ist, den Lesern schon hier einen Begriff zu
geben, wollen wir bemerken, daß das Hauptgeschäft der Astrono-
men darin besteht, die uns zunächst umgebende Welt oder die
Körper unseres Sonnensystems näher kennen zu lernen; denn was
jenseits dieses Systems liegt, ist so weit von uns entfernt, daß
uns eine genauere Kenntniß desselben wohl immer versagt seyn
wird. Und wie weit sind sie in ihrer Kenntniß jener Körper ge-
kommen? -- Sie können von den meisten derselben den Ort,
welchen sie zu einer bestimmten Zeit am Himmel einnehmen
werden, auf mehrere Jahrhunderte vor- und rückwärts bis auf
den Durchmesser eines gewöhnlichen Menschenhaares mit Genauig-
keit angeben. Sie sind im Stande, ihr Fernrohr heute auf ihrer
Sternwarte so zu stellen, daß sie mit mathematischer Sicherheit
erwarten können, Jupiter oder irgend ein anderer Planet werde,
nach dem Verlaufe mehrerer Jahrhunderte, zu einer bestimmten
Secunde, in der Mitte dieses unverrückt gebliebenen Fernrohrs
erscheinen. Wem dieß unglaublich scheint, der mag nur bedenken,
daß dieselben Astronomen auch die Sonnenfinsternisse, d. h. die
Augenblicke, wo sich die Ränder der Sonne und des Mondes
eben in dem ersten Punkte berühren, bereits auf Jahrhunderte
voraus berechnet haben, und daß die Resultate dieser Berechnun-
gen mit den darauf folgenden Beobachtungen auf das Genaueste
übereinstimmen. Welche Kenntnisse und Vorarbeiten der ver-
schiedensten Art mögen aber erfordert werden, um dieses Ziel zu
erreichen?

Wir werden in der Folge sehen, daß jeder Körper der Natur
alle anderen im Verhältnisse seiner Masse, und verkehrt wie das
Quadrat seiner Entfernung von demselben, anzieht, und daß eben
in diesem Gesetze das erwähnte Prinzip der allgemeinen Schwere
besteht. Wenn bloß die Kraft der Sonne auf die Planeten wirkte,
so würden die letzten in reinen elliptischen Bahnen um die Sonne

Einleitung.
Bahnen um die Sonne laufen, und endlich von dieſen Geſetzen
ſich bis zu dem Prinzip der allgemeinen Gravitation zu erheben,
zu jenem Grundgeſetze des Himmels, durch welches alle jene ſo
mannigfaltig verwickelten Erſcheinungen auf die einfachſte und
vollſtändigſte Weiſe erklärt werden.

Um von den Schwierigkeiten, mit welchen die Auflöſung dieſer
Aufgabe verbunden iſt, den Leſern ſchon hier einen Begriff zu
geben, wollen wir bemerken, daß das Hauptgeſchäft der Aſtrono-
men darin beſteht, die uns zunächſt umgebende Welt oder die
Körper unſeres Sonnenſyſtems näher kennen zu lernen; denn was
jenſeits dieſes Syſtems liegt, iſt ſo weit von uns entfernt, daß
uns eine genauere Kenntniß deſſelben wohl immer verſagt ſeyn
wird. Und wie weit ſind ſie in ihrer Kenntniß jener Körper ge-
kommen? — Sie können von den meiſten derſelben den Ort,
welchen ſie zu einer beſtimmten Zeit am Himmel einnehmen
werden, auf mehrere Jahrhunderte vor- und rückwärts bis auf
den Durchmeſſer eines gewöhnlichen Menſchenhaares mit Genauig-
keit angeben. Sie ſind im Stande, ihr Fernrohr heute auf ihrer
Sternwarte ſo zu ſtellen, daß ſie mit mathematiſcher Sicherheit
erwarten können, Jupiter oder irgend ein anderer Planet werde,
nach dem Verlaufe mehrerer Jahrhunderte, zu einer beſtimmten
Secunde, in der Mitte dieſes unverrückt gebliebenen Fernrohrs
erſcheinen. Wem dieß unglaublich ſcheint, der mag nur bedenken,
daß dieſelben Aſtronomen auch die Sonnenfinſterniſſe, d. h. die
Augenblicke, wo ſich die Ränder der Sonne und des Mondes
eben in dem erſten Punkte berühren, bereits auf Jahrhunderte
voraus berechnet haben, und daß die Reſultate dieſer Berechnun-
gen mit den darauf folgenden Beobachtungen auf das Genaueſte
übereinſtimmen. Welche Kenntniſſe und Vorarbeiten der ver-
ſchiedenſten Art mögen aber erfordert werden, um dieſes Ziel zu
erreichen?

Wir werden in der Folge ſehen, daß jeder Körper der Natur
alle anderen im Verhältniſſe ſeiner Maſſe, und verkehrt wie das
Quadrat ſeiner Entfernung von demſelben, anzieht, und daß eben
in dieſem Geſetze das erwähnte Prinzip der allgemeinen Schwere
beſteht. Wenn bloß die Kraft der Sonne auf die Planeten wirkte,
ſo würden die letzten in reinen elliptiſchen Bahnen um die Sonne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0027" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
Bahnen um die Sonne laufen, und endlich von die&#x017F;en Ge&#x017F;etzen<lb/>
&#x017F;ich bis zu dem Prinzip der allgemeinen Gravitation zu erheben,<lb/>
zu jenem Grundge&#x017F;etze des Himmels, durch welches alle jene &#x017F;o<lb/>
mannigfaltig verwickelten Er&#x017F;cheinungen auf die einfach&#x017F;te und<lb/>
voll&#x017F;tändig&#x017F;te Wei&#x017F;e erklärt werden.</p><lb/>
        <p>Um von den Schwierigkeiten, mit welchen die Auflö&#x017F;ung die&#x017F;er<lb/>
Aufgabe verbunden i&#x017F;t, den Le&#x017F;ern &#x017F;chon hier einen Begriff zu<lb/>
geben, wollen wir bemerken, daß das Hauptge&#x017F;chäft der A&#x017F;trono-<lb/>
men darin be&#x017F;teht, die uns zunäch&#x017F;t umgebende Welt oder die<lb/>
Körper un&#x017F;eres Sonnen&#x017F;y&#x017F;tems näher kennen zu lernen; denn was<lb/>
jen&#x017F;eits die&#x017F;es Sy&#x017F;tems liegt, i&#x017F;t &#x017F;o weit von uns entfernt, daß<lb/>
uns eine genauere Kenntniß de&#x017F;&#x017F;elben wohl immer ver&#x017F;agt &#x017F;eyn<lb/>
wird. Und wie weit &#x017F;ind &#x017F;ie in ihrer Kenntniß jener Körper ge-<lb/>
kommen? &#x2014; Sie können von den mei&#x017F;ten der&#x017F;elben den Ort,<lb/>
welchen &#x017F;ie zu einer be&#x017F;timmten Zeit am Himmel einnehmen<lb/>
werden, auf mehrere Jahrhunderte vor- und rückwärts bis auf<lb/>
den Durchme&#x017F;&#x017F;er eines gewöhnlichen Men&#x017F;chenhaares mit Genauig-<lb/>
keit angeben. Sie &#x017F;ind im Stande, ihr Fernrohr heute auf ihrer<lb/>
Sternwarte &#x017F;o zu &#x017F;tellen, daß &#x017F;ie mit mathemati&#x017F;cher Sicherheit<lb/>
erwarten können, Jupiter oder irgend ein anderer Planet werde,<lb/>
nach dem Verlaufe mehrerer Jahrhunderte, zu einer be&#x017F;timmten<lb/>
Secunde, in der Mitte die&#x017F;es unverrückt gebliebenen Fernrohrs<lb/>
er&#x017F;cheinen. Wem dieß unglaublich &#x017F;cheint, der mag nur bedenken,<lb/>
daß die&#x017F;elben A&#x017F;tronomen auch die Sonnenfin&#x017F;terni&#x017F;&#x017F;e, d. h. die<lb/>
Augenblicke, wo &#x017F;ich die Ränder der Sonne und des Mondes<lb/>
eben in dem er&#x017F;ten Punkte berühren, bereits auf Jahrhunderte<lb/>
voraus berechnet haben, und daß die Re&#x017F;ultate die&#x017F;er Berechnun-<lb/>
gen mit den darauf folgenden Beobachtungen auf das Genaue&#x017F;te<lb/>
überein&#x017F;timmen. Welche Kenntni&#x017F;&#x017F;e und Vorarbeiten der ver-<lb/>
&#x017F;chieden&#x017F;ten Art mögen aber erfordert werden, um die&#x017F;es Ziel zu<lb/>
erreichen?</p><lb/>
        <p>Wir werden in der Folge &#x017F;ehen, daß jeder Körper der Natur<lb/>
alle anderen im Verhältni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;einer Ma&#x017F;&#x017F;e, und verkehrt wie das<lb/>
Quadrat &#x017F;einer Entfernung von dem&#x017F;elben, anzieht, und daß eben<lb/>
in die&#x017F;em Ge&#x017F;etze das erwähnte Prinzip der allgemeinen Schwere<lb/>
be&#x017F;teht. Wenn bloß die Kraft der Sonne auf die Planeten wirkte,<lb/>
&#x017F;o würden die letzten in reinen ellipti&#x017F;chen Bahnen um die Sonne<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0027] Einleitung. Bahnen um die Sonne laufen, und endlich von dieſen Geſetzen ſich bis zu dem Prinzip der allgemeinen Gravitation zu erheben, zu jenem Grundgeſetze des Himmels, durch welches alle jene ſo mannigfaltig verwickelten Erſcheinungen auf die einfachſte und vollſtändigſte Weiſe erklärt werden. Um von den Schwierigkeiten, mit welchen die Auflöſung dieſer Aufgabe verbunden iſt, den Leſern ſchon hier einen Begriff zu geben, wollen wir bemerken, daß das Hauptgeſchäft der Aſtrono- men darin beſteht, die uns zunächſt umgebende Welt oder die Körper unſeres Sonnenſyſtems näher kennen zu lernen; denn was jenſeits dieſes Syſtems liegt, iſt ſo weit von uns entfernt, daß uns eine genauere Kenntniß deſſelben wohl immer verſagt ſeyn wird. Und wie weit ſind ſie in ihrer Kenntniß jener Körper ge- kommen? — Sie können von den meiſten derſelben den Ort, welchen ſie zu einer beſtimmten Zeit am Himmel einnehmen werden, auf mehrere Jahrhunderte vor- und rückwärts bis auf den Durchmeſſer eines gewöhnlichen Menſchenhaares mit Genauig- keit angeben. Sie ſind im Stande, ihr Fernrohr heute auf ihrer Sternwarte ſo zu ſtellen, daß ſie mit mathematiſcher Sicherheit erwarten können, Jupiter oder irgend ein anderer Planet werde, nach dem Verlaufe mehrerer Jahrhunderte, zu einer beſtimmten Secunde, in der Mitte dieſes unverrückt gebliebenen Fernrohrs erſcheinen. Wem dieß unglaublich ſcheint, der mag nur bedenken, daß dieſelben Aſtronomen auch die Sonnenfinſterniſſe, d. h. die Augenblicke, wo ſich die Ränder der Sonne und des Mondes eben in dem erſten Punkte berühren, bereits auf Jahrhunderte voraus berechnet haben, und daß die Reſultate dieſer Berechnun- gen mit den darauf folgenden Beobachtungen auf das Genaueſte übereinſtimmen. Welche Kenntniſſe und Vorarbeiten der ver- ſchiedenſten Art mögen aber erfordert werden, um dieſes Ziel zu erreichen? Wir werden in der Folge ſehen, daß jeder Körper der Natur alle anderen im Verhältniſſe ſeiner Maſſe, und verkehrt wie das Quadrat ſeiner Entfernung von demſelben, anzieht, und daß eben in dieſem Geſetze das erwähnte Prinzip der allgemeinen Schwere beſteht. Wenn bloß die Kraft der Sonne auf die Planeten wirkte, ſo würden die letzten in reinen elliptiſchen Bahnen um die Sonne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/27
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/27>, abgerufen am 21.11.2024.