Bahnen um die Sonne laufen, und endlich von diesen Gesetzen sich bis zu dem Prinzip der allgemeinen Gravitation zu erheben, zu jenem Grundgesetze des Himmels, durch welches alle jene so mannigfaltig verwickelten Erscheinungen auf die einfachste und vollständigste Weise erklärt werden.
Um von den Schwierigkeiten, mit welchen die Auflösung dieser Aufgabe verbunden ist, den Lesern schon hier einen Begriff zu geben, wollen wir bemerken, daß das Hauptgeschäft der Astrono- men darin besteht, die uns zunächst umgebende Welt oder die Körper unseres Sonnensystems näher kennen zu lernen; denn was jenseits dieses Systems liegt, ist so weit von uns entfernt, daß uns eine genauere Kenntniß desselben wohl immer versagt seyn wird. Und wie weit sind sie in ihrer Kenntniß jener Körper ge- kommen? -- Sie können von den meisten derselben den Ort, welchen sie zu einer bestimmten Zeit am Himmel einnehmen werden, auf mehrere Jahrhunderte vor- und rückwärts bis auf den Durchmesser eines gewöhnlichen Menschenhaares mit Genauig- keit angeben. Sie sind im Stande, ihr Fernrohr heute auf ihrer Sternwarte so zu stellen, daß sie mit mathematischer Sicherheit erwarten können, Jupiter oder irgend ein anderer Planet werde, nach dem Verlaufe mehrerer Jahrhunderte, zu einer bestimmten Secunde, in der Mitte dieses unverrückt gebliebenen Fernrohrs erscheinen. Wem dieß unglaublich scheint, der mag nur bedenken, daß dieselben Astronomen auch die Sonnenfinsternisse, d. h. die Augenblicke, wo sich die Ränder der Sonne und des Mondes eben in dem ersten Punkte berühren, bereits auf Jahrhunderte voraus berechnet haben, und daß die Resultate dieser Berechnun- gen mit den darauf folgenden Beobachtungen auf das Genaueste übereinstimmen. Welche Kenntnisse und Vorarbeiten der ver- schiedensten Art mögen aber erfordert werden, um dieses Ziel zu erreichen?
Wir werden in der Folge sehen, daß jeder Körper der Natur alle anderen im Verhältnisse seiner Masse, und verkehrt wie das Quadrat seiner Entfernung von demselben, anzieht, und daß eben in diesem Gesetze das erwähnte Prinzip der allgemeinen Schwere besteht. Wenn bloß die Kraft der Sonne auf die Planeten wirkte, so würden die letzten in reinen elliptischen Bahnen um die Sonne
Einleitung.
Bahnen um die Sonne laufen, und endlich von dieſen Geſetzen ſich bis zu dem Prinzip der allgemeinen Gravitation zu erheben, zu jenem Grundgeſetze des Himmels, durch welches alle jene ſo mannigfaltig verwickelten Erſcheinungen auf die einfachſte und vollſtändigſte Weiſe erklärt werden.
Um von den Schwierigkeiten, mit welchen die Auflöſung dieſer Aufgabe verbunden iſt, den Leſern ſchon hier einen Begriff zu geben, wollen wir bemerken, daß das Hauptgeſchäft der Aſtrono- men darin beſteht, die uns zunächſt umgebende Welt oder die Körper unſeres Sonnenſyſtems näher kennen zu lernen; denn was jenſeits dieſes Syſtems liegt, iſt ſo weit von uns entfernt, daß uns eine genauere Kenntniß deſſelben wohl immer verſagt ſeyn wird. Und wie weit ſind ſie in ihrer Kenntniß jener Körper ge- kommen? — Sie können von den meiſten derſelben den Ort, welchen ſie zu einer beſtimmten Zeit am Himmel einnehmen werden, auf mehrere Jahrhunderte vor- und rückwärts bis auf den Durchmeſſer eines gewöhnlichen Menſchenhaares mit Genauig- keit angeben. Sie ſind im Stande, ihr Fernrohr heute auf ihrer Sternwarte ſo zu ſtellen, daß ſie mit mathematiſcher Sicherheit erwarten können, Jupiter oder irgend ein anderer Planet werde, nach dem Verlaufe mehrerer Jahrhunderte, zu einer beſtimmten Secunde, in der Mitte dieſes unverrückt gebliebenen Fernrohrs erſcheinen. Wem dieß unglaublich ſcheint, der mag nur bedenken, daß dieſelben Aſtronomen auch die Sonnenfinſterniſſe, d. h. die Augenblicke, wo ſich die Ränder der Sonne und des Mondes eben in dem erſten Punkte berühren, bereits auf Jahrhunderte voraus berechnet haben, und daß die Reſultate dieſer Berechnun- gen mit den darauf folgenden Beobachtungen auf das Genaueſte übereinſtimmen. Welche Kenntniſſe und Vorarbeiten der ver- ſchiedenſten Art mögen aber erfordert werden, um dieſes Ziel zu erreichen?
Wir werden in der Folge ſehen, daß jeder Körper der Natur alle anderen im Verhältniſſe ſeiner Maſſe, und verkehrt wie das Quadrat ſeiner Entfernung von demſelben, anzieht, und daß eben in dieſem Geſetze das erwähnte Prinzip der allgemeinen Schwere beſteht. Wenn bloß die Kraft der Sonne auf die Planeten wirkte, ſo würden die letzten in reinen elliptiſchen Bahnen um die Sonne
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0027"n="15"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
Bahnen um die Sonne laufen, und endlich von dieſen Geſetzen<lb/>ſich bis zu dem Prinzip der allgemeinen Gravitation zu erheben,<lb/>
zu jenem Grundgeſetze des Himmels, durch welches alle jene ſo<lb/>
mannigfaltig verwickelten Erſcheinungen auf die einfachſte und<lb/>
vollſtändigſte Weiſe erklärt werden.</p><lb/><p>Um von den Schwierigkeiten, mit welchen die Auflöſung dieſer<lb/>
Aufgabe verbunden iſt, den Leſern ſchon hier einen Begriff zu<lb/>
geben, wollen wir bemerken, daß das Hauptgeſchäft der Aſtrono-<lb/>
men darin beſteht, die uns zunächſt umgebende Welt oder die<lb/>
Körper unſeres Sonnenſyſtems näher kennen zu lernen; denn was<lb/>
jenſeits dieſes Syſtems liegt, iſt ſo weit von uns entfernt, daß<lb/>
uns eine genauere Kenntniß deſſelben wohl immer verſagt ſeyn<lb/>
wird. Und wie weit ſind ſie in ihrer Kenntniß jener Körper ge-<lb/>
kommen? — Sie können von den meiſten derſelben den Ort,<lb/>
welchen ſie zu einer beſtimmten Zeit am Himmel einnehmen<lb/>
werden, auf mehrere Jahrhunderte vor- und rückwärts bis auf<lb/>
den Durchmeſſer eines gewöhnlichen Menſchenhaares mit Genauig-<lb/>
keit angeben. Sie ſind im Stande, ihr Fernrohr heute auf ihrer<lb/>
Sternwarte ſo zu ſtellen, daß ſie mit mathematiſcher Sicherheit<lb/>
erwarten können, Jupiter oder irgend ein anderer Planet werde,<lb/>
nach dem Verlaufe mehrerer Jahrhunderte, zu einer beſtimmten<lb/>
Secunde, in der Mitte dieſes unverrückt gebliebenen Fernrohrs<lb/>
erſcheinen. Wem dieß unglaublich ſcheint, der mag nur bedenken,<lb/>
daß dieſelben Aſtronomen auch die Sonnenfinſterniſſe, d. h. die<lb/>
Augenblicke, wo ſich die Ränder der Sonne und des Mondes<lb/>
eben in dem erſten Punkte berühren, bereits auf Jahrhunderte<lb/>
voraus berechnet haben, und daß die Reſultate dieſer Berechnun-<lb/>
gen mit den darauf folgenden Beobachtungen auf das Genaueſte<lb/>
übereinſtimmen. Welche Kenntniſſe und Vorarbeiten der ver-<lb/>ſchiedenſten Art mögen aber erfordert werden, um dieſes Ziel zu<lb/>
erreichen?</p><lb/><p>Wir werden in der Folge ſehen, daß jeder Körper der Natur<lb/>
alle anderen im Verhältniſſe ſeiner Maſſe, und verkehrt wie das<lb/>
Quadrat ſeiner Entfernung von demſelben, anzieht, und daß eben<lb/>
in dieſem Geſetze das erwähnte Prinzip der allgemeinen Schwere<lb/>
beſteht. Wenn bloß die Kraft der Sonne auf die Planeten wirkte,<lb/>ſo würden die letzten in reinen elliptiſchen Bahnen um die Sonne<lb/></p></div></body></text></TEI>
[15/0027]
Einleitung.
Bahnen um die Sonne laufen, und endlich von dieſen Geſetzen
ſich bis zu dem Prinzip der allgemeinen Gravitation zu erheben,
zu jenem Grundgeſetze des Himmels, durch welches alle jene ſo
mannigfaltig verwickelten Erſcheinungen auf die einfachſte und
vollſtändigſte Weiſe erklärt werden.
Um von den Schwierigkeiten, mit welchen die Auflöſung dieſer
Aufgabe verbunden iſt, den Leſern ſchon hier einen Begriff zu
geben, wollen wir bemerken, daß das Hauptgeſchäft der Aſtrono-
men darin beſteht, die uns zunächſt umgebende Welt oder die
Körper unſeres Sonnenſyſtems näher kennen zu lernen; denn was
jenſeits dieſes Syſtems liegt, iſt ſo weit von uns entfernt, daß
uns eine genauere Kenntniß deſſelben wohl immer verſagt ſeyn
wird. Und wie weit ſind ſie in ihrer Kenntniß jener Körper ge-
kommen? — Sie können von den meiſten derſelben den Ort,
welchen ſie zu einer beſtimmten Zeit am Himmel einnehmen
werden, auf mehrere Jahrhunderte vor- und rückwärts bis auf
den Durchmeſſer eines gewöhnlichen Menſchenhaares mit Genauig-
keit angeben. Sie ſind im Stande, ihr Fernrohr heute auf ihrer
Sternwarte ſo zu ſtellen, daß ſie mit mathematiſcher Sicherheit
erwarten können, Jupiter oder irgend ein anderer Planet werde,
nach dem Verlaufe mehrerer Jahrhunderte, zu einer beſtimmten
Secunde, in der Mitte dieſes unverrückt gebliebenen Fernrohrs
erſcheinen. Wem dieß unglaublich ſcheint, der mag nur bedenken,
daß dieſelben Aſtronomen auch die Sonnenfinſterniſſe, d. h. die
Augenblicke, wo ſich die Ränder der Sonne und des Mondes
eben in dem erſten Punkte berühren, bereits auf Jahrhunderte
voraus berechnet haben, und daß die Reſultate dieſer Berechnun-
gen mit den darauf folgenden Beobachtungen auf das Genaueſte
übereinſtimmen. Welche Kenntniſſe und Vorarbeiten der ver-
ſchiedenſten Art mögen aber erfordert werden, um dieſes Ziel zu
erreichen?
Wir werden in der Folge ſehen, daß jeder Körper der Natur
alle anderen im Verhältniſſe ſeiner Maſſe, und verkehrt wie das
Quadrat ſeiner Entfernung von demſelben, anzieht, und daß eben
in dieſem Geſetze das erwähnte Prinzip der allgemeinen Schwere
beſteht. Wenn bloß die Kraft der Sonne auf die Planeten wirkte,
ſo würden die letzten in reinen elliptiſchen Bahnen um die Sonne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/27>, abgerufen am 29.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.