Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Planetensysteme.
sich führt. Die neue Gestalt, welche die Wissenschaft durch jene
Entdeckung erhalten hat, ist nicht eine von den vorübergehenden,
die mit jedem Jahrhundert wechselt, und die vielleicht durch künf-
tige Beobachtungen verdrängt, durch andere, höhere Entdeckungen
wieder verdunkelt zu werden fürchten darf; sie ist eine für alle
Folgezeiten bleibende Gestalt, die durch jede neue Beobachtung
auch eine neue Bestätigung ihrer Wahrheit erhalten wird, und
an deren innerer Richtigkeit zu zweifeln fortan keinem Vernünf-
tigen mehr erlaubt seyn kann, da es wohl unter allen unsern so-
genannten menschlichen Wahrheiten kaum eine einzige geben mag,
die so oft und so sorgfältig geprüft, die von allen Seiten, und
die seit beinahe drei vollen Jahrhunderten durch so viele Tausende
von Beobachtungen bestätigt wäre, als eben sie.

§. 114. (Heliocentrischer und geocentrischer Ort der Planeten.)
Da also die Bewegung der Planeten, die, aus dem veränderlichen
Standpunkt der Erde betrachtet, so äußerst verwickelt erscheint,
aus dem wahren Centralpunkte aller Planetenbahnen, aus dem
Mittelpunkte der Sonne, so einfach sich darstellt, so wird es, zur
nähern Kenntniß dieser Bewegungen, sehr angemessen seyn, eine
Methode zu suchen, durch welche man den von der Erde gesehenen,
oder den durch unmittelbare Beobachtungen gegebenen geocen-
trischen
Ort des Planeten in den von der Sonne gesehenen oder
in den heliocentrischen Ort desselben verwandeln kann. Sey
also S (Fig. 8.) die Sonne, T die Erde und P der Planet.
Zieht man durch T die Linie T A parallel mit der Linie S S,
die durch die Sonne und durch den Punkt der Frühlingsnachtgleiche
geht, so wird, wegen der hier als unendlich weit vorausgesetzten
Entfernung der Fixsterne, S S T die heliocentrische Länge der
Erde, S S P die heliocentrische Länge des Planeten, und A T P die
geocentrische Länge des Planeten seyn. Zieht man endlich noch
durch S die Linie S B parallel mit T P, so wird auch der Winkel
S S B = A T P die geocentrische Länge des Planeten ausdrücken.

Man beschreibe daher mit dem größten Halbmesser, den z.
B. die Ebene einer Tafel verträgt, aus dem Mittelpunkte S
einen Kreis S , der die in Grade getheilte Ecliptik an
der von der Sonne oder von der Erde unendlich weit entfernten
Fläche des Himmels vorstellt. Aus demselben Mittelpunkte S

16 *

Planetenſyſteme.
ſich führt. Die neue Geſtalt, welche die Wiſſenſchaft durch jene
Entdeckung erhalten hat, iſt nicht eine von den vorübergehenden,
die mit jedem Jahrhundert wechſelt, und die vielleicht durch künf-
tige Beobachtungen verdrängt, durch andere, höhere Entdeckungen
wieder verdunkelt zu werden fürchten darf; ſie iſt eine für alle
Folgezeiten bleibende Geſtalt, die durch jede neue Beobachtung
auch eine neue Beſtätigung ihrer Wahrheit erhalten wird, und
an deren innerer Richtigkeit zu zweifeln fortan keinem Vernünf-
tigen mehr erlaubt ſeyn kann, da es wohl unter allen unſern ſo-
genannten menſchlichen Wahrheiten kaum eine einzige geben mag,
die ſo oft und ſo ſorgfältig geprüft, die von allen Seiten, und
die ſeit beinahe drei vollen Jahrhunderten durch ſo viele Tauſende
von Beobachtungen beſtätigt wäre, als eben ſie.

§. 114. (Heliocentriſcher und geocentriſcher Ort der Planeten.)
Da alſo die Bewegung der Planeten, die, aus dem veränderlichen
Standpunkt der Erde betrachtet, ſo äußerſt verwickelt erſcheint,
aus dem wahren Centralpunkte aller Planetenbahnen, aus dem
Mittelpunkte der Sonne, ſo einfach ſich darſtellt, ſo wird es, zur
nähern Kenntniß dieſer Bewegungen, ſehr angemeſſen ſeyn, eine
Methode zu ſuchen, durch welche man den von der Erde geſehenen,
oder den durch unmittelbare Beobachtungen gegebenen geocen-
triſchen
Ort des Planeten in den von der Sonne geſehenen oder
in den heliocentriſchen Ort deſſelben verwandeln kann. Sey
alſo S (Fig. 8.) die Sonne, T die Erde und P der Planet.
Zieht man durch T die Linie T A parallel mit der Linie S S,
die durch die Sonne und durch den Punkt der Frühlingsnachtgleiche
geht, ſo wird, wegen der hier als unendlich weit vorausgeſetzten
Entfernung der Fixſterne, S S T die heliocentriſche Länge der
Erde, S S P die heliocentriſche Länge des Planeten, und A T P die
geocentriſche Länge des Planeten ſeyn. Zieht man endlich noch
durch S die Linie S B parallel mit T P, ſo wird auch der Winkel
S S B = A T P die geocentriſche Länge des Planeten ausdrücken.

Man beſchreibe daher mit dem größten Halbmeſſer, den z.
B. die Ebene einer Tafel verträgt, aus dem Mittelpunkte S
einen Kreis S ♋ ♎ ♑, der die in Grade getheilte Ecliptik an
der von der Sonne oder von der Erde unendlich weit entfernten
Fläche des Himmels vorſtellt. Aus demſelben Mittelpunkte S

16 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0255" n="243"/><fw place="top" type="header">Planeten&#x017F;y&#x017F;teme.</fw><lb/>
&#x017F;ich führt. Die neue Ge&#x017F;talt, welche die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft durch jene<lb/>
Entdeckung erhalten hat, i&#x017F;t nicht eine von den vorübergehenden,<lb/>
die mit jedem Jahrhundert wech&#x017F;elt, und die vielleicht durch künf-<lb/>
tige Beobachtungen verdrängt, durch andere, höhere Entdeckungen<lb/>
wieder verdunkelt zu werden fürchten darf; &#x017F;ie i&#x017F;t eine für alle<lb/>
Folgezeiten bleibende Ge&#x017F;talt, die durch jede neue Beobachtung<lb/>
auch eine neue Be&#x017F;tätigung ihrer Wahrheit erhalten wird, und<lb/>
an deren innerer Richtigkeit zu zweifeln fortan keinem Vernünf-<lb/>
tigen mehr erlaubt &#x017F;eyn kann, da es wohl unter allen un&#x017F;ern &#x017F;o-<lb/>
genannten men&#x017F;chlichen Wahrheiten kaum eine einzige geben mag,<lb/>
die &#x017F;o oft und &#x017F;o &#x017F;orgfältig geprüft, die von allen Seiten, und<lb/>
die &#x017F;eit beinahe drei vollen Jahrhunderten durch &#x017F;o viele Tau&#x017F;ende<lb/>
von Beobachtungen be&#x017F;tätigt wäre, als eben &#x017F;ie.</p><lb/>
          <p>§. 114. (Heliocentri&#x017F;cher und geocentri&#x017F;cher Ort der Planeten.)<lb/>
Da al&#x017F;o die Bewegung der Planeten, die, aus dem veränderlichen<lb/>
Standpunkt der Erde betrachtet, &#x017F;o äußer&#x017F;t verwickelt er&#x017F;cheint,<lb/>
aus dem wahren Centralpunkte aller Planetenbahnen, aus dem<lb/>
Mittelpunkte der Sonne, &#x017F;o einfach &#x017F;ich dar&#x017F;tellt, &#x017F;o wird es, zur<lb/>
nähern Kenntniß die&#x017F;er Bewegungen, &#x017F;ehr angeme&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn, eine<lb/>
Methode zu &#x017F;uchen, durch welche man den von der Erde ge&#x017F;ehenen,<lb/>
oder den durch unmittelbare Beobachtungen gegebenen <hi rendition="#g">geocen-<lb/>
tri&#x017F;chen</hi> Ort des Planeten in den von der Sonne ge&#x017F;ehenen oder<lb/>
in den <hi rendition="#g">heliocentri&#x017F;chen</hi> Ort de&#x017F;&#x017F;elben verwandeln kann. Sey<lb/>
al&#x017F;o <hi rendition="#aq">S</hi> (Fig. 8.) die Sonne, <hi rendition="#aq">T</hi> die Erde und <hi rendition="#aq">P</hi> der Planet.<lb/>
Zieht man durch <hi rendition="#aq">T</hi> die Linie <hi rendition="#aq">T A</hi> parallel mit der Linie <hi rendition="#aq">S</hi> S,<lb/>
die durch die Sonne und durch den Punkt der Frühlingsnachtgleiche<lb/>
geht, &#x017F;o wird, wegen der hier als unendlich weit vorausge&#x017F;etzten<lb/>
Entfernung der Fix&#x017F;terne, S <hi rendition="#aq">S T</hi> die heliocentri&#x017F;che Länge der<lb/>
Erde, S <hi rendition="#aq">S P</hi> die heliocentri&#x017F;che Länge des Planeten, und <hi rendition="#aq">A T P</hi> die<lb/>
geocentri&#x017F;che Länge des Planeten &#x017F;eyn. Zieht man endlich noch<lb/>
durch <hi rendition="#aq">S</hi> die Linie <hi rendition="#aq">S B</hi> parallel mit <hi rendition="#aq">T P</hi>, &#x017F;o wird auch der Winkel<lb/>
S <hi rendition="#aq">S B = A T P</hi> die geocentri&#x017F;che Länge des Planeten ausdrücken.</p><lb/>
          <p>Man be&#x017F;chreibe daher mit dem größten Halbme&#x017F;&#x017F;er, den z.<lb/>
B. die Ebene einer Tafel verträgt, aus dem Mittelpunkte <hi rendition="#aq">S</hi><lb/>
einen Kreis S &#x264B; &#x264E; &#x2651;, der die in Grade getheilte Ecliptik an<lb/>
der von der Sonne oder von der Erde unendlich weit entfernten<lb/>
Fläche des Himmels vor&#x017F;tellt. Aus dem&#x017F;elben Mittelpunkte <hi rendition="#aq">S</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">16 *</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0255] Planetenſyſteme. ſich führt. Die neue Geſtalt, welche die Wiſſenſchaft durch jene Entdeckung erhalten hat, iſt nicht eine von den vorübergehenden, die mit jedem Jahrhundert wechſelt, und die vielleicht durch künf- tige Beobachtungen verdrängt, durch andere, höhere Entdeckungen wieder verdunkelt zu werden fürchten darf; ſie iſt eine für alle Folgezeiten bleibende Geſtalt, die durch jede neue Beobachtung auch eine neue Beſtätigung ihrer Wahrheit erhalten wird, und an deren innerer Richtigkeit zu zweifeln fortan keinem Vernünf- tigen mehr erlaubt ſeyn kann, da es wohl unter allen unſern ſo- genannten menſchlichen Wahrheiten kaum eine einzige geben mag, die ſo oft und ſo ſorgfältig geprüft, die von allen Seiten, und die ſeit beinahe drei vollen Jahrhunderten durch ſo viele Tauſende von Beobachtungen beſtätigt wäre, als eben ſie. §. 114. (Heliocentriſcher und geocentriſcher Ort der Planeten.) Da alſo die Bewegung der Planeten, die, aus dem veränderlichen Standpunkt der Erde betrachtet, ſo äußerſt verwickelt erſcheint, aus dem wahren Centralpunkte aller Planetenbahnen, aus dem Mittelpunkte der Sonne, ſo einfach ſich darſtellt, ſo wird es, zur nähern Kenntniß dieſer Bewegungen, ſehr angemeſſen ſeyn, eine Methode zu ſuchen, durch welche man den von der Erde geſehenen, oder den durch unmittelbare Beobachtungen gegebenen geocen- triſchen Ort des Planeten in den von der Sonne geſehenen oder in den heliocentriſchen Ort deſſelben verwandeln kann. Sey alſo S (Fig. 8.) die Sonne, T die Erde und P der Planet. Zieht man durch T die Linie T A parallel mit der Linie S S, die durch die Sonne und durch den Punkt der Frühlingsnachtgleiche geht, ſo wird, wegen der hier als unendlich weit vorausgeſetzten Entfernung der Fixſterne, S S T die heliocentriſche Länge der Erde, S S P die heliocentriſche Länge des Planeten, und A T P die geocentriſche Länge des Planeten ſeyn. Zieht man endlich noch durch S die Linie S B parallel mit T P, ſo wird auch der Winkel S S B = A T P die geocentriſche Länge des Planeten ausdrücken. Man beſchreibe daher mit dem größten Halbmeſſer, den z. B. die Ebene einer Tafel verträgt, aus dem Mittelpunkte S einen Kreis S ♋ ♎ ♑, der die in Grade getheilte Ecliptik an der von der Sonne oder von der Erde unendlich weit entfernten Fläche des Himmels vorſtellt. Aus demſelben Mittelpunkte S 16 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/255
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/255>, abgerufen am 24.11.2024.