Wir werden bald sehen, welche Gelegenheiten zu diesem Nach- denken uns die Astronomie beinahe auf allen ihren Blättern darbietet. Wie sollte sie auch nicht, da sie das Größte und Höchste enthält, was dem Menschen als Gegenstand seiner Forschung ge- geben werden kann. Sie soll uns, nach dem Ausspruche jenes alten Weisen, lehren, "wie die Himmel die Ehre dessen erzäh- len, der sie gemacht hat." Welche schönere Genüsse, welche erha- benere Betrachtungen könnte selbst ein Seraph zu den seinigen wählen! Wenn es uns auch nicht vergönnt ist, mit dem Blicke dieser höheren Geister, bis in das Innere des Heiligthumes der Natur, bis dorthin zu dringen,
Ou les confidens du Tres-Haut, ces substances eternelles Parent de ses feux et couvrent de ses ailes Le trone, ou leur Maeitre est assis parmi eux,
so wollen wir doch, so viel an uns ist, diesem hohen Ziele näher zu kommen, und unsern eigenen Geist durch die uns mögliche Erkenntniß jener Gegenstände zu erheben und zu veredeln suchen.
Ehe wir uns aber zu diesem Geschäfte anschicken, wird es nöthig seyn, uns zuerst von den Vorurtheilen zu befreien, die uns von unserer ersten Jugend an umgeben, und die reine Ansicht der großen Werke der Natur unmöglich machen. Und auch dazu wird uns diese Wissenschaft selbst die beste Gelegenheit geben. Denn beinahe alle ihre Lehren stehen im geraden Widerspruche mit den Meinungen der großen Menge, ja selbst mit den unmittelbaren Eindrücken unserer Sinne. So scheint uns die Erde, auf der wir stehen, so fest und wohlgegründet, daß sie in beinahe allen unsern Sprachen zum Symbol der Stetigkeit geworden ist, wäh- rend sie doch mit allem, was in und auf ihr ist, selbst mit dem sie umgebenden Luftmeere, täglich, wie ein Kreisel, um ihre eigene Axe, und jährlich von einer unsichtbaren Hand um die Sonne mit einer Geschwindigkeit geführt wird, die weit vor jener voraus ist, welche wir den Körpern der Erde durch die Kraft des Pulvers oder der Dämpfe geben können. Der Mond und die Sonne er- scheinen uns als kreisrunde Scheiben von nur mäßiger Größe und Entfernung; da doch jener über fünfzig Tausend, und diese über zwanzig Millionen d. Meilen von uns absteht, und überdieß diese unsere Erde selbst über anderthalb Millionenmal an körper-
Einleitung.
Wir werden bald ſehen, welche Gelegenheiten zu dieſem Nach- denken uns die Aſtronomie beinahe auf allen ihren Blättern darbietet. Wie ſollte ſie auch nicht, da ſie das Größte und Höchſte enthält, was dem Menſchen als Gegenſtand ſeiner Forſchung ge- geben werden kann. Sie ſoll uns, nach dem Ausſpruche jenes alten Weiſen, lehren, „wie die Himmel die Ehre deſſen erzäh- len, der ſie gemacht hat.“ Welche ſchönere Genüſſe, welche erha- benere Betrachtungen könnte ſelbſt ein Seraph zu den ſeinigen wählen! Wenn es uns auch nicht vergönnt iſt, mit dem Blicke dieſer höheren Geiſter, bis in das Innere des Heiligthumes der Natur, bis dorthin zu dringen,
Où les confidens du Très-Haut, ces substances éternelles Parent de ses feux et couvrent de ses ailes Le trône, où leur Maître est assis parmi eux,
ſo wollen wir doch, ſo viel an uns iſt, dieſem hohen Ziele näher zu kommen, und unſern eigenen Geiſt durch die uns mögliche Erkenntniß jener Gegenſtände zu erheben und zu veredeln ſuchen.
Ehe wir uns aber zu dieſem Geſchäfte anſchicken, wird es nöthig ſeyn, uns zuerſt von den Vorurtheilen zu befreien, die uns von unſerer erſten Jugend an umgeben, und die reine Anſicht der großen Werke der Natur unmöglich machen. Und auch dazu wird uns dieſe Wiſſenſchaft ſelbſt die beſte Gelegenheit geben. Denn beinahe alle ihre Lehren ſtehen im geraden Widerſpruche mit den Meinungen der großen Menge, ja ſelbſt mit den unmittelbaren Eindrücken unſerer Sinne. So ſcheint uns die Erde, auf der wir ſtehen, ſo feſt und wohlgegründet, daß ſie in beinahe allen unſern Sprachen zum Symbol der Stetigkeit geworden iſt, wäh- rend ſie doch mit allem, was in und auf ihr iſt, ſelbſt mit dem ſie umgebenden Luftmeere, täglich, wie ein Kreiſel, um ihre eigene Axe, und jährlich von einer unſichtbaren Hand um die Sonne mit einer Geſchwindigkeit geführt wird, die weit vor jener voraus iſt, welche wir den Körpern der Erde durch die Kraft des Pulvers oder der Dämpfe geben können. Der Mond und die Sonne er- ſcheinen uns als kreisrunde Scheiben von nur mäßiger Größe und Entfernung; da doch jener über fünfzig Tauſend, und dieſe über zwanzig Millionen d. Meilen von uns abſteht, und überdieß dieſe unſere Erde ſelbſt über anderthalb Millionenmal an körper-
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Einleitung.
Wir werden bald ſehen, welche Gelegenheiten zu dieſem Nach-
denken uns die Aſtronomie beinahe auf allen ihren Blättern
darbietet. Wie ſollte ſie auch nicht, da ſie das Größte und Höchſte
enthält, was dem Menſchen als Gegenſtand ſeiner Forſchung ge-
geben werden kann. Sie ſoll uns, nach dem Ausſpruche jenes
alten Weiſen, lehren, „wie die Himmel die Ehre deſſen erzäh-
len, der ſie gemacht hat.“ Welche ſchönere Genüſſe, welche erha-
benere Betrachtungen könnte ſelbſt ein Seraph zu den ſeinigen
wählen! Wenn es uns auch nicht vergönnt iſt, mit dem Blicke
dieſer höheren Geiſter, bis in das Innere des Heiligthumes der
Natur, bis dorthin zu dringen,
Où les confidens du Très-Haut, ces substances éternelles
Parent de ses feux et couvrent de ses ailes
Le trône, où leur Maître est assis parmi eux,
ſo wollen wir doch, ſo viel an uns iſt, dieſem hohen Ziele näher
zu kommen, und unſern eigenen Geiſt durch die uns mögliche
Erkenntniß jener Gegenſtände zu erheben und zu veredeln ſuchen.
Ehe wir uns aber zu dieſem Geſchäfte anſchicken, wird es
nöthig ſeyn, uns zuerſt von den Vorurtheilen zu befreien, die uns
von unſerer erſten Jugend an umgeben, und die reine Anſicht der
großen Werke der Natur unmöglich machen. Und auch dazu wird
uns dieſe Wiſſenſchaft ſelbſt die beſte Gelegenheit geben. Denn
beinahe alle ihre Lehren ſtehen im geraden Widerſpruche mit den
Meinungen der großen Menge, ja ſelbſt mit den unmittelbaren
Eindrücken unſerer Sinne. So ſcheint uns die Erde, auf der
wir ſtehen, ſo feſt und wohlgegründet, daß ſie in beinahe allen
unſern Sprachen zum Symbol der Stetigkeit geworden iſt, wäh-
rend ſie doch mit allem, was in und auf ihr iſt, ſelbſt mit dem
ſie umgebenden Luftmeere, täglich, wie ein Kreiſel, um ihre eigene
Axe, und jährlich von einer unſichtbaren Hand um die Sonne
mit einer Geſchwindigkeit geführt wird, die weit vor jener voraus
iſt, welche wir den Körpern der Erde durch die Kraft des Pulvers
oder der Dämpfe geben können. Der Mond und die Sonne er-
ſcheinen uns als kreisrunde Scheiben von nur mäßiger Größe
und Entfernung; da doch jener über fünfzig Tauſend, und dieſe
über zwanzig Millionen d. Meilen von uns abſteht, und überdieß
dieſe unſere Erde ſelbſt über anderthalb Millionenmal an körper-
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/25>, abgerufen am 16.02.2025.
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