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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Planetensysteme.
in seinem Epicykel einhergehende Planet in der That im Welt-
raume beschreibt? Und dieser verworrenen Linie, voll Knoten und
Schlingen, ungeachtet, soll derselbe Planet doch täglich einmal mit
allen Fixsternen in derselben Zeit um die Erde laufen. Darf man
sich noch verwundern, daß die Alten, vor der Complication aller
dieser so wunderbar in einander verschlungenen Bewegungen selbst
zurückschreckend, endlich auf den Einfall geriethen, jedem Planeten
einen geistigen Führer, eine höhere Intelligenz, zuzuordnen, der
sie, damit sie sich auf ihren labyrinthischen Bahnen, nicht verirren,
mit unsichtbarer Hand durch die Himmel steuern mußte? Und sie
kannten nur die größeren Ungleichheiten dieser Himmelskörper, die
wenigstens ganze Grade betrugen, und denen sie auf diese Weise
entgegen kommen wollten. Was würden sie gethan haben, wenn
sie auch die unzähligen kleineren Anomalien, die unsere genaueren
Instrumente kennen gelehrt haben, wenn sie die Aberration, die
Nutation, die Präcession, und die tausend kleineren Perturbationen,
welche die Planeten unter einander bewirken, auf dieselbe Weise
hätten darstellen wollen. Welche unübersehbare Anhäufung von
Epicykeln würden wir nöthig haben, um nur diejenigen Ungleich-
heiten, die über eine Minute gehen, dadurch aus zudrücken. Wahr-
lich, unsere Astronomie würde unter dieser Masse von Gerüsten
eben so erdrückt werden, wie unsere Chemie, die schon so lange
auf ihren Copernicus und Kepler wartet, unter der Masse von
neuen Erden und Metallen, und unter einem zahllosen Heere von
Namen darnieder liegt, die nur die Standorte, von welchen alles
einfach erscheint, unzugänglich, und alle Uebersicht des Ganzen,
so wie alle gegenseitige Verständlichkeit unmöglich machen. Ohne
Zweifel ist dieses epicyklische System eines der scharfsinnigsten,
aber auch der künstlichsten und verworrensten, das der menschliche
Geist je ausgedacht hat, ein Gewebe von Spitzfindigkeit und Ver-
blendung, wie nur je eines in der Metaphysik von unsern neueren
Naturphilosophen ausgebrütet worden ist, und dessen sich die sonst
so nüchternen Astronomen eigentlich schämen sollten. Auch regte
sich zuweilen die Kraft der Wahrheit gegen diese unnatürliche
Hypothese, aber ihre Stimme war zu schwach, und sie durfte am
Ende gar nicht mehr gehört werden, als sich nach Jahrtausenden

Planetenſyſteme.
in ſeinem Epicykel einhergehende Planet in der That im Welt-
raume beſchreibt? Und dieſer verworrenen Linie, voll Knoten und
Schlingen, ungeachtet, ſoll derſelbe Planet doch täglich einmal mit
allen Fixſternen in derſelben Zeit um die Erde laufen. Darf man
ſich noch verwundern, daß die Alten, vor der Complication aller
dieſer ſo wunderbar in einander verſchlungenen Bewegungen ſelbſt
zurückſchreckend, endlich auf den Einfall geriethen, jedem Planeten
einen geiſtigen Führer, eine höhere Intelligenz, zuzuordnen, der
ſie, damit ſie ſich auf ihren labyrinthiſchen Bahnen, nicht verirren,
mit unſichtbarer Hand durch die Himmel ſteuern mußte? Und ſie
kannten nur die größeren Ungleichheiten dieſer Himmelskörper, die
wenigſtens ganze Grade betrugen, und denen ſie auf dieſe Weiſe
entgegen kommen wollten. Was würden ſie gethan haben, wenn
ſie auch die unzähligen kleineren Anomalien, die unſere genaueren
Inſtrumente kennen gelehrt haben, wenn ſie die Aberration, die
Nutation, die Präceſſion, und die tauſend kleineren Perturbationen,
welche die Planeten unter einander bewirken, auf dieſelbe Weiſe
hätten darſtellen wollen. Welche unüberſehbare Anhäufung von
Epicykeln würden wir nöthig haben, um nur diejenigen Ungleich-
heiten, die über eine Minute gehen, dadurch aus zudrücken. Wahr-
lich, unſere Aſtronomie würde unter dieſer Maſſe von Gerüſten
eben ſo erdrückt werden, wie unſere Chemie, die ſchon ſo lange
auf ihren Copernicus und Kepler wartet, unter der Maſſe von
neuen Erden und Metallen, und unter einem zahlloſen Heere von
Namen darnieder liegt, die nur die Standorte, von welchen alles
einfach erſcheint, unzugänglich, und alle Ueberſicht des Ganzen,
ſo wie alle gegenſeitige Verſtändlichkeit unmöglich machen. Ohne
Zweifel iſt dieſes epicykliſche Syſtem eines der ſcharfſinnigſten,
aber auch der künſtlichſten und verworrenſten, das der menſchliche
Geiſt je ausgedacht hat, ein Gewebe von Spitzfindigkeit und Ver-
blendung, wie nur je eines in der Metaphyſik von unſern neueren
Naturphiloſophen ausgebrütet worden iſt, und deſſen ſich die ſonſt
ſo nüchternen Aſtronomen eigentlich ſchämen ſollten. Auch regte
ſich zuweilen die Kraft der Wahrheit gegen dieſe unnatürliche
Hypotheſe, aber ihre Stimme war zu ſchwach, und ſie durfte am
Ende gar nicht mehr gehört werden, als ſich nach Jahrtauſenden

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[236/0248] Planetenſyſteme. in ſeinem Epicykel einhergehende Planet in der That im Welt- raume beſchreibt? Und dieſer verworrenen Linie, voll Knoten und Schlingen, ungeachtet, ſoll derſelbe Planet doch täglich einmal mit allen Fixſternen in derſelben Zeit um die Erde laufen. Darf man ſich noch verwundern, daß die Alten, vor der Complication aller dieſer ſo wunderbar in einander verſchlungenen Bewegungen ſelbſt zurückſchreckend, endlich auf den Einfall geriethen, jedem Planeten einen geiſtigen Führer, eine höhere Intelligenz, zuzuordnen, der ſie, damit ſie ſich auf ihren labyrinthiſchen Bahnen, nicht verirren, mit unſichtbarer Hand durch die Himmel ſteuern mußte? Und ſie kannten nur die größeren Ungleichheiten dieſer Himmelskörper, die wenigſtens ganze Grade betrugen, und denen ſie auf dieſe Weiſe entgegen kommen wollten. Was würden ſie gethan haben, wenn ſie auch die unzähligen kleineren Anomalien, die unſere genaueren Inſtrumente kennen gelehrt haben, wenn ſie die Aberration, die Nutation, die Präceſſion, und die tauſend kleineren Perturbationen, welche die Planeten unter einander bewirken, auf dieſelbe Weiſe hätten darſtellen wollen. Welche unüberſehbare Anhäufung von Epicykeln würden wir nöthig haben, um nur diejenigen Ungleich- heiten, die über eine Minute gehen, dadurch aus zudrücken. Wahr- lich, unſere Aſtronomie würde unter dieſer Maſſe von Gerüſten eben ſo erdrückt werden, wie unſere Chemie, die ſchon ſo lange auf ihren Copernicus und Kepler wartet, unter der Maſſe von neuen Erden und Metallen, und unter einem zahlloſen Heere von Namen darnieder liegt, die nur die Standorte, von welchen alles einfach erſcheint, unzugänglich, und alle Ueberſicht des Ganzen, ſo wie alle gegenſeitige Verſtändlichkeit unmöglich machen. Ohne Zweifel iſt dieſes epicykliſche Syſtem eines der ſcharfſinnigſten, aber auch der künſtlichſten und verworrenſten, das der menſchliche Geiſt je ausgedacht hat, ein Gewebe von Spitzfindigkeit und Ver- blendung, wie nur je eines in der Metaphyſik von unſern neueren Naturphiloſophen ausgebrütet worden iſt, und deſſen ſich die ſonſt ſo nüchternen Aſtronomen eigentlich ſchämen ſollten. Auch regte ſich zuweilen die Kraft der Wahrheit gegen dieſe unnatürliche Hypotheſe, aber ihre Stimme war zu ſchwach, und ſie durfte am Ende gar nicht mehr gehört werden, als ſich nach Jahrtauſenden

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/248>, abgerufen am 24.11.2024.