§. 100. (Siderische Umlaufszeiten der Planeten). Diese Be- merkung, daß die Zwischenzeiten der Zurückkunft der Planeten zur Ecliptik, von dem Mittelpunkte der Sonne gesehen, immer die- selben, oder daß sie constant sind, ließ uns vermuthen, daß wohl diese Sonne selbst der wahre Mittelpunkt der Bewegung jener Planeten seyn könne. Gehen wir noch einen Schritt weiter, und nehmen wir an, daß, aus diesem Mittelpunkte der Sonne gesehen, die früher so sonderbaren und verwickelten Bewegungen eben so ein- fach erscheinen mögen, wie uns die Bewegung der Sonne und des Mondes erscheint. Diese beiden Gestirne gehen nämlich für uns in einem größten Kreise des Himmels um den Mittelpunkt der Erde, und dieß aus der Ursache, weil diejenigen Ebenen, in welchen ihre kreisförmigen Bahnen liegen, selbst durch den Mit- telpunkt der Erde gehen. Sollen also die Planeten um die Sonne eben so einfache größte Kreise am Himmel beschreiben, so müssen ihre Bahnen ebenfalls in Ebenen liegen, die durch den Mittelpunkt der Erde gehen. Diese Ebenen können aber den Ebenen der Ecliptik nicht parallel seyn, weil wir sonst, selbst von der Erde aus, die immer in der Ecliptik bleibt, die Planeten nie über oder unter derselben sehen könnten. Diese durch den Mittelpunkt der Sonne gehenden Ebenen der Planetenbahnen, werden also die Ebene der Ecliptik irgendwo in einer geraden Linie schneiden, und diese Linie wird selbst wieder durch den Mittelpunkt der Sonne gehen. Wir wollen diesen Durchschnitt beider Ebenen die Knotenlinie der Planetenbahn nennen. Verlängert man sie zu beiden Seiten, bis sie die Sphäre des Himmels in zwei Punkten trifft, so kön- nen diese zwei Punkte die Knoten der Planetenbahn heißen, und zwar der eine der aufsteigende, von dem sich der Planet, wenn er in jene Durchschnittslinie kömmt, über die Ecliptik oder gen Norden erhebt, und der andere entgegengesetzte, von dem er unter die Ecliptik oder gegen Süden geht, der niedersteigende Knoten. Man pflegt jenen durch und diesen durch zu be- zeichnen.
Ist diese Voraussetzung, daß die Bahnen aller Planeten ebene Curven sind, und daß die Ebenen, in welchen sie liegen, alle durch den Mittelpunkt der Sonne gehen, richtig -- und wir werden sie weiter unten vollkommen bestätigt finden -- so wird also auch jene
Planetenſyſteme.
§. 100. (Sideriſche Umlaufszeiten der Planeten). Dieſe Be- merkung, daß die Zwiſchenzeiten der Zurückkunft der Planeten zur Ecliptik, von dem Mittelpunkte der Sonne geſehen, immer die- ſelben, oder daß ſie conſtant ſind, ließ uns vermuthen, daß wohl dieſe Sonne ſelbſt der wahre Mittelpunkt der Bewegung jener Planeten ſeyn könne. Gehen wir noch einen Schritt weiter, und nehmen wir an, daß, aus dieſem Mittelpunkte der Sonne geſehen, die früher ſo ſonderbaren und verwickelten Bewegungen eben ſo ein- fach erſcheinen mögen, wie uns die Bewegung der Sonne und des Mondes erſcheint. Dieſe beiden Geſtirne gehen nämlich für uns in einem größten Kreiſe des Himmels um den Mittelpunkt der Erde, und dieß aus der Urſache, weil diejenigen Ebenen, in welchen ihre kreisförmigen Bahnen liegen, ſelbſt durch den Mit- telpunkt der Erde gehen. Sollen alſo die Planeten um die Sonne eben ſo einfache größte Kreiſe am Himmel beſchreiben, ſo müſſen ihre Bahnen ebenfalls in Ebenen liegen, die durch den Mittelpunkt der Erde gehen. Dieſe Ebenen können aber den Ebenen der Ecliptik nicht parallel ſeyn, weil wir ſonſt, ſelbſt von der Erde aus, die immer in der Ecliptik bleibt, die Planeten nie über oder unter derſelben ſehen könnten. Dieſe durch den Mittelpunkt der Sonne gehenden Ebenen der Planetenbahnen, werden alſo die Ebene der Ecliptik irgendwo in einer geraden Linie ſchneiden, und dieſe Linie wird ſelbſt wieder durch den Mittelpunkt der Sonne gehen. Wir wollen dieſen Durchſchnitt beider Ebenen die Knotenlinie der Planetenbahn nennen. Verlängert man ſie zu beiden Seiten, bis ſie die Sphäre des Himmels in zwei Punkten trifft, ſo kön- nen dieſe zwei Punkte die Knoten der Planetenbahn heißen, und zwar der eine der aufſteigende, von dem ſich der Planet, wenn er in jene Durchſchnittslinie kömmt, über die Ecliptik oder gen Norden erhebt, und der andere entgegengeſetzte, von dem er unter die Ecliptik oder gegen Süden geht, der niederſteigende Knoten. Man pflegt jenen durch ☋ und dieſen durch ☊ zu be- zeichnen.
Iſt dieſe Vorausſetzung, daß die Bahnen aller Planeten ebene Curven ſind, und daß die Ebenen, in welchen ſie liegen, alle durch den Mittelpunkt der Sonne gehen, richtig — und wir werden ſie weiter unten vollkommen beſtätigt finden — ſo wird alſo auch jene
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Planetenſyſteme.
§. 100. (Sideriſche Umlaufszeiten der Planeten). Dieſe Be-
merkung, daß die Zwiſchenzeiten der Zurückkunft der Planeten zur
Ecliptik, von dem Mittelpunkte der Sonne geſehen, immer die-
ſelben, oder daß ſie conſtant ſind, ließ uns vermuthen, daß wohl
dieſe Sonne ſelbſt der wahre Mittelpunkt der Bewegung jener
Planeten ſeyn könne. Gehen wir noch einen Schritt weiter, und
nehmen wir an, daß, aus dieſem Mittelpunkte der Sonne geſehen,
die früher ſo ſonderbaren und verwickelten Bewegungen eben ſo ein-
fach erſcheinen mögen, wie uns die Bewegung der Sonne und
des Mondes erſcheint. Dieſe beiden Geſtirne gehen nämlich für
uns in einem größten Kreiſe des Himmels um den Mittelpunkt
der Erde, und dieß aus der Urſache, weil diejenigen Ebenen, in
welchen ihre kreisförmigen Bahnen liegen, ſelbſt durch den Mit-
telpunkt der Erde gehen. Sollen alſo die Planeten um die Sonne
eben ſo einfache größte Kreiſe am Himmel beſchreiben, ſo müſſen
ihre Bahnen ebenfalls in Ebenen liegen, die durch den Mittelpunkt
der Erde gehen. Dieſe Ebenen können aber den Ebenen der
Ecliptik nicht parallel ſeyn, weil wir ſonſt, ſelbſt von der Erde
aus, die immer in der Ecliptik bleibt, die Planeten nie über oder
unter derſelben ſehen könnten. Dieſe durch den Mittelpunkt der
Sonne gehenden Ebenen der Planetenbahnen, werden alſo die Ebene
der Ecliptik irgendwo in einer geraden Linie ſchneiden, und dieſe
Linie wird ſelbſt wieder durch den Mittelpunkt der Sonne gehen.
Wir wollen dieſen Durchſchnitt beider Ebenen die Knotenlinie
der Planetenbahn nennen. Verlängert man ſie zu beiden Seiten,
bis ſie die Sphäre des Himmels in zwei Punkten trifft, ſo kön-
nen dieſe zwei Punkte die Knoten der Planetenbahn heißen, und
zwar der eine der aufſteigende, von dem ſich der Planet, wenn
er in jene Durchſchnittslinie kömmt, über die Ecliptik oder gen
Norden erhebt, und der andere entgegengeſetzte, von dem er unter
die Ecliptik oder gegen Süden geht, der niederſteigende
Knoten. Man pflegt jenen durch ☋ und dieſen durch ☊ zu be-
zeichnen.
Iſt dieſe Vorausſetzung, daß die Bahnen aller Planeten ebene
Curven ſind, und daß die Ebenen, in welchen ſie liegen, alle durch
den Mittelpunkt der Sonne gehen, richtig — und wir werden ſie
weiter unten vollkommen beſtätigt finden — ſo wird alſo auch jene
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/234>, abgerufen am 24.11.2024.
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