wenden könnte. Wir wollen nur einige Beispiele aus dem gemei- nen Leben kurz anführen.
Wenn bei ganz ruhigem Wetter die Regentropfen senkrecht zur Erde fallen, so treffen sie den senkrecht stehenden Wanderer in seinem Scheitel, aber so wie er, in irgend einer Richtung dem Regen zu entlaufen sucht, scheinen dieselben Tropfen alle die Rich- tung gegen sein Gesicht zu nehmen, und er hat dieselbe Empfin- dung, als stünde er noch still, während ein in der entgegenge- setzten Richtung seines Laufes wehender Wind ihm den Regen ins Gesicht führte.
Wir fühlen im Gehen den uns gerade entgegen blasenden Wind stärker, weil es uns scheint, daß er, außer seiner eigenen Geschwindigkeit, auch noch diejenige habe, mit welcher wir selbst ihm entgegenlaufen. Wenn der Wind von Westen weht, und wir gehen gen Süden, so haben wir dieselbe Empfindung, als wenn der Wind, außer seiner wahren Bewegung von Westen, auch noch eine andere von Süden hätte, d. h. als wenn er von Südwest käme; und diese neue Richtung des Windes wird uns desto näher aus Süden zu kommen scheinen, je schneller wir selbst gegen Süden laufen.
Sey M (Fig. 16) der Vordertheil, und N der Hintertheil eines Schiffes, dessen Segel in der Richtung AB aufgestellt ist, während der Wind in der sehr schiefen Lage EC weht, die das Schiff mehr rück- als vorwärts zu treiben scheint. Drückt die Länge der Linie EC die Kraft oder die Größe des Windes aus, so sey ACDE ein Rechteck, an welchem EC die Diagonale ist. Man wird also statt dieser Kraft EC des Windes zwei andere Kräfte oder zwei andere Winde substituiren können, von welchen der eine CA nach der Richtung des Segels wehen, und daher weder auf das Segel, noch auf das Schiff weiter wirken wird, während der andere CD die Fläche des Segels senkrecht trifft, und seine ganze Kraft gegen dasselbe ausübt. Wir wollen daher nur mehr die Wirkung dieses letzten Windes betrachten, und diese Linie CD verlängern, bis Cd gleich CD wird. Betrachtet man auch hier die Linie Cd als die Diagonale eines Rechtecks abdC, so wird der für das Schiff noch wirkende Theil Cd des Windes in zwei andere Ca und Cd aufgelöst, und von diesen wirkt der
Aberration der Fixſterne.
wenden könnte. Wir wollen nur einige Beiſpiele aus dem gemei- nen Leben kurz anführen.
Wenn bei ganz ruhigem Wetter die Regentropfen ſenkrecht zur Erde fallen, ſo treffen ſie den ſenkrecht ſtehenden Wanderer in ſeinem Scheitel, aber ſo wie er, in irgend einer Richtung dem Regen zu entlaufen ſucht, ſcheinen dieſelben Tropfen alle die Rich- tung gegen ſein Geſicht zu nehmen, und er hat dieſelbe Empfin- dung, als ſtünde er noch ſtill, während ein in der entgegenge- ſetzten Richtung ſeines Laufes wehender Wind ihm den Regen ins Geſicht führte.
Wir fühlen im Gehen den uns gerade entgegen blaſenden Wind ſtärker, weil es uns ſcheint, daß er, außer ſeiner eigenen Geſchwindigkeit, auch noch diejenige habe, mit welcher wir ſelbſt ihm entgegenlaufen. Wenn der Wind von Weſten weht, und wir gehen gen Süden, ſo haben wir dieſelbe Empfindung, als wenn der Wind, außer ſeiner wahren Bewegung von Weſten, auch noch eine andere von Süden hätte, d. h. als wenn er von Südweſt käme; und dieſe neue Richtung des Windes wird uns deſto näher aus Süden zu kommen ſcheinen, je ſchneller wir ſelbſt gegen Süden laufen.
Sey M (Fig. 16) der Vordertheil, und N der Hintertheil eines Schiffes, deſſen Segel in der Richtung AB aufgeſtellt iſt, während der Wind in der ſehr ſchiefen Lage EC weht, die das Schiff mehr rück- als vorwärts zu treiben ſcheint. Drückt die Länge der Linie EC die Kraft oder die Größe des Windes aus, ſo ſey ACDE ein Rechteck, an welchem EC die Diagonale iſt. Man wird alſo ſtatt dieſer Kraft EC des Windes zwei andere Kräfte oder zwei andere Winde ſubſtituiren können, von welchen der eine CA nach der Richtung des Segels wehen, und daher weder auf das Segel, noch auf das Schiff weiter wirken wird, während der andere CD die Fläche des Segels ſenkrecht trifft, und ſeine ganze Kraft gegen daſſelbe ausübt. Wir wollen daher nur mehr die Wirkung dieſes letzten Windes betrachten, und dieſe Linie CD verlängern, bis Cd gleich CD wird. Betrachtet man auch hier die Linie Cd als die Diagonale eines Rechtecks abdC, ſo wird der für das Schiff noch wirkende Theil Cd des Windes in zwei andere Ca und Cd aufgelöst, und von dieſen wirkt der
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0200"n="188"/><fwplace="top"type="header">Aberration der Fixſterne.</fw><lb/>
wenden könnte. Wir wollen nur einige Beiſpiele aus dem gemei-<lb/>
nen Leben kurz anführen.</p><lb/><p>Wenn bei ganz ruhigem Wetter die Regentropfen ſenkrecht<lb/>
zur Erde fallen, ſo treffen ſie den ſenkrecht ſtehenden Wanderer<lb/>
in ſeinem Scheitel, aber ſo wie er, in irgend einer Richtung dem<lb/>
Regen zu entlaufen ſucht, ſcheinen dieſelben Tropfen alle die Rich-<lb/>
tung gegen ſein Geſicht zu nehmen, und er hat dieſelbe Empfin-<lb/>
dung, als ſtünde er noch ſtill, während ein in der entgegenge-<lb/>ſetzten Richtung ſeines Laufes wehender Wind ihm den Regen<lb/>
ins Geſicht führte.</p><lb/><p>Wir fühlen im Gehen den uns gerade entgegen blaſenden<lb/>
Wind ſtärker, weil es uns ſcheint, daß er, außer ſeiner eigenen<lb/>
Geſchwindigkeit, auch noch diejenige habe, mit welcher wir ſelbſt<lb/>
ihm entgegenlaufen. Wenn der Wind von Weſten weht, und wir<lb/>
gehen gen Süden, ſo haben wir dieſelbe Empfindung, als wenn<lb/>
der Wind, außer ſeiner wahren Bewegung von Weſten, auch noch<lb/>
eine andere von Süden hätte, d. h. als wenn er von Südweſt<lb/>
käme; und dieſe neue Richtung des Windes wird uns deſto näher<lb/>
aus Süden zu kommen ſcheinen, je ſchneller wir ſelbſt gegen<lb/>
Süden laufen.</p><lb/><p>Sey <hirendition="#aq">M</hi> (Fig. 16) der Vordertheil, und <hirendition="#aq">N</hi> der Hintertheil<lb/>
eines Schiffes, deſſen Segel in der Richtung <hirendition="#aq">AB</hi> aufgeſtellt iſt,<lb/>
während der Wind in der ſehr ſchiefen Lage <hirendition="#aq">EC</hi> weht, die das<lb/>
Schiff mehr rück- als vorwärts zu treiben ſcheint. Drückt die<lb/>
Länge der Linie <hirendition="#aq">EC</hi> die Kraft oder die Größe des Windes aus,<lb/>ſo ſey <hirendition="#aq">ACDE</hi> ein Rechteck, an welchem <hirendition="#aq">EC</hi> die Diagonale iſt.<lb/>
Man wird alſo ſtatt dieſer Kraft <hirendition="#aq">EC</hi> des Windes zwei andere<lb/>
Kräfte oder zwei andere Winde ſubſtituiren können, von welchen<lb/>
der eine <hirendition="#aq">CA</hi> nach der Richtung des Segels wehen, und daher<lb/>
weder auf das Segel, noch auf das Schiff weiter wirken wird,<lb/>
während der andere <hirendition="#aq">CD</hi> die Fläche des Segels ſenkrecht trifft,<lb/>
und ſeine ganze Kraft gegen daſſelbe ausübt. Wir wollen daher<lb/>
nur mehr die Wirkung dieſes letzten Windes betrachten, und dieſe<lb/>
Linie <hirendition="#aq">CD</hi> verlängern, bis <hirendition="#aq">Cd</hi> gleich <hirendition="#aq">CD</hi> wird. Betrachtet man<lb/>
auch hier die Linie <hirendition="#aq">Cd</hi> als die Diagonale eines Rechtecks <hirendition="#aq">abdC</hi>,<lb/>ſo wird der für das Schiff noch wirkende Theil <hirendition="#aq">Cd</hi> des Windes<lb/>
in zwei andere <hirendition="#aq">Ca</hi> und <hirendition="#aq">Cd</hi> aufgelöst, und von dieſen wirkt der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[188/0200]
Aberration der Fixſterne.
wenden könnte. Wir wollen nur einige Beiſpiele aus dem gemei-
nen Leben kurz anführen.
Wenn bei ganz ruhigem Wetter die Regentropfen ſenkrecht
zur Erde fallen, ſo treffen ſie den ſenkrecht ſtehenden Wanderer
in ſeinem Scheitel, aber ſo wie er, in irgend einer Richtung dem
Regen zu entlaufen ſucht, ſcheinen dieſelben Tropfen alle die Rich-
tung gegen ſein Geſicht zu nehmen, und er hat dieſelbe Empfin-
dung, als ſtünde er noch ſtill, während ein in der entgegenge-
ſetzten Richtung ſeines Laufes wehender Wind ihm den Regen
ins Geſicht führte.
Wir fühlen im Gehen den uns gerade entgegen blaſenden
Wind ſtärker, weil es uns ſcheint, daß er, außer ſeiner eigenen
Geſchwindigkeit, auch noch diejenige habe, mit welcher wir ſelbſt
ihm entgegenlaufen. Wenn der Wind von Weſten weht, und wir
gehen gen Süden, ſo haben wir dieſelbe Empfindung, als wenn
der Wind, außer ſeiner wahren Bewegung von Weſten, auch noch
eine andere von Süden hätte, d. h. als wenn er von Südweſt
käme; und dieſe neue Richtung des Windes wird uns deſto näher
aus Süden zu kommen ſcheinen, je ſchneller wir ſelbſt gegen
Süden laufen.
Sey M (Fig. 16) der Vordertheil, und N der Hintertheil
eines Schiffes, deſſen Segel in der Richtung AB aufgeſtellt iſt,
während der Wind in der ſehr ſchiefen Lage EC weht, die das
Schiff mehr rück- als vorwärts zu treiben ſcheint. Drückt die
Länge der Linie EC die Kraft oder die Größe des Windes aus,
ſo ſey ACDE ein Rechteck, an welchem EC die Diagonale iſt.
Man wird alſo ſtatt dieſer Kraft EC des Windes zwei andere
Kräfte oder zwei andere Winde ſubſtituiren können, von welchen
der eine CA nach der Richtung des Segels wehen, und daher
weder auf das Segel, noch auf das Schiff weiter wirken wird,
während der andere CD die Fläche des Segels ſenkrecht trifft,
und ſeine ganze Kraft gegen daſſelbe ausübt. Wir wollen daher
nur mehr die Wirkung dieſes letzten Windes betrachten, und dieſe
Linie CD verlängern, bis Cd gleich CD wird. Betrachtet man
auch hier die Linie Cd als die Diagonale eines Rechtecks abdC,
ſo wird der für das Schiff noch wirkende Theil Cd des Windes
in zwei andere Ca und Cd aufgelöst, und von dieſen wirkt der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/200>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.