Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.Jährliche Bewegung der Erde. löste mit eins, wie wir weiter unten noch näher sehen werden,alle die großen Schwierigkeiten, die den scharfsinnigsten Astrono- men des Alterthums unübersteiglich schienen; sie verwandelte eine unerklärbare Unordnung und Gesetzlosigkeit in die schönste, ein- fachste Harmonie und schuf, gleich einem Blitze, die dunkelste Nacht zum hellsten Tage um. Diese Idee war es, wodurch uns Coper- nicus die wahre Anordnung des Weltsystems offenbarte, und wo- durch er der Vater der neuen Astronomie geworden ist. Wer von uns könnte, wenn er anders noch Sinn für verständige Klarheit und Ordnung hat, der Kraft eines solchen Beweises sich noch län- ger entziehen? Welche Complicationen in den Bewegungen aller anderen Planeten, wenn wir die Erde nicht auch, gleich jenen, sich um die Sonne bewegen lassen! Welche entsetzliche Geschwindigkeit müßte man bei den entfernteren Planeten voraussetzen, um sie alle Jahre ihren großen Kreis um die ruhende Erde vollenden zu las- fen. Uranus z. B. ist neunzehnmal weiter, als die Sonne, von uns entfernt und er müßte daher, um die Peripherie seiner Bahn von 2500 Millionen d. M. jährlich zu vollenden, jeden Tag sieben Millionen Meilen zurücklegen. Wir haben bereits oben gesehen, daß man die Erde nicht als §. 58. (Das bekannte Kepler'sche Gesetz der Planeten gilt auch Jährliche Bewegung der Erde. löste mit eins, wie wir weiter unten noch näher ſehen werden,alle die großen Schwierigkeiten, die den ſcharfſinnigſten Aſtrono- men des Alterthums unüberſteiglich ſchienen; ſie verwandelte eine unerklärbare Unordnung und Geſetzloſigkeit in die ſchönſte, ein- fachſte Harmonie und ſchuf, gleich einem Blitze, die dunkelſte Nacht zum hellſten Tage um. Dieſe Idee war es, wodurch uns Coper- nicus die wahre Anordnung des Weltſyſtems offenbarte, und wo- durch er der Vater der neuen Aſtronomie geworden iſt. Wer von uns könnte, wenn er anders noch Sinn für verſtändige Klarheit und Ordnung hat, der Kraft eines ſolchen Beweiſes ſich noch län- ger entziehen? Welche Complicationen in den Bewegungen aller anderen Planeten, wenn wir die Erde nicht auch, gleich jenen, ſich um die Sonne bewegen laſſen! Welche entſetzliche Geſchwindigkeit müßte man bei den entfernteren Planeten vorausſetzen, um ſie alle Jahre ihren großen Kreis um die ruhende Erde vollenden zu laſ- fen. Uranus z. B. iſt neunzehnmal weiter, als die Sonne, von uns entfernt und er müßte daher, um die Peripherie ſeiner Bahn von 2500 Millionen d. M. jährlich zu vollenden, jeden Tag ſieben Millionen Meilen zurücklegen. Wir haben bereits oben geſehen, daß man die Erde nicht als §. 58. (Das bekannte Kepler’ſche Geſetz der Planeten gilt auch <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0148" n="136"/><fw place="top" type="header">Jährliche Bewegung der Erde.</fw><lb/> löste mit eins, wie wir weiter unten noch näher ſehen werden,<lb/> alle die großen Schwierigkeiten, die den ſcharfſinnigſten Aſtrono-<lb/> men des Alterthums unüberſteiglich ſchienen; ſie verwandelte eine<lb/> unerklärbare Unordnung und Geſetzloſigkeit in die ſchönſte, ein-<lb/> fachſte Harmonie und ſchuf, gleich einem Blitze, die dunkelſte Nacht<lb/> zum hellſten Tage um. Dieſe Idee war es, wodurch uns Coper-<lb/> nicus die wahre Anordnung des Weltſyſtems offenbarte, und wo-<lb/> durch er der Vater der neuen Aſtronomie geworden iſt. Wer von<lb/> uns könnte, wenn er anders noch Sinn für verſtändige Klarheit<lb/> und Ordnung hat, der Kraft eines ſolchen Beweiſes ſich noch län-<lb/> ger entziehen? 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So wie Jupiter, unſeren Beobach-<lb/> tungen zu Folge, in jedem ſeiner Tage ſich um ſich ſelbſt und in<lb/> jedem ſeiner Jahre, in der Begleitung ſeiner vier Monden, ſich<lb/> um die Sonne bewegt, ſo dreht auch unſere Erde ſich täglich um<lb/> ihre Axe, ſo bewegt auch ſie ſich, in Begleitung ihres Mondes,<lb/> jährlich um die Sonne. Ein Beobachter auf Jupiters Oberfläche<lb/> würde wohl eben ſo, wenn er bloß dem erſten Eindrucke ſeiner<lb/> Sinne folgt, das ganze Planetenſyſtem und die Sonne ſelbſt, um<lb/> ſich, als um den Mittelpunkt aller jener Bahnen, in Bewegung<lb/> glauben und ſeine beinahe 1300mal größere Erde würde dieſe<lb/> Täuſchung noch beträchtlich vermehren.</p><lb/> <p>§. 58. (Das bekannte Kepler’ſche Geſetz der Planeten gilt auch<lb/> für die Erde). Aus der Sonne geſehen, würden uns alle Pla-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [136/0148]
Jährliche Bewegung der Erde.
löste mit eins, wie wir weiter unten noch näher ſehen werden,
alle die großen Schwierigkeiten, die den ſcharfſinnigſten Aſtrono-
men des Alterthums unüberſteiglich ſchienen; ſie verwandelte eine
unerklärbare Unordnung und Geſetzloſigkeit in die ſchönſte, ein-
fachſte Harmonie und ſchuf, gleich einem Blitze, die dunkelſte Nacht
zum hellſten Tage um. Dieſe Idee war es, wodurch uns Coper-
nicus die wahre Anordnung des Weltſyſtems offenbarte, und wo-
durch er der Vater der neuen Aſtronomie geworden iſt. Wer von
uns könnte, wenn er anders noch Sinn für verſtändige Klarheit
und Ordnung hat, der Kraft eines ſolchen Beweiſes ſich noch län-
ger entziehen? Welche Complicationen in den Bewegungen aller
anderen Planeten, wenn wir die Erde nicht auch, gleich jenen, ſich
um die Sonne bewegen laſſen! Welche entſetzliche Geſchwindigkeit
müßte man bei den entfernteren Planeten vorausſetzen, um ſie alle
Jahre ihren großen Kreis um die ruhende Erde vollenden zu laſ-
fen. Uranus z. B. iſt neunzehnmal weiter, als die Sonne, von
uns entfernt und er müßte daher, um die Peripherie ſeiner Bahn
von 2500 Millionen d. M. jährlich zu vollenden, jeden Tag ſieben
Millionen Meilen zurücklegen.
Wir haben bereits oben geſehen, daß man die Erde nicht als
einen iſolirten, für ſich beſtehenden Körper, deſſen Gleichen nicht
mehr in der Natur zu finden iſt, ſondern daß man ſie im Chor der
anderen Erden unſeres Sonnenſyſtems, als ein Glied der ganzen,
großen Planetenfamilie betrachten müſſe, denen ſie in ſo vielen
Beziehungen ganz ähnlich iſt. So wie Jupiter, unſeren Beobach-
tungen zu Folge, in jedem ſeiner Tage ſich um ſich ſelbſt und in
jedem ſeiner Jahre, in der Begleitung ſeiner vier Monden, ſich
um die Sonne bewegt, ſo dreht auch unſere Erde ſich täglich um
ihre Axe, ſo bewegt auch ſie ſich, in Begleitung ihres Mondes,
jährlich um die Sonne. Ein Beobachter auf Jupiters Oberfläche
würde wohl eben ſo, wenn er bloß dem erſten Eindrucke ſeiner
Sinne folgt, das ganze Planetenſyſtem und die Sonne ſelbſt, um
ſich, als um den Mittelpunkt aller jener Bahnen, in Bewegung
glauben und ſeine beinahe 1300mal größere Erde würde dieſe
Täuſchung noch beträchtlich vermehren.
§. 58. (Das bekannte Kepler’ſche Geſetz der Planeten gilt auch
für die Erde). Aus der Sonne geſehen, würden uns alle Pla-
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