Temperatur, der Sommer und der Winter, würden ganz von ihr verschwinden.
II. Allein diese Hoffnung des ewigen Frühlings ist unge- gründet und wohl eben so eitel, als die des ewigen Friedens, den uns der Abbe St. Pierre so reizend geschildert hat. Es ist näm- lich, wie dieselbe Theorie zeigt, nur annähernd wahr, daß die Schiefe der Ecliptik mit der Zeit proportional abnimmt und die oben aufgestellte Formel gilt, streng genommen, kaum für das ganze gegenwärtige Jahrhundert. Für die früheren und folgenden Jahrhunderte muß die angeführte Zahl 0,48368 immer, obschon nur wenig, geändert werden. Eine genauere Untersuchung dieses Gegenstandes zeigt, daß der analytische Ausdruck dieser Aenderung der Schiefe eigentlich gar kein der Zeit proportionales Glied, son- dern bloß periodische Glieder enthält, das heißt, solche, die eine Zeit durch wachsen und dann wieder abnehmen, um, wenn sie ih- ren kleinsten Werth erreicht haben, wieder allmählig zu ihrem größten heraufzusteigen. Diesem gemäß geht also der wahre Werth der Schiefe der Ekliptik zwischen den beiden Gränzen von 21 und 28 Graden auf und ab, ohne dieselben je zu überschreiten und sie wird daher in der Folge der Zeiten eben so wenig mit dem Aequa- tor zusammenfallen, als sie je in der grauen Vorzeit senkrecht auf demselben gestanden ist. Diese Bewegung der Ekliptik ist aber so langsam, daß die Perioden, in welchen sie zwischen diesen beiden Bogen von sieben Graden wie ein ungeheures Pendel auf und niederschwingt, viele Jahrtausende umfassen. Nach den Untersu- chungen, die Lagrange über diese Perioden angestellt hat, war die Schiefe i. J. 29.400 vor Chr. in ihrem größten Werthe von 27° 31'. Seit jener Zeit nahm sie durch 15.000 Jahre ab, bis sie i. J. 14.400 v. Chr. ihren kleinsten Werth 21° 20' erreichte. Von da wuchs sie wieder durch 12.400 Jahre, und war i. J. 2000 v. Chr. in ihrem größten Werthe 23° 53'. Seit dieser Epoche nimmt sie durch 8600 Jahre ab und wird i. J. 6600 nach Chr. ihren kleinsten Werth 22° 54' haben, und endlich von da durch 12.700 Jahre wieder wachsen, bis sie i. J. 19.300 nach Chr. ihren größ- ten Werth 25° 21' erreichen wird.
Zum Schlusse dieses Gegenstandes theilen wir noch einige Nachrichten über die oben erwähnten Astronomen des Alterthums mit.
Jährliche Bewegung der Sonne.
Temperatur, der Sommer und der Winter, würden ganz von ihr verſchwinden.
II. Allein dieſe Hoffnung des ewigen Frühlings iſt unge- gründet und wohl eben ſo eitel, als die des ewigen Friedens, den uns der Abbé St. Pierre ſo reizend geſchildert hat. Es iſt näm- lich, wie dieſelbe Theorie zeigt, nur annähernd wahr, daß die Schiefe der Ecliptik mit der Zeit proportional abnimmt und die oben aufgeſtellte Formel gilt, ſtreng genommen, kaum für das ganze gegenwärtige Jahrhundert. Für die früheren und folgenden Jahrhunderte muß die angeführte Zahl 0,48368 immer, obſchon nur wenig, geändert werden. Eine genauere Unterſuchung dieſes Gegenſtandes zeigt, daß der analytiſche Ausdruck dieſer Aenderung der Schiefe eigentlich gar kein der Zeit proportionales Glied, ſon- dern bloß periodiſche Glieder enthält, das heißt, ſolche, die eine Zeit durch wachſen und dann wieder abnehmen, um, wenn ſie ih- ren kleinſten Werth erreicht haben, wieder allmählig zu ihrem größten heraufzuſteigen. Dieſem gemäß geht alſo der wahre Werth der Schiefe der Ekliptik zwiſchen den beiden Gränzen von 21 und 28 Graden auf und ab, ohne dieſelben je zu überſchreiten und ſie wird daher in der Folge der Zeiten eben ſo wenig mit dem Aequa- tor zuſammenfallen, als ſie je in der grauen Vorzeit ſenkrecht auf demſelben geſtanden iſt. Dieſe Bewegung der Ekliptik iſt aber ſo langſam, daß die Perioden, in welchen ſie zwiſchen dieſen beiden Bogen von ſieben Graden wie ein ungeheures Pendel auf und niederſchwingt, viele Jahrtauſende umfaſſen. Nach den Unterſu- chungen, die Lagrange über dieſe Perioden angeſtellt hat, war die Schiefe i. J. 29.400 vor Chr. in ihrem größten Werthe von 27° 31′. Seit jener Zeit nahm ſie durch 15.000 Jahre ab, bis ſie i. J. 14.400 v. Chr. ihren kleinſten Werth 21° 20′ erreichte. Von da wuchs ſie wieder durch 12.400 Jahre, und war i. J. 2000 v. Chr. in ihrem größten Werthe 23° 53′. Seit dieſer Epoche nimmt ſie durch 8600 Jahre ab und wird i. J. 6600 nach Chr. ihren kleinſten Werth 22° 54′ haben, und endlich von da durch 12.700 Jahre wieder wachſen, bis ſie i. J. 19.300 nach Chr. ihren größ- ten Werth 25° 21′ erreichen wird.
Zum Schluſſe dieſes Gegenſtandes theilen wir noch einige Nachrichten über die oben erwähnten Aſtronomen des Alterthums mit.
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Jährliche Bewegung der Sonne.
Temperatur, der Sommer und der Winter, würden ganz von ihr
verſchwinden.
II. Allein dieſe Hoffnung des ewigen Frühlings iſt unge-
gründet und wohl eben ſo eitel, als die des ewigen Friedens, den
uns der Abbé St. Pierre ſo reizend geſchildert hat. Es iſt näm-
lich, wie dieſelbe Theorie zeigt, nur annähernd wahr, daß die
Schiefe der Ecliptik mit der Zeit proportional abnimmt und die
oben aufgeſtellte Formel gilt, ſtreng genommen, kaum für das
ganze gegenwärtige Jahrhundert. Für die früheren und folgenden
Jahrhunderte muß die angeführte Zahl 0,48368 immer, obſchon
nur wenig, geändert werden. Eine genauere Unterſuchung dieſes
Gegenſtandes zeigt, daß der analytiſche Ausdruck dieſer Aenderung
der Schiefe eigentlich gar kein der Zeit proportionales Glied, ſon-
dern bloß periodiſche Glieder enthält, das heißt, ſolche, die eine
Zeit durch wachſen und dann wieder abnehmen, um, wenn ſie ih-
ren kleinſten Werth erreicht haben, wieder allmählig zu ihrem
größten heraufzuſteigen. Dieſem gemäß geht alſo der wahre Werth
der Schiefe der Ekliptik zwiſchen den beiden Gränzen von 21 und
28 Graden auf und ab, ohne dieſelben je zu überſchreiten und ſie
wird daher in der Folge der Zeiten eben ſo wenig mit dem Aequa-
tor zuſammenfallen, als ſie je in der grauen Vorzeit ſenkrecht auf
demſelben geſtanden iſt. Dieſe Bewegung der Ekliptik iſt aber ſo
langſam, daß die Perioden, in welchen ſie zwiſchen dieſen beiden
Bogen von ſieben Graden wie ein ungeheures Pendel auf und
niederſchwingt, viele Jahrtauſende umfaſſen. Nach den Unterſu-
chungen, die Lagrange über dieſe Perioden angeſtellt hat, war die
Schiefe i. J. 29.400 vor Chr. in ihrem größten Werthe von 27°
31′. Seit jener Zeit nahm ſie durch 15.000 Jahre ab, bis ſie
i. J. 14.400 v. Chr. ihren kleinſten Werth 21° 20′ erreichte. Von
da wuchs ſie wieder durch 12.400 Jahre, und war i. J. 2000 v.
Chr. in ihrem größten Werthe 23° 53′. Seit dieſer Epoche nimmt
ſie durch 8600 Jahre ab und wird i. J. 6600 nach Chr. ihren
kleinſten Werth 22° 54′ haben, und endlich von da durch 12.700
Jahre wieder wachſen, bis ſie i. J. 19.300 nach Chr. ihren größ-
ten Werth 25° 21′ erreichen wird.
Zum Schluſſe dieſes Gegenſtandes theilen wir noch einige
Nachrichten über die oben erwähnten Aſtronomen des Alterthums mit.
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/126>, abgerufen am 24.11.2024.
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