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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 9. Das Staatsgebiet.

3. Dasselbe gilt für die Häfen und Reeden sowie für die Baien
und Buchten in ihrem innern, von den Ufern aus noch vollständig
beherrschbaren Teile.

Man pflegt die Abgrenzung dieses innern Teiles in der Weise
zu gewinnen, dass man sich von Küste zu Küste eine gerade Linie
in derjenigen Breite der Bucht gezogen denkt, dass der Mittelpunkt
der Linie durch die auf beiden Ufern errichteten Strandbatterieen
noch erreicht wird. Hinter dieser Linie, dem Festlande zu, liegt
die geschlossene Bucht; vor dieser Linie, gegen das offene Meer
zu, beginnen die Küstengewässer. Teilweise abweichend Artikel 2
des von den Nordseestaaten geschlossenen Vertrages vom 6. Mai
1882 (unten § 34 III), betreffend die polizeiliche Regelung der
Fischerei in der Nordsee ausserhalb der Küstengewässer (R. G. Bl.
1884 S. 25): "Die Fischer jeder Nation sollen das ausschliessliche
Recht zum Betriebe der Fischerei haben in dem Gebiete bis zu
drei Seemeilen Entfernung von der Niedrigwassergrenze, in der
ganzen Längsausdehnung der Küsten ihres Landes und der davor
liegenden Inseln und Bänke."

"In den Buchten ist das Gebiet der drei Seemeilen von einer
geraden Linie ab zu rechnen, welche in dem dem Eingang der Bucht
zunächst gelegenen Teile von einem Ufer derselben zum anderen
da gezogen gedacht wird, wo die Öffnung zuerst nicht mehr als
10 Seemeilen beträgt."

Viel weitergehende Ansprüche auf die Buchten und Baien
(kings chambers) sind von englischer Seite wiederholt erhoben
worden.

IV.

Beschränkte Gebietshoheit dagegen hat der Staat in den Küsten-
gewässern.

Küstengewässer nennt man denjenigen Teil der offenen See, den
der Uferstaat durch Strandbatterieen von der Küste (sei es des Fest-
landes, sei es der Inseln) aus zu beherrschen vermag.

Die Bestimmung der Grenzlinie der Küstengewässer ist sehr
bestritten. In der Gesetzgebung Deutschlands und anderer Staaten
sowie in den wichtigsten neueren Verträgen wird die Entfernung

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§ 9. Das Staatsgebiet.

3. Dasselbe gilt für die Häfen und Reeden sowie für die Baien
und Buchten in ihrem innern, von den Ufern aus noch vollständig
beherrschbaren Teile.

Man pflegt die Abgrenzung dieses innern Teiles in der Weise
zu gewinnen, daſs man sich von Küste zu Küste eine gerade Linie
in derjenigen Breite der Bucht gezogen denkt, daſs der Mittelpunkt
der Linie durch die auf beiden Ufern errichteten Strandbatterieen
noch erreicht wird. Hinter dieser Linie, dem Festlande zu, liegt
die geschlossene Bucht; vor dieser Linie, gegen das offene Meer
zu, beginnen die Küstengewässer. Teilweise abweichend Artikel 2
des von den Nordseestaaten geschlossenen Vertrages vom 6. Mai
1882 (unten § 34 III), betreffend die polizeiliche Regelung der
Fischerei in der Nordsee auſserhalb der Küstengewässer (R. G. Bl.
1884 S. 25): „Die Fischer jeder Nation sollen das ausschlieſsliche
Recht zum Betriebe der Fischerei haben in dem Gebiete bis zu
drei Seemeilen Entfernung von der Niedrigwassergrenze, in der
ganzen Längsausdehnung der Küsten ihres Landes und der davor
liegenden Inseln und Bänke.“

„In den Buchten ist das Gebiet der drei Seemeilen von einer
geraden Linie ab zu rechnen, welche in dem dem Eingang der Bucht
zunächst gelegenen Teile von einem Ufer derselben zum anderen
da gezogen gedacht wird, wo die Öffnung zuerst nicht mehr als
10 Seemeilen beträgt.“

Viel weitergehende Ansprüche auf die Buchten und Baien
(kings chambers) sind von englischer Seite wiederholt erhoben
worden.

IV.

Beschränkte Gebietshoheit dagegen hat der Staat in den Küsten-
gewässern.

Küstengewässer nennt man denjenigen Teil der offenen See, den
der Uferstaat durch Strandbatterieen von der Küste (sei es des Fest-
landes, sei es der Inseln) aus zu beherrschen vermag.

Die Bestimmung der Grenzlinie der Küstengewässer ist sehr
bestritten. In der Gesetzgebung Deutschlands und anderer Staaten
sowie in den wichtigsten neueren Verträgen wird die Entfernung

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[51/0073] § 9. Das Staatsgebiet. 3. Dasselbe gilt für die Häfen und Reeden sowie für die Baien und Buchten in ihrem innern, von den Ufern aus noch vollständig beherrschbaren Teile. Man pflegt die Abgrenzung dieses innern Teiles in der Weise zu gewinnen, daſs man sich von Küste zu Küste eine gerade Linie in derjenigen Breite der Bucht gezogen denkt, daſs der Mittelpunkt der Linie durch die auf beiden Ufern errichteten Strandbatterieen noch erreicht wird. Hinter dieser Linie, dem Festlande zu, liegt die geschlossene Bucht; vor dieser Linie, gegen das offene Meer zu, beginnen die Küstengewässer. Teilweise abweichend Artikel 2 des von den Nordseestaaten geschlossenen Vertrages vom 6. Mai 1882 (unten § 34 III), betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee auſserhalb der Küstengewässer (R. G. Bl. 1884 S. 25): „Die Fischer jeder Nation sollen das ausschlieſsliche Recht zum Betriebe der Fischerei haben in dem Gebiete bis zu drei Seemeilen Entfernung von der Niedrigwassergrenze, in der ganzen Längsausdehnung der Küsten ihres Landes und der davor liegenden Inseln und Bänke.“ „In den Buchten ist das Gebiet der drei Seemeilen von einer geraden Linie ab zu rechnen, welche in dem dem Eingang der Bucht zunächst gelegenen Teile von einem Ufer derselben zum anderen da gezogen gedacht wird, wo die Öffnung zuerst nicht mehr als 10 Seemeilen beträgt.“ Viel weitergehende Ansprüche auf die Buchten und Baien (kings chambers) sind von englischer Seite wiederholt erhoben worden. IV. Beschränkte Gebietshoheit dagegen hat der Staat in den Küsten- gewässern. Küstengewässer nennt man denjenigen Teil der offenen See, den der Uferstaat durch Strandbatterieen von der Küste (sei es des Fest- landes, sei es der Inseln) aus zu beherrschen vermag. Die Bestimmung der Grenzlinie der Küstengewässer ist sehr bestritten. In der Gesetzgebung Deutschlands und anderer Staaten sowie in den wichtigsten neueren Verträgen wird die Entfernung 4*

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/73>, abgerufen am 22.11.2024.