Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 3. Geschichte des Völkerrechts.
Institut für Völkerrecht und die aus demselben Jahre stammende
Association für die Reform und Kodifikation des Völkerrechts. Die
Arbeiten des erstgenannten Instituts sind seit 1877 in dem Annuaire
niedergelegt, von dem bisher 16 Bände erschienen sind.

Über den 1874 unternommenen Versuch, das Landkriegsrecht
in Gesetzesform zu bringen, vgl. unten § 39 III.

§ 3. Geschichte des Völkerrechts.

Laurent, Etudes sur l'histoire de l'humanite. Histoire du droit des gens et
des relations internationales. 18 Bde. 1851 bis 1870.

v. Holtzendorff, H. H. I 159 schliesst die Geschichte des Völkerrechts
gerade mit dem Jahre 1648. Dagegen bringt Rivier hier I 353 eine
wertvolle Darstellung der Litteraturgeschichte des Völkerrechts.

Nys, Les origines du droit international. 1894. Verschiedene Aufsätze des-
selben
Verfassers in der R.J. Derselbe, Etudes de droit internatio-
nal et de droit politique. 1896.

I. Periode: bis 1648.

1. Notwendige thatsächliche Voraussetzung für die Entstehung
eines Völkerrechts ist das gleichzeitige Bestehen (die Koexistenz)
mehrerer Staaten von ungefähr gleicher Macht, die, durch die Ge-
meinsamkeit ihrer Kultur und ihrer Interessen verbunden, in stetem
und lebhaftem Verkehr miteinander stehen.

Das Völkerrecht ist unverträglich mit dem Gedanken eines,
sei es durch einen besondern Bund mit der Gottheit, sei es durch
eine überlegene und eigenartige Kultur "auserwählten Volkes".
So lange im Sinne des jüdischen wie des klassischen Altertums
der Staatsfremde als Feind, als Ungläubiger oder als Barbar galt,
konnte ein Völkerrecht sich nicht entwickeln. Das Völkerrecht ist
aber auch unverträglich mit dem Gedanken einer Weltherrschaft,
mag diese auch in kluger Politik das Sonderleben der unterworfenen
Völkerschaften achten und erhalten, wie das im Altertum Rom
schon gethan hat. Daher war auch die Ausbreitung des Christen-
tums, obwohl sie die unentbehrliche Grundlage einer gemeinsamen

§ 3. Geschichte des Völkerrechts.
Institut für Völkerrecht und die aus demselben Jahre stammende
Association für die Reform und Kodifikation des Völkerrechts. Die
Arbeiten des erstgenannten Instituts sind seit 1877 in dem Annuaire
niedergelegt, von dem bisher 16 Bände erschienen sind.

Über den 1874 unternommenen Versuch, das Landkriegsrecht
in Gesetzesform zu bringen, vgl. unten § 39 III.

§ 3. Geschichte des Völkerrechts.

Laurent, Etudes sur l’histoire de l’humanité. Histoire du droit des gens et
des relations internationales. 18 Bde. 1851 bis 1870.

v. Holtzendorff, H. H. I 159 schlieſst die Geschichte des Völkerrechts
gerade mit dem Jahre 1648. Dagegen bringt Rivier hier I 353 eine
wertvolle Darstellung der Litteraturgeschichte des Völkerrechts.

Nys, Les origines du droit international. 1894. Verschiedene Aufsätze des-
selben
Verfassers in der R.J. Derselbe, Etudes de droit internatio-
nal et de droit politique. 1896.

I. Periode: bis 1648.

1. Notwendige thatsächliche Voraussetzung für die Entstehung
eines Völkerrechts ist das gleichzeitige Bestehen (die Koexistenz)
mehrerer Staaten von ungefähr gleicher Macht, die, durch die Ge-
meinsamkeit ihrer Kultur und ihrer Interessen verbunden, in stetem
und lebhaftem Verkehr miteinander stehen.

Das Völkerrecht ist unverträglich mit dem Gedanken eines,
sei es durch einen besondern Bund mit der Gottheit, sei es durch
eine überlegene und eigenartige Kultur „auserwählten Volkes“.
So lange im Sinne des jüdischen wie des klassischen Altertums
der Staatsfremde als Feind, als Ungläubiger oder als Barbar galt,
konnte ein Völkerrecht sich nicht entwickeln. Das Völkerrecht ist
aber auch unverträglich mit dem Gedanken einer Weltherrschaft,
mag diese auch in kluger Politik das Sonderleben der unterworfenen
Völkerschaften achten und erhalten, wie das im Altertum Rom
schon gethan hat. Daher war auch die Ausbreitung des Christen-
tums, obwohl sie die unentbehrliche Grundlage einer gemeinsamen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0031" n="9"/><fw place="top" type="header">§ 3. Geschichte des Völkerrechts.</fw><lb/>
Institut für Völkerrecht und die aus demselben Jahre stammende<lb/>
Association für die Reform und Kodifikation des Völkerrechts. Die<lb/>
Arbeiten des erstgenannten Instituts sind seit 1877 in dem Annuaire<lb/>
niedergelegt, von dem bisher 16 Bände erschienen sind.</p><lb/>
            <p>Über den 1874 unternommenen Versuch, das Landkriegsrecht<lb/>
in Gesetzesform zu bringen, vgl. unten § 39 III.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">§ 3. Geschichte des Völkerrechts.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Laurent</hi>, Etudes sur l&#x2019;histoire de l&#x2019;humanité. Histoire du droit des gens et<lb/>
des relations internationales. 18 Bde. 1851 bis 1870.</p><lb/>
          <p>v. <hi rendition="#g">Holtzendorff</hi>, H. H. I 159 schlie&#x017F;st die Geschichte des Völkerrechts<lb/>
gerade mit dem Jahre 1648. Dagegen bringt <hi rendition="#g">Rivier</hi> hier I 353 eine<lb/>
wertvolle Darstellung der Litteraturgeschichte des Völkerrechts.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Nys</hi>, Les origines du droit international. 1894. Verschiedene Aufsätze <hi rendition="#g">des-<lb/>
selben</hi> Verfassers in der R.J. <hi rendition="#g">Derselbe</hi>, Etudes de droit internatio-<lb/>
nal et de droit politique. 1896.</p><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">I. Periode: bis 1648.</hi> </head><lb/>
            <p>1. Notwendige thatsächliche Voraussetzung für die Entstehung<lb/>
eines Völkerrechts ist das gleichzeitige Bestehen (die Koexistenz)<lb/>
mehrerer Staaten von ungefähr gleicher Macht, die, durch die Ge-<lb/>
meinsamkeit ihrer Kultur und ihrer Interessen verbunden, in stetem<lb/>
und lebhaftem Verkehr miteinander stehen.</p><lb/>
            <p>Das Völkerrecht ist unverträglich mit dem Gedanken eines,<lb/>
sei es durch einen besondern Bund mit der Gottheit, sei es durch<lb/>
eine überlegene und eigenartige Kultur &#x201E;auserwählten Volkes&#x201C;.<lb/>
So lange im Sinne des jüdischen wie des klassischen Altertums<lb/>
der Staatsfremde als Feind, als Ungläubiger oder als Barbar galt,<lb/>
konnte ein Völkerrecht sich nicht entwickeln. Das Völkerrecht ist<lb/>
aber auch unverträglich mit dem Gedanken einer Weltherrschaft,<lb/>
mag diese auch in kluger Politik das Sonderleben der unterworfenen<lb/>
Völkerschaften achten und erhalten, wie das im Altertum Rom<lb/>
schon gethan hat. Daher war auch die Ausbreitung des Christen-<lb/>
tums, obwohl sie die unentbehrliche Grundlage einer gemeinsamen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0031] § 3. Geschichte des Völkerrechts. Institut für Völkerrecht und die aus demselben Jahre stammende Association für die Reform und Kodifikation des Völkerrechts. Die Arbeiten des erstgenannten Instituts sind seit 1877 in dem Annuaire niedergelegt, von dem bisher 16 Bände erschienen sind. Über den 1874 unternommenen Versuch, das Landkriegsrecht in Gesetzesform zu bringen, vgl. unten § 39 III. § 3. Geschichte des Völkerrechts. Laurent, Etudes sur l’histoire de l’humanité. Histoire du droit des gens et des relations internationales. 18 Bde. 1851 bis 1870. v. Holtzendorff, H. H. I 159 schlieſst die Geschichte des Völkerrechts gerade mit dem Jahre 1648. Dagegen bringt Rivier hier I 353 eine wertvolle Darstellung der Litteraturgeschichte des Völkerrechts. Nys, Les origines du droit international. 1894. Verschiedene Aufsätze des- selben Verfassers in der R.J. Derselbe, Etudes de droit internatio- nal et de droit politique. 1896. I. Periode: bis 1648. 1. Notwendige thatsächliche Voraussetzung für die Entstehung eines Völkerrechts ist das gleichzeitige Bestehen (die Koexistenz) mehrerer Staaten von ungefähr gleicher Macht, die, durch die Ge- meinsamkeit ihrer Kultur und ihrer Interessen verbunden, in stetem und lebhaftem Verkehr miteinander stehen. Das Völkerrecht ist unverträglich mit dem Gedanken eines, sei es durch einen besondern Bund mit der Gottheit, sei es durch eine überlegene und eigenartige Kultur „auserwählten Volkes“. So lange im Sinne des jüdischen wie des klassischen Altertums der Staatsfremde als Feind, als Ungläubiger oder als Barbar galt, konnte ein Völkerrecht sich nicht entwickeln. Das Völkerrecht ist aber auch unverträglich mit dem Gedanken einer Weltherrschaft, mag diese auch in kluger Politik das Sonderleben der unterworfenen Völkerschaften achten und erhalten, wie das im Altertum Rom schon gethan hat. Daher war auch die Ausbreitung des Christen- tums, obwohl sie die unentbehrliche Grundlage einer gemeinsamen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/31
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/31>, abgerufen am 22.12.2024.