IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
Damit hat dieser aufgehört, als Staat, mithin als völkerrecht- liches Rechtssubjekt, zu existieren. In diesem Fall können Ab- machungen oder "Kapitulationen" über die Person des bisherigen Herrschers, sein Vermögen, das geschlagene Heer u. s. w. getroffen werden. Ein Beispiel bietet die mit Hannover von Preussen am 29. Juni 1866 zu Langensalza geschlossene Kapitulation.
b) Oder in förmlicher Weise durch Abschluss und Ratifikation des Friedensvertrages.
2. Der Friedensvertrag steht unter denselben völkerrechtlichen Rechtsregeln wie jeder andere Staatsvertrag.
Dies gilt insbesondere von der Berechtigung des Staatsober- hauptes, den von ihm beherrschten Staat zu binden (oben § 12). Dass das in Kriegsgefangenschaft geratene Staatsoberhaupt einen verbindlichen Friedensvertrag schliessen kann, wurde bereits oben § 20 hervorgehoben. Häufig pflegt dem eigentlichen Friedens- vertrag ein Präliminarfrieden voranzugehen. So bildeten die Ver- sailler Friedenspräliminarien vom 26. Februar 1871 die Grund- lage für den Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871; der russisch- türkische Präliminarfrieden von San Stefano 1878 den Ausgangs- punkt für die Beratungen der Berliner Konferenz von demselben Jahre. Dabei sei ins Gedächtnis zurückgerufen, dass die Versailler Friedenspräliminarien vereinbart wurden zwischen dem deutschen Reichskanzler Grafen Bismarck, dem bayrischen Minister des Auswärtigen Grafen v. Bray-Steinburg, dem württembergischen Minister des Auswärtigen Freiherrn v. Wächter, dem Präsidenten des badischen Staatsministeriums Jolly als Vertreter des Deutschen Reichs einerseits und dem Chef du Pouvoir excecutif der Französi- schen Republik Thiers, sowie dem Minister der auswärtigen An- gelegenheiten Jules Favre als Vertreter Frankreichs andrerseits. Dagegen wurde der Frankfurter Frieden unterzeichnet vom deutschen Reichskanzler Fürsten Bismarck und dem deutschen Gesandten bei dem Päpstlichen Stuhl Grafen Harry v. Arnim im Namen des Deutschen Kaisers einerseits; und dem französischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten Jules Favre, dem Finanzminister
IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
Damit hat dieser aufgehört, als Staat, mithin als völkerrecht- liches Rechtssubjekt, zu existieren. In diesem Fall können Ab- machungen oder „Kapitulationen“ über die Person des bisherigen Herrschers, sein Vermögen, das geschlagene Heer u. s. w. getroffen werden. Ein Beispiel bietet die mit Hannover von Preuſsen am 29. Juni 1866 zu Langensalza geschlossene Kapitulation.
b) Oder in förmlicher Weise durch Abschluſs und Ratifikation des Friedensvertrages.
2. Der Friedensvertrag steht unter denselben völkerrechtlichen Rechtsregeln wie jeder andere Staatsvertrag.
Dies gilt insbesondere von der Berechtigung des Staatsober- hauptes, den von ihm beherrschten Staat zu binden (oben § 12). Daſs das in Kriegsgefangenschaft geratene Staatsoberhaupt einen verbindlichen Friedensvertrag schlieſsen kann, wurde bereits oben § 20 hervorgehoben. Häufig pflegt dem eigentlichen Friedens- vertrag ein Präliminarfrieden voranzugehen. So bildeten die Ver- sailler Friedenspräliminarien vom 26. Februar 1871 die Grund- lage für den Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871; der russisch- türkische Präliminarfrieden von San Stefano 1878 den Ausgangs- punkt für die Beratungen der Berliner Konferenz von demselben Jahre. Dabei sei ins Gedächtnis zurückgerufen, daſs die Versailler Friedenspräliminarien vereinbart wurden zwischen dem deutschen Reichskanzler Grafen Bismarck, dem bayrischen Minister des Auswärtigen Grafen v. Bray-Steinburg, dem württembergischen Minister des Auswärtigen Freiherrn v. Wächter, dem Präsidenten des badischen Staatsministeriums Jolly als Vertreter des Deutschen Reichs einerseits und dem Chef du Pouvoir excécutif der Französi- schen Republik Thiers, sowie dem Minister der auswärtigen An- gelegenheiten Jules Favre als Vertreter Frankreichs andrerseits. Dagegen wurde der Frankfurter Frieden unterzeichnet vom deutschen Reichskanzler Fürsten Bismarck und dem deutschen Gesandten bei dem Päpstlichen Stuhl Grafen Harry v. Arnim im Namen des Deutschen Kaisers einerseits; und dem französischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten Jules Favre, dem Finanzminister
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IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
Damit hat dieser aufgehört, als Staat, mithin als völkerrecht-
liches Rechtssubjekt, zu existieren. In diesem Fall können Ab-
machungen oder „Kapitulationen“ über die Person des bisherigen
Herrschers, sein Vermögen, das geschlagene Heer u. s. w. getroffen
werden. Ein Beispiel bietet die mit Hannover von Preuſsen am
29. Juni 1866 zu Langensalza geschlossene Kapitulation.
b) Oder in förmlicher Weise durch Abschluſs und Ratifikation des
Friedensvertrages.
2. Der Friedensvertrag steht unter denselben völkerrechtlichen
Rechtsregeln wie jeder andere Staatsvertrag.
Dies gilt insbesondere von der Berechtigung des Staatsober-
hauptes, den von ihm beherrschten Staat zu binden (oben § 12).
Daſs das in Kriegsgefangenschaft geratene Staatsoberhaupt einen
verbindlichen Friedensvertrag schlieſsen kann, wurde bereits oben
§ 20 hervorgehoben. Häufig pflegt dem eigentlichen Friedens-
vertrag ein Präliminarfrieden voranzugehen. So bildeten die Ver-
sailler Friedenspräliminarien vom 26. Februar 1871 die Grund-
lage für den Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871; der russisch-
türkische Präliminarfrieden von San Stefano 1878 den Ausgangs-
punkt für die Beratungen der Berliner Konferenz von demselben
Jahre. Dabei sei ins Gedächtnis zurückgerufen, daſs die Versailler
Friedenspräliminarien vereinbart wurden zwischen dem deutschen
Reichskanzler Grafen Bismarck, dem bayrischen Minister des
Auswärtigen Grafen v. Bray-Steinburg, dem württembergischen
Minister des Auswärtigen Freiherrn v. Wächter, dem Präsidenten
des badischen Staatsministeriums Jolly als Vertreter des Deutschen
Reichs einerseits und dem Chef du Pouvoir excécutif der Französi-
schen Republik Thiers, sowie dem Minister der auswärtigen An-
gelegenheiten Jules Favre als Vertreter Frankreichs andrerseits.
Dagegen wurde der Frankfurter Frieden unterzeichnet vom deutschen
Reichskanzler Fürsten Bismarck und dem deutschen Gesandten
bei dem Päpstlichen Stuhl Grafen Harry v. Arnim im Namen
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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/236>, abgerufen am 06.07.2024.
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