II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
pflichtet. Doch wird bei Staatsverträgen zumeist (unten § 21) ausser der Erklärung des Bevollmächtigten noch die hinzutretende feierliche Genehmigung des Staatsoberhauptes (die sogenannte Ratifikation) verlangt.
c) Willenserklärungen, die von einzelnen Staatsangehörigen aus- gehen, mögen diese auch in beamteter Stellung sich befinden, bedürfen, um den Staat zu berechtigen oder zu verpflichten, der nachfolgenden Genehmigung der Staatsgewalt.
d) Die empfangsbedürftige Willenserklärung muss dem zu ihrem Empfang befugten Vertreter des andern Staates gegenüber ab- gegeben werden.
Sie kann daher, wenn sie von dem Staat A dem Staate B abgegeben werden soll, entweder an den bei dem Staate A beglau- bigten Vertreter des Staates B durch den Minister des Auswärtigen des Staates A oder aber durch den bei dem Staate B beglaubigten Vertreter des Staates A an den Minister des Auswärtigen des Staates B abgegeben werden.
2. Jede Willenserklärung kann ausdrücklich oder durch kon- kludente Handlungen oder aber auch stillschweigend erfolgen. Dies gilt insbesondere auch von der Kriegserklärung (unten § 39 IV).
Nachdem Frankreich die Schutzherrschaft über Madagaskar erworben und demgemäss die Vertretung Madagaskars in allen auswärtigen Beziehungen in seine Hand genommen hatte, bedeutete die von seiten der Vereinigten Staaten erfolgte Einholung des Exequatur für den in Madagaskar zu bestellenden Konsul bei dem französischen Residenten in Tamatave die Anerkennung der französi- schen Schutzherrschaft durch die Vereinigten Staaten.
Das Stillschweigen eines Staates, dem eine Veränderung in den rechtlichen Beziehungen zweier Staaten, insbesondere eine Gebiets- veränderung oder die Erwerbung einer Schutzherrschaft durch den erwerbenden Teil in amtlicher Weise mitgeteilt worden ist (sogenannte Notifikation) hat dieselbe Wirkung wie der ausdrückliche Verzicht jenes Staates auf diejenigen Rechte, die durch die mitgeteilte Ver- änderung notwendig und offensichtlich verletzt oder gefährdet werden.
Das Stillschweigen bedeutet also beispielsweise Einwilligung in die Kündigung derjenigen Verträge, welche der die Schutzherrschaft
II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
pflichtet. Doch wird bei Staatsverträgen zumeist (unten § 21) auſser der Erklärung des Bevollmächtigten noch die hinzutretende feierliche Genehmigung des Staatsoberhauptes (die sogenannte Ratifikation) verlangt.
c) Willenserklärungen, die von einzelnen Staatsangehörigen aus- gehen, mögen diese auch in beamteter Stellung sich befinden, bedürfen, um den Staat zu berechtigen oder zu verpflichten, der nachfolgenden Genehmigung der Staatsgewalt.
d) Die empfangsbedürftige Willenserklärung muſs dem zu ihrem Empfang befugten Vertreter des andern Staates gegenüber ab- gegeben werden.
Sie kann daher, wenn sie von dem Staat A dem Staate B abgegeben werden soll, entweder an den bei dem Staate A beglau- bigten Vertreter des Staates B durch den Minister des Auswärtigen des Staates A oder aber durch den bei dem Staate B beglaubigten Vertreter des Staates A an den Minister des Auswärtigen des Staates B abgegeben werden.
2. Jede Willenserklärung kann ausdrücklich oder durch kon- kludente Handlungen oder aber auch stillschweigend erfolgen. Dies gilt insbesondere auch von der Kriegserklärung (unten § 39 IV).
Nachdem Frankreich die Schutzherrschaft über Madagaskar erworben und demgemäſs die Vertretung Madagaskars in allen auswärtigen Beziehungen in seine Hand genommen hatte, bedeutete die von seiten der Vereinigten Staaten erfolgte Einholung des Exequatur für den in Madagaskar zu bestellenden Konsul bei dem französischen Residenten in Tamatave die Anerkennung der französi- schen Schutzherrschaft durch die Vereinigten Staaten.
Das Stillschweigen eines Staates, dem eine Veränderung in den rechtlichen Beziehungen zweier Staaten, insbesondere eine Gebiets- veränderung oder die Erwerbung einer Schutzherrschaft durch den erwerbenden Teil in amtlicher Weise mitgeteilt worden ist (sogenannte Notifikation) hat dieselbe Wirkung wie der ausdrückliche Verzicht jenes Staates auf diejenigen Rechte, die durch die mitgeteilte Ver- änderung notwendig und offensichtlich verletzt oder gefährdet werden.
Das Stillschweigen bedeutet also beispielsweise Einwilligung in die Kündigung derjenigen Verträge, welche der die Schutzherrschaft
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II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
pflichtet. Doch wird bei Staatsverträgen zumeist (unten § 21)
auſser der Erklärung des Bevollmächtigten noch die hinzutretende
feierliche Genehmigung des Staatsoberhauptes (die sogenannte
Ratifikation) verlangt.
c) Willenserklärungen, die von einzelnen Staatsangehörigen aus-
gehen, mögen diese auch in beamteter Stellung sich befinden,
bedürfen, um den Staat zu berechtigen oder zu verpflichten, der
nachfolgenden Genehmigung der Staatsgewalt.
d) Die empfangsbedürftige Willenserklärung muſs dem zu ihrem
Empfang befugten Vertreter des andern Staates gegenüber ab-
gegeben werden.
Sie kann daher, wenn sie von dem Staat A dem Staate B
abgegeben werden soll, entweder an den bei dem Staate A beglau-
bigten Vertreter des Staates B durch den Minister des Auswärtigen
des Staates A oder aber durch den bei dem Staate B beglaubigten
Vertreter des Staates A an den Minister des Auswärtigen des
Staates B abgegeben werden.
2. Jede Willenserklärung kann ausdrücklich oder durch kon-
kludente Handlungen oder aber auch stillschweigend erfolgen. Dies
gilt insbesondere auch von der Kriegserklärung (unten § 39 IV).
Nachdem Frankreich die Schutzherrschaft über Madagaskar
erworben und demgemäſs die Vertretung Madagaskars in allen
auswärtigen Beziehungen in seine Hand genommen hatte, bedeutete
die von seiten der Vereinigten Staaten erfolgte Einholung des
Exequatur für den in Madagaskar zu bestellenden Konsul bei dem
französischen Residenten in Tamatave die Anerkennung der französi-
schen Schutzherrschaft durch die Vereinigten Staaten.
Das Stillschweigen eines Staates, dem eine Veränderung in den
rechtlichen Beziehungen zweier Staaten, insbesondere eine Gebiets-
veränderung oder die Erwerbung einer Schutzherrschaft durch den
erwerbenden Teil in amtlicher Weise mitgeteilt worden ist (sogenannte
Notifikation) hat dieselbe Wirkung wie der ausdrückliche Verzicht
jenes Staates auf diejenigen Rechte, die durch die mitgeteilte Ver-
änderung notwendig und offensichtlich verletzt oder gefährdet werden.
Das Stillschweigen bedeutet also beispielsweise Einwilligung in
die Kündigung derjenigen Verträge, welche der die Schutzherrschaft
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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/132>, abgerufen am 20.02.2025.
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