Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
Befreiung findet "auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Verab-
reichung der Fourage insoweit Anwendung, als der vorhandene
Fouragebestand für den Unterhalt derjenigen Pferde erforderlich
ist, auf welche sich die Befreiung bezieht."

5. Den uneingeschränkten und ungehemmten Verkehr mit dem
Absendestaat
(unbedingtes Brief- und Depeschengeheimnis,
dessen Verletzung mithin ein völkerrechtliches Delikt darstellt).

Daher darf auch das Reisegepäck der Kuriere keiner Grenz-
untersuchung unterzogen werden. (Dagegen Zorn II 435.)

6. Gerichtsbarkeit über die eigenen Staatsangehörigen darf der
Gesandte nur innerhalb der durch den Empfangsstaat gezogenen Grenzen
ausüben.

Im allgemeinen wird ihm die freiwillige Gerichtsbarkeit ein-
geräumt (Beurkundung aller Art, standesamtliche Funktionen).

7. Von geringer praktischer Bedeutung ist heute die sogenannte
Kapellenfreiheit,
d. h. das (in den Verträgen mit den süd- und
mittelamerikanischen Staaten vielfach noch ausdrücklich vereinbarte)
Recht des Gesandten, nicht nur für die der Gesandtschaft ange-
hörigen Personen in der Gesandtschaftskapelle den Gottesdienst
halten zu lassen, sondern zu diesem auch andern dem Absende-
staate angehörigen Glaubensgenossen den Zutritt zu gewähren.

Auch hier ist aber vor dem Missverständnisse zu warnen,
als stelle die Gesandtschaftskapelle ausländisches Staatsgebiet dar:
die in der Kapelle der englischen Botschaft in Berlin zwischen
Engländern geschlossene Ehe ist auf deutschem Boden geschlossen.

In den Verträgen mit den halbcivilisierten Staaten werden
wohl den beiderseitigen Gesandten diese Vorrechte, sei es durch
einen allgemeinen Hinweis auf die Grundsätze des Völkerrechts,
sei es durch Aufzählung der einzelnen Freiheiten, ausdrücklich
zugestanden. Vgl. Vertrag des Deutschen Zollvereins mit China vom
2. September 1861 (Preussische Gesetzsammlung 1863 S. 265)
Artikel 3: "Die diplomatischen Agenten Preussens und Chinas sollen
gegenseitig am Orte ihres Aufenthalts die Vorrechte und Frei-
heiten geniessen, welche das Völkerrecht ihnen gewährt. Ihre Person,

II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
Befreiung findet „auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Verab-
reichung der Fourage insoweit Anwendung, als der vorhandene
Fouragebestand für den Unterhalt derjenigen Pferde erforderlich
ist, auf welche sich die Befreiung bezieht.“

5. Den uneingeschränkten und ungehemmten Verkehr mit dem
Absendestaat
(unbedingtes Brief- und Depeschengeheimnis,
dessen Verletzung mithin ein völkerrechtliches Delikt darstellt).

Daher darf auch das Reisegepäck der Kuriere keiner Grenz-
untersuchung unterzogen werden. (Dagegen Zorn II 435.)

6. Gerichtsbarkeit über die eigenen Staatsangehörigen darf der
Gesandte nur innerhalb der durch den Empfangsstaat gezogenen Grenzen
ausüben.

Im allgemeinen wird ihm die freiwillige Gerichtsbarkeit ein-
geräumt (Beurkundung aller Art, standesamtliche Funktionen).

7. Von geringer praktischer Bedeutung ist heute die sogenannte
Kapellenfreiheit,
d. h. das (in den Verträgen mit den süd- und
mittelamerikanischen Staaten vielfach noch ausdrücklich vereinbarte)
Recht des Gesandten, nicht nur für die der Gesandtschaft ange-
hörigen Personen in der Gesandtschaftskapelle den Gottesdienst
halten zu lassen, sondern zu diesem auch andern dem Absende-
staate angehörigen Glaubensgenossen den Zutritt zu gewähren.

Auch hier ist aber vor dem Miſsverständnisse zu warnen,
als stelle die Gesandtschaftskapelle ausländisches Staatsgebiet dar:
die in der Kapelle der englischen Botschaft in Berlin zwischen
Engländern geschlossene Ehe ist auf deutschem Boden geschlossen.

In den Verträgen mit den halbcivilisierten Staaten werden
wohl den beiderseitigen Gesandten diese Vorrechte, sei es durch
einen allgemeinen Hinweis auf die Grundsätze des Völkerrechts,
sei es durch Aufzählung der einzelnen Freiheiten, ausdrücklich
zugestanden. Vgl. Vertrag des Deutschen Zollvereins mit China vom
2. September 1861 (Preuſsische Gesetzsammlung 1863 S. 265)
Artikel 3: „Die diplomatischen Agenten Preuſsens und Chinas sollen
gegenseitig am Orte ihres Aufenthalts die Vorrechte und Frei-
heiten genieſsen, welche das Völkerrecht ihnen gewährt. Ihre Person,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0102" n="80"/><fw place="top" type="header">II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.</fw><lb/>
Befreiung findet &#x201E;auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Verab-<lb/>
reichung der Fourage insoweit Anwendung, als der vorhandene<lb/>
Fouragebestand für den Unterhalt derjenigen Pferde erforderlich<lb/>
ist, auf welche sich die Befreiung bezieht.&#x201C;</p><lb/>
              <p><hi rendition="#b">5. Den uneingeschränkten und ungehemmten Verkehr mit dem<lb/>
Absendestaat</hi> (<hi rendition="#g">unbedingtes Brief- und Depeschengeheimnis</hi>,<lb/>
dessen Verletzung mithin ein völkerrechtliches Delikt darstellt).</p><lb/>
              <p>Daher darf auch das Reisegepäck der Kuriere keiner Grenz-<lb/>
untersuchung unterzogen werden. (Dagegen <hi rendition="#g">Zorn</hi> II 435.)</p><lb/>
              <p> <hi rendition="#b">6. Gerichtsbarkeit über die eigenen Staatsangehörigen darf der<lb/>
Gesandte nur innerhalb der durch den Empfangsstaat gezogenen Grenzen<lb/>
ausüben.</hi> </p><lb/>
              <p>Im allgemeinen wird ihm die freiwillige Gerichtsbarkeit ein-<lb/>
geräumt (Beurkundung aller Art, standesamtliche Funktionen).</p><lb/>
              <p><hi rendition="#b">7. Von geringer praktischer Bedeutung ist heute die sogenannte<lb/>
Kapellenfreiheit,</hi> d. h. das (in den Verträgen mit den süd- und<lb/>
mittelamerikanischen Staaten vielfach noch ausdrücklich vereinbarte)<lb/>
Recht des Gesandten, nicht nur für die der Gesandtschaft ange-<lb/>
hörigen Personen in der Gesandtschaftskapelle den Gottesdienst<lb/>
halten zu lassen, sondern zu diesem auch andern dem Absende-<lb/>
staate angehörigen Glaubensgenossen den Zutritt zu gewähren.</p><lb/>
              <p>Auch hier ist aber vor dem Mi&#x017F;sverständnisse zu warnen,<lb/>
als stelle die Gesandtschaftskapelle ausländisches Staatsgebiet dar:<lb/>
die in der Kapelle der englischen Botschaft in Berlin zwischen<lb/>
Engländern geschlossene Ehe ist auf deutschem Boden geschlossen.</p><lb/>
              <p>In den Verträgen mit den halbcivilisierten Staaten werden<lb/>
wohl den beiderseitigen Gesandten diese Vorrechte, sei es durch<lb/>
einen allgemeinen Hinweis auf die Grundsätze des Völkerrechts,<lb/>
sei es durch Aufzählung der einzelnen Freiheiten, ausdrücklich<lb/>
zugestanden. Vgl. Vertrag des Deutschen Zollvereins mit China vom<lb/>
2. September 1861 (Preu&#x017F;sische Gesetzsammlung 1863 S. 265)<lb/>
Artikel 3: &#x201E;Die diplomatischen Agenten Preu&#x017F;sens und Chinas sollen<lb/>
gegenseitig am Orte ihres Aufenthalts die Vorrechte und Frei-<lb/>
heiten genie&#x017F;sen, welche das Völkerrecht ihnen gewährt. Ihre Person,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0102] II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen. Befreiung findet „auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Verab- reichung der Fourage insoweit Anwendung, als der vorhandene Fouragebestand für den Unterhalt derjenigen Pferde erforderlich ist, auf welche sich die Befreiung bezieht.“ 5. Den uneingeschränkten und ungehemmten Verkehr mit dem Absendestaat (unbedingtes Brief- und Depeschengeheimnis, dessen Verletzung mithin ein völkerrechtliches Delikt darstellt). Daher darf auch das Reisegepäck der Kuriere keiner Grenz- untersuchung unterzogen werden. (Dagegen Zorn II 435.) 6. Gerichtsbarkeit über die eigenen Staatsangehörigen darf der Gesandte nur innerhalb der durch den Empfangsstaat gezogenen Grenzen ausüben. Im allgemeinen wird ihm die freiwillige Gerichtsbarkeit ein- geräumt (Beurkundung aller Art, standesamtliche Funktionen). 7. Von geringer praktischer Bedeutung ist heute die sogenannte Kapellenfreiheit, d. h. das (in den Verträgen mit den süd- und mittelamerikanischen Staaten vielfach noch ausdrücklich vereinbarte) Recht des Gesandten, nicht nur für die der Gesandtschaft ange- hörigen Personen in der Gesandtschaftskapelle den Gottesdienst halten zu lassen, sondern zu diesem auch andern dem Absende- staate angehörigen Glaubensgenossen den Zutritt zu gewähren. Auch hier ist aber vor dem Miſsverständnisse zu warnen, als stelle die Gesandtschaftskapelle ausländisches Staatsgebiet dar: die in der Kapelle der englischen Botschaft in Berlin zwischen Engländern geschlossene Ehe ist auf deutschem Boden geschlossen. In den Verträgen mit den halbcivilisierten Staaten werden wohl den beiderseitigen Gesandten diese Vorrechte, sei es durch einen allgemeinen Hinweis auf die Grundsätze des Völkerrechts, sei es durch Aufzählung der einzelnen Freiheiten, ausdrücklich zugestanden. Vgl. Vertrag des Deutschen Zollvereins mit China vom 2. September 1861 (Preuſsische Gesetzsammlung 1863 S. 265) Artikel 3: „Die diplomatischen Agenten Preuſsens und Chinas sollen gegenseitig am Orte ihres Aufenthalts die Vorrechte und Frei- heiten genieſsen, welche das Völkerrecht ihnen gewährt. Ihre Person,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/102
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/102>, abgerufen am 24.11.2024.