griff auf ein weder inländisches noch internationales Rechts- gut unternommen hat, der Herrschaft seiner Strafgesetze zu unterwerfen. Da der Inländer nämlich nach kontinentalem Grundsatze (anders nach englischem Recht) nie zur Bestra- fung dem Auslande ausgeliefert wird (StGB. §. 9), würde der Inländer, der nach im Auslande begangener That sich ins Inland geflüchtet hat, ohne diese Erweiterung des Gel- tungsgebietes der heimischen Gesetzgebung straflos bleiben.
II. Das Geltungsgebiet des inländischen Strafrechts dem ausländischen gegenüber wird von Wissenschaft und Ge- setzgebung in der verschiedensten Weise bestimmt. Wir können die folgenden Systeme unterscheiden:
1. Das universelle der Weltrechtspflege, nach welchem jeder einzelne Staat als Repräsentant der Kultur- gemeinschaft bei allen wo immer begangenen Verbrechen zur Ausübung der Rechtspflege berufen ist.
2. Beschränkte Systeme.
a) Das Territorialitätsprinzip, welches den Staat für berechtigt erklärt, alle auf seinem Gebiete be- gangenen Verbrechen, aber auch nur diese, nach seinem Straf- rechte zu ahnden.
b) Das Prinzip der aktiven Nationalität. Der Staatsbürger wo immer er sich befinden mag, aber auch nur er, untersteht den inländischen Strafgesetzen.
c) Das Prinzip der passiven Nationalität. Nach ihm schützt der Staat durch sein Strafrecht nur die heimi- schen Rechtsgüter, diese aber auch dann, wenn sie sich im Auslande befinden.
3. Kombinirende Systeme. Zu ihnen gehört das oben aufgestellte. In der modernen Gesetzgebung haben sie die Herrschaft. Sie gehen zumeist aus von dem Territorial-
Inländiſches und ausländiſches Recht. §. 13.
griff auf ein weder inländiſches noch internationales Rechts- gut unternommen hat, der Herrſchaft ſeiner Strafgeſetze zu unterwerfen. Da der Inländer nämlich nach kontinentalem Grundſatze (anders nach engliſchem Recht) nie zur Beſtra- fung dem Auslande ausgeliefert wird (StGB. §. 9), würde der Inländer, der nach im Auslande begangener That ſich ins Inland geflüchtet hat, ohne dieſe Erweiterung des Gel- tungsgebietes der heimiſchen Geſetzgebung ſtraflos bleiben.
II. Das Geltungsgebiet des inländiſchen Strafrechts dem ausländiſchen gegenüber wird von Wiſſenſchaft und Ge- ſetzgebung in der verſchiedenſten Weiſe beſtimmt. Wir können die folgenden Syſteme unterſcheiden:
1. Das univerſelle der Weltrechtspflege, nach welchem jeder einzelne Staat als Repräſentant der Kultur- gemeinſchaft bei allen wo immer begangenen Verbrechen zur Ausübung der Rechtspflege berufen iſt.
2. Beſchränkte Syſteme.
a) Das Territorialitätsprinzip, welches den Staat für berechtigt erklärt, alle auf ſeinem Gebiete be- gangenen Verbrechen, aber auch nur dieſe, nach ſeinem Straf- rechte zu ahnden.
b) Das Prinzip der aktiven Nationalität. Der Staatsbürger wo immer er ſich befinden mag, aber auch nur er, unterſteht den inländiſchen Strafgeſetzen.
c) Das Prinzip der paſſiven Nationalität. Nach ihm ſchützt der Staat durch ſein Strafrecht nur die heimi- ſchen Rechtsgüter, dieſe aber auch dann, wenn ſie ſich im Auslande befinden.
3. Kombinirende Syſteme. Zu ihnen gehört das oben aufgeſtellte. In der modernen Geſetzgebung haben ſie die Herrſchaft. Sie gehen zumeiſt aus von dem Territorial-
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Inländiſches und ausländiſches Recht. §. 13.
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gut unternommen hat, der Herrſchaft ſeiner Strafgeſetze zu
unterwerfen. Da der Inländer nämlich nach kontinentalem
Grundſatze (anders nach engliſchem Recht) nie zur Beſtra-
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der Inländer, der nach im Auslande begangener That ſich
ins Inland geflüchtet hat, ohne dieſe Erweiterung des Gel-
tungsgebietes der heimiſchen Geſetzgebung ſtraflos bleiben.
II. Das Geltungsgebiet des inländiſchen Strafrechts
dem ausländiſchen gegenüber wird von Wiſſenſchaft und Ge-
ſetzgebung in der verſchiedenſten Weiſe beſtimmt. Wir können
die folgenden Syſteme unterſcheiden:
1. Das univerſelle der Weltrechtspflege, nach
welchem jeder einzelne Staat als Repräſentant der Kultur-
gemeinſchaft bei allen wo immer begangenen Verbrechen zur
Ausübung der Rechtspflege berufen iſt.
2. Beſchränkte Syſteme.
a) Das Territorialitätsprinzip, welches den
Staat für berechtigt erklärt, alle auf ſeinem Gebiete be-
gangenen Verbrechen, aber auch nur dieſe, nach ſeinem Straf-
rechte zu ahnden.
b) Das Prinzip der aktiven Nationalität. Der
Staatsbürger wo immer er ſich befinden mag, aber auch nur
er, unterſteht den inländiſchen Strafgeſetzen.
c) Das Prinzip der paſſiven Nationalität. Nach
ihm ſchützt der Staat durch ſein Strafrecht nur die heimi-
ſchen Rechtsgüter, dieſe aber auch dann, wenn ſie ſich im
Auslande befinden.
3. Kombinirende Syſteme. Zu ihnen gehört das
oben aufgeſtellte. In der modernen Geſetzgebung haben ſie
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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/79>, abgerufen am 16.02.2025.
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