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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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II. Delikte an Urkunden. §. 88.
sei es a) (StGB. §. 267), daß der Thäter selbst die Ur-
kunde in rechtswidriger Absicht (d. h.4 in der Absicht,
von ihr zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch zu machen),
gefälscht hat; sei es b) daß er wissentlich von einer durch ihn
selbst ohne diese Absicht oder durch einen Dritten gefälschten
Urkunde Gebrauch macht (StGB. §. 269), bildet nach posi-
tivem Recht den Kern der eigentlichen Urkundenfälschung.
Erst mit dem Gebrauchen (d. h. mit dem Vorzeigen der
Urkunde, um durch die ihr innewohnende Beweiskraft auf den
Anderen zu wirken)5 tritt die Vollendung ein. Der straf-
bare Versuch beginnt dagegen im Falle a schon mit dem
Beginne des Fälschens, im Falle b erst mit dem Beginne
des Gebrauchens. Daß der zu Täuschende und der zu Be-
schädigende nicht identisch zu sein brauchen, dürfte zweifel-
los sein.

Strafe: Gefängnis.

Erhöhte Strafe tritt ein (StGB. §. 268), wenn die
Fälschung in der Absicht (gleich erweiterter Vorsatz, oben
§. 28 III) begangen wird, sich oder einem Anderen einen nicht
notwendig rechtswidrigen6 Vermögensvorteil (Begriff
oben §. 73 I 3) zu verschaffen, oder einem Anderen Schaden
(nicht notwendig an seinem Vermögen) zuzufügen; und zwar:

4 [Spaltenumbruch] Häufig anders gefaßt; mit
der Fassung des Textes über-
einstimmend RGR. 3. Juni 1880,
E II 174. (Gebrauch eines ge-
fälschten Beweismittels zum
Zwecke der Ausübung eines dem
Thäter zustehenden Rechts.) Bei-
spiele in RGR. 4. Februar 1880,
E I 293; 12. Februar 1880, R
I
350; 1. Mai 1880, E II 34,
R I 713.
5 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 28. Februar
1880, E I 230, R I 400. Das
Aufgeben eines Telegramms
unter falschem Namen ist daher
nicht Urkundenfälschung: RGR.
15. Mai 1880, R I 793; 31. März
1880, R 1 513.
6 [Spaltenumbruch] RGR. 3. Mai 1880, E II
41.

II. Delikte an Urkunden. §. 88.
ſei es a) (StGB. §. 267), daß der Thäter ſelbſt die Ur-
kunde in rechtswidriger Abſicht (d. h.4 in der Abſicht,
von ihr zum Zwecke einer Täuſchung Gebrauch zu machen),
gefälſcht hat; ſei es b) daß er wiſſentlich von einer durch ihn
ſelbſt ohne dieſe Abſicht oder durch einen Dritten gefälſchten
Urkunde Gebrauch macht (StGB. §. 269), bildet nach poſi-
tivem Recht den Kern der eigentlichen Urkundenfälſchung.
Erſt mit dem Gebrauchen (d. h. mit dem Vorzeigen der
Urkunde, um durch die ihr innewohnende Beweiskraft auf den
Anderen zu wirken)5 tritt die Vollendung ein. Der ſtraf-
bare Verſuch beginnt dagegen im Falle a ſchon mit dem
Beginne des Fälſchens, im Falle b erſt mit dem Beginne
des Gebrauchens. Daß der zu Täuſchende und der zu Be-
ſchädigende nicht identiſch zu ſein brauchen, dürfte zweifel-
los ſein.

Strafe: Gefängnis.

Erhöhte Strafe tritt ein (StGB. §. 268), wenn die
Fälſchung in der Abſicht (gleich erweiterter Vorſatz, oben
§. 28 III) begangen wird, ſich oder einem Anderen einen nicht
notwendig rechtswidrigen6 Vermögensvorteil (Begriff
oben §. 73 I 3) zu verſchaffen, oder einem Anderen Schaden
(nicht notwendig an ſeinem Vermögen) zuzufügen; und zwar:

4 [Spaltenumbruch] Häufig anders gefaßt; mit
der Faſſung des Textes über-
einſtimmend RGR. 3. Juni 1880,
E II 174. (Gebrauch eines ge-
fälſchten Beweismittels zum
Zwecke der Ausübung eines dem
Thäter zuſtehenden Rechts.) Bei-
ſpiele in RGR. 4. Februar 1880,
E I 293; 12. Februar 1880, R
I
350; 1. Mai 1880, E II 34,
R I 713.
5 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 28. Februar
1880, E I 230, R I 400. Das
Aufgeben eines Telegramms
unter falſchem Namen iſt daher
nicht Urkundenfälſchung: RGR.
15. Mai 1880, R I 793; 31. März
1880, R 1 513.
6 [Spaltenumbruch] RGR. 3. Mai 1880, E II
41.
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[359/0385] II. Delikte an Urkunden. §. 88. ſei es a) (StGB. §. 267), daß der Thäter ſelbſt die Ur- kunde in rechtswidriger Abſicht (d. h. 4 in der Abſicht, von ihr zum Zwecke einer Täuſchung Gebrauch zu machen), gefälſcht hat; ſei es b) daß er wiſſentlich von einer durch ihn ſelbſt ohne dieſe Abſicht oder durch einen Dritten gefälſchten Urkunde Gebrauch macht (StGB. §. 269), bildet nach poſi- tivem Recht den Kern der eigentlichen Urkundenfälſchung. Erſt mit dem Gebrauchen (d. h. mit dem Vorzeigen der Urkunde, um durch die ihr innewohnende Beweiskraft auf den Anderen zu wirken) 5 tritt die Vollendung ein. Der ſtraf- bare Verſuch beginnt dagegen im Falle a ſchon mit dem Beginne des Fälſchens, im Falle b erſt mit dem Beginne des Gebrauchens. Daß der zu Täuſchende und der zu Be- ſchädigende nicht identiſch zu ſein brauchen, dürfte zweifel- los ſein. Strafe: Gefängnis. Erhöhte Strafe tritt ein (StGB. §. 268), wenn die Fälſchung in der Abſicht (gleich erweiterter Vorſatz, oben §. 28 III) begangen wird, ſich oder einem Anderen einen nicht notwendig rechtswidrigen 6 Vermögensvorteil (Begriff oben §. 73 I 3) zu verſchaffen, oder einem Anderen Schaden (nicht notwendig an ſeinem Vermögen) zuzufügen; und zwar: 4 Häufig anders gefaßt; mit der Faſſung des Textes über- einſtimmend RGR. 3. Juni 1880, E II 174. (Gebrauch eines ge- fälſchten Beweismittels zum Zwecke der Ausübung eines dem Thäter zuſtehenden Rechts.) Bei- ſpiele in RGR. 4. Februar 1880, E I 293; 12. Februar 1880, R I 350; 1. Mai 1880, E II 34, R I 713. 5 Vgl. RGR. 28. Februar 1880, E I 230, R I 400. Das Aufgeben eines Telegramms unter falſchem Namen iſt daher nicht Urkundenfälſchung: RGR. 15. Mai 1880, R I 793; 31. März 1880, R 1 513. 6 RGR. 3. Mai 1880, E II 41.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/385>, abgerufen am 22.11.2024.