Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Erstes Buch. V. Delikte gegen immaterielle Rechtsgüter. dung (StGB. §. 187), d. i. die wider besseres Wissen inBezug auf einen Anderen erfolgende Behauptung oder Ver- breitung von Thatsachen, welche dessen Kredit zu gefährden geeignet sind. Der persönliche Kredit ist nichts als die wirtschaftliche Seite der Ehre, das Interesse desjenigen, dessen Stellung das Kreditnehmen mit sich bringt, als zah- lungsfähig und zahlungswillig betrachtet und behandelt zu werden. Daß diese Seite der Ehre auch in Bezug auf Handelsgesellschaften, also Kollektivpersönlichkeiten, durch §. 187 StGB. geschützt werden soll, wird allgemein zuge- geben. Strafe wie zu 4. 5. Gefährdung der Familienehre durch Ver- 8 [Spaltenumbruch]
Die Konstruktion des §. 189
StGB. ist eine sehr bestrittene. Für meine Auffassung scheint mir nicht nur Stellung und[Spaltenumbruch] Fassung des §. 189, sondern auch das natürliche Gefühl zu sprechen. Die Solidarität der Interessen der Familienglieder Erſtes Buch. V. Delikte gegen immaterielle Rechtsgüter. dung (StGB. §. 187), d. i. die wider beſſeres Wiſſen inBezug auf einen Anderen erfolgende Behauptung oder Ver- breitung von Thatſachen, welche deſſen Kredit zu gefährden geeignet ſind. Der perſönliche Kredit iſt nichts als die wirtſchaftliche Seite der Ehre, das Intereſſe desjenigen, deſſen Stellung das Kreditnehmen mit ſich bringt, als zah- lungsfähig und zahlungswillig betrachtet und behandelt zu werden. Daß dieſe Seite der Ehre auch in Bezug auf Handelsgeſellſchaften, alſo Kollektivperſönlichkeiten, durch §. 187 StGB. geſchützt werden ſoll, wird allgemein zuge- geben. Strafe wie zu 4. 5. Gefährdung der Familienehre durch Ver- 8 [Spaltenumbruch]
Die Konſtruktion des §. 189
StGB. iſt eine ſehr beſtrittene. Für meine Auffaſſung ſcheint mir nicht nur Stellung und[Spaltenumbruch] Faſſung des §. 189, ſondern auch das natürliche Gefühl zu ſprechen. Die Solidarität der Intereſſen der Familienglieder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0350" n="324"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch. <hi rendition="#aq">V.</hi> Delikte gegen immaterielle Rechtsgüter.</fw><lb/><hi rendition="#g">dung</hi> (StGB. §. 187), d. i. die wider beſſeres Wiſſen in<lb/> Bezug auf einen Anderen erfolgende Behauptung oder Ver-<lb/> breitung von Thatſachen, welche deſſen Kredit zu gefährden<lb/> geeignet ſind. Der perſönliche Kredit iſt nichts als die<lb/><hi rendition="#g">wirtſchaftliche Seite der Ehre</hi>, das Intereſſe desjenigen,<lb/> deſſen Stellung das Kreditnehmen mit ſich bringt, als zah-<lb/> lungsfähig und zahlungswillig betrachtet und behandelt zu<lb/> werden. Daß dieſe Seite der Ehre auch in Bezug auf<lb/> Handelsgeſellſchaften, alſo Kollektivperſönlichkeiten, durch<lb/> §. 187 StGB. geſchützt werden ſoll, wird allgemein zuge-<lb/> geben.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Strafe</hi> wie zu 4.</p><lb/> <p>5. <hi rendition="#g">Gefährdung der Familienehre durch Ver-<lb/> leumdung Verſtorbener</hi> (StGB. §. 189), d. h. Be-<lb/> ſchimpfung des Andenkens eines Verſtorbenen durch wider<lb/> beſſeres Wiſſen erfolgende Behauptung oder Verbreitung von<lb/> Thatſachen, welche denſelben bei ſeinen Lebzeiten verächtlich<lb/> zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen<lb/> geeignet geweſen wären. Der Tote iſt nicht mehr Rechts-<lb/> ſubjekt; er kann in ſeiner Ehre ebenſowenig wie in ſeinem<lb/> Leben verletzt werden, da er jene ebenſowenig mehr beſitzt<lb/> wie dieſe. Aber die Intereſſen der <hi rendition="#g">Familie</hi> als einer In-<lb/> dividuengruppe, einer Kollektivperſönlichkeit erſtrecken ſich über<lb/> das Leben der einzelnen Generation hinaus. Die <hi rendition="#g">Fa-<lb/> milienehre</hi> wird verletzt durch Beſchimpfung eines ver-<lb/> ſtorbenen Gliedes, und dieſe Familienehre ſchützt der Geſetz-<lb/> geber.<note xml:id="seg2pn_3_1" next="#seg2pn_3_2" place="foot" n="8"><cb/> Die Konſtruktion des §. 189<lb/> StGB. iſt eine ſehr beſtrittene.<lb/> Für meine Auffaſſung ſcheint<lb/> mir nicht nur Stellung und<cb/> Faſſung des §. 189, ſondern<lb/> auch das natürliche Gefühl zu<lb/> ſprechen. Die Solidarität der<lb/> Intereſſen der Familienglieder</note> Daher die Antragsberechtigung der <hi rendition="#g">Angehörigen</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [324/0350]
Erſtes Buch. V. Delikte gegen immaterielle Rechtsgüter.
dung (StGB. §. 187), d. i. die wider beſſeres Wiſſen in
Bezug auf einen Anderen erfolgende Behauptung oder Ver-
breitung von Thatſachen, welche deſſen Kredit zu gefährden
geeignet ſind. Der perſönliche Kredit iſt nichts als die
wirtſchaftliche Seite der Ehre, das Intereſſe desjenigen,
deſſen Stellung das Kreditnehmen mit ſich bringt, als zah-
lungsfähig und zahlungswillig betrachtet und behandelt zu
werden. Daß dieſe Seite der Ehre auch in Bezug auf
Handelsgeſellſchaften, alſo Kollektivperſönlichkeiten, durch
§. 187 StGB. geſchützt werden ſoll, wird allgemein zuge-
geben.
Strafe wie zu 4.
5. Gefährdung der Familienehre durch Ver-
leumdung Verſtorbener (StGB. §. 189), d. h. Be-
ſchimpfung des Andenkens eines Verſtorbenen durch wider
beſſeres Wiſſen erfolgende Behauptung oder Verbreitung von
Thatſachen, welche denſelben bei ſeinen Lebzeiten verächtlich
zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen
geeignet geweſen wären. Der Tote iſt nicht mehr Rechts-
ſubjekt; er kann in ſeiner Ehre ebenſowenig wie in ſeinem
Leben verletzt werden, da er jene ebenſowenig mehr beſitzt
wie dieſe. Aber die Intereſſen der Familie als einer In-
dividuengruppe, einer Kollektivperſönlichkeit erſtrecken ſich über
das Leben der einzelnen Generation hinaus. Die Fa-
milienehre wird verletzt durch Beſchimpfung eines ver-
ſtorbenen Gliedes, und dieſe Familienehre ſchützt der Geſetz-
geber. 8 Daher die Antragsberechtigung der Angehörigen
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Die Konſtruktion des §. 189
StGB. iſt eine ſehr beſtrittene.
Für meine Auffaſſung ſcheint
mir nicht nur Stellung und
Faſſung des §. 189, ſondern
auch das natürliche Gefühl zu
ſprechen. Die Solidarität der
Intereſſen der Familienglieder
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