z. B. über die Aussichten des ins Leben zu rufenden Unter- nehmens gehören hieher.
2. Die Erregung und die Unterhaltung des Irr- tums stehen einander gleich. Beide können durch Verschwei- gen von Thatsachen begangen werden. Dieses Nichtreden ist aber nur dann dem Reden gleichwertig, wenn der Ge- täuschte berechtigt war, das Reden zu erwarten;3 wenn also eine Verpflichtung zum Reden bestand, die nicht notwendig eine Rechtspflicht zu sein braucht,4 sondern auch in den ge- schäftlichen Gewohnheiten begründet sein oder aber auch aus dem vorhergegangenen positiven Verhalten folgen kann.5 Es gelten hier ohne Ausnahme dieselben Grundsätze, die oben §. 21 über die Bedeutung der scheinbaren Unterlassungen überhaupt entwickelt wurden.
Nach dem Gesagten ist auch der sogenannte Kredit- betrug, d. h. die Erschleichung des Kredites durch einen Zahlungsunfähigen, zu beurteilen. Nur dann liegt arglistige Täuschung vor, wenn der Getäuschte die Benachrichtigung von der vorhandenen Zahlungsunfähigkeit zu erwarten be- rechtigt war.6
3. Die Täuschung muß erfolgen in Bereicherungs- absicht, d. i. in der Absicht (gleich erweiterter Vorsatz, oben §. 28 III) sich oder einem Dritten einen rechtswi- drigen Vermögensvorteil7zu verschaffen.
3[Spaltenumbruch]
Richtig RGR. 13. März 1880, E I 309.
4[Spaltenumbruch]
Rechtspflicht verlangt RGR. 4. November 1879, R I 36.
5[Spaltenumbruch]
Dieses vorhergegangene Ver- halten giebt nicht etwa dem Schweigen die Bedeutung des Sprechens, sondern läßt es eben[Spaltenumbruch]
als ein unberechtigtes erscheinen. Schief RGR. 15. März 1880, E I 314.
6[Spaltenumbruch]
Vgl. RGR. 7. April 1880, R I 558, E II 5.
7[Spaltenumbruch]
Vgl. darüber Waag GS. XXXI.
Der Betrug. §. 73.
z. B. über die Ausſichten des ins Leben zu rufenden Unter- nehmens gehören hieher.
2. Die Erregung und die Unterhaltung des Irr- tums ſtehen einander gleich. Beide können durch Verſchwei- gen von Thatſachen begangen werden. Dieſes Nichtreden iſt aber nur dann dem Reden gleichwertig, wenn der Ge- täuſchte berechtigt war, das Reden zu erwarten;3 wenn alſo eine Verpflichtung zum Reden beſtand, die nicht notwendig eine Rechtspflicht zu ſein braucht,4 ſondern auch in den ge- ſchäftlichen Gewohnheiten begründet ſein oder aber auch aus dem vorhergegangenen poſitiven Verhalten folgen kann.5 Es gelten hier ohne Ausnahme dieſelben Grundſätze, die oben §. 21 über die Bedeutung der ſcheinbaren Unterlaſſungen überhaupt entwickelt wurden.
Nach dem Geſagten iſt auch der ſogenannte Kredit- betrug, d. h. die Erſchleichung des Kredites durch einen Zahlungsunfähigen, zu beurteilen. Nur dann liegt argliſtige Täuſchung vor, wenn der Getäuſchte die Benachrichtigung von der vorhandenen Zahlungsunfähigkeit zu erwarten be- rechtigt war.6
3. Die Täuſchung muß erfolgen in Bereicherungs- abſicht, d. i. in der Abſicht (gleich erweiterter Vorſatz, oben §. 28 III) ſich oder einem Dritten einen rechtswi- drigen Vermögensvorteil7zu verſchaffen.
3[Spaltenumbruch]
Richtig RGR. 13. März 1880, E I 309.
4[Spaltenumbruch]
Rechtspflicht verlangt RGR. 4. November 1879, R I 36.
5[Spaltenumbruch]
Dieſes vorhergegangene Ver- halten giebt nicht etwa dem Schweigen die Bedeutung des Sprechens, ſondern läßt es eben[Spaltenumbruch]
als ein unberechtigtes erſcheinen. Schief RGR. 15. März 1880, E I 314.
6[Spaltenumbruch]
Vgl. RGR. 7. April 1880, R I 558, E II 5.
7[Spaltenumbruch]
Vgl. darüber Waag GS. XXXI.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0317"n="291"/><fwplace="top"type="header">Der Betrug. §. 73.</fw><lb/>
z. B. über die <hirendition="#g">Ausſ</hi>ichten des ins Leben zu rufenden Unter-<lb/>
nehmens gehören hieher.</p><lb/><p>2. Die <hirendition="#g">Erregung</hi> und die <hirendition="#g">Unterhaltung</hi> des Irr-<lb/>
tums ſtehen einander gleich. Beide können durch <hirendition="#g">Verſchwei-<lb/>
gen</hi> von Thatſachen begangen werden. Dieſes Nichtreden<lb/>
iſt aber nur dann dem Reden gleichwertig, wenn der Ge-<lb/>
täuſchte berechtigt war, das Reden zu erwarten;<noteplace="foot"n="3"><cb/>
Richtig RGR. 13. März<lb/>
1880, <hirendition="#aq">E I</hi> 309.</note> wenn alſo<lb/>
eine Verpflichtung zum Reden beſtand, die nicht notwendig<lb/>
eine Rechtspflicht zu ſein braucht,<noteplace="foot"n="4"><cb/>
Rechtspflicht verlangt RGR.<lb/>
4. November 1879, <hirendition="#aq">R I</hi> 36.</note>ſondern auch in den ge-<lb/>ſchäftlichen Gewohnheiten begründet ſein oder aber auch aus<lb/>
dem vorhergegangenen poſitiven Verhalten folgen kann.<noteplace="foot"n="5"><cb/>
Dieſes vorhergegangene Ver-<lb/>
halten giebt nicht etwa dem<lb/>
Schweigen die Bedeutung des<lb/>
Sprechens, ſondern läßt es eben<cb/>
als ein unberechtigtes erſcheinen.<lb/>
Schief RGR. 15. März 1880,<lb/><hirendition="#aq">E I</hi> 314.</note> Es<lb/>
gelten hier ohne Ausnahme dieſelben Grundſätze, die oben<lb/>
§. 21 über die Bedeutung der ſcheinbaren Unterlaſſungen<lb/>
überhaupt entwickelt wurden.</p><lb/><p>Nach dem Geſagten iſt auch der ſogenannte <hirendition="#g">Kredit-<lb/>
betrug</hi>, d. h. die Erſchleichung des Kredites durch einen<lb/>
Zahlungsunfähigen, zu beurteilen. Nur dann liegt argliſtige<lb/>
Täuſchung vor, wenn der Getäuſchte die Benachrichtigung<lb/>
von der vorhandenen Zahlungsunfähigkeit zu erwarten be-<lb/>
rechtigt war.<noteplace="foot"n="6"><cb/>
Vgl. RGR. 7. April 1880,<lb/><hirendition="#aq">R I</hi> 558, <hirendition="#aq">E II</hi> 5.</note></p><lb/><p>3. Die Täuſchung muß erfolgen in <hirendition="#g">Bereicherungs-<lb/>
abſicht</hi>, d. i. in der Abſicht (gleich erweiterter Vorſatz, oben<lb/>
§. 28 <hirendition="#aq">III</hi>) <hirendition="#g">ſich oder einem Dritten einen rechtswi-<lb/>
drigen Vermögensvorteil</hi><noteplace="foot"n="7"><cb/>
Vgl. darüber <hirendition="#g">Waag</hi> GS.<lb/><hirendition="#aq">XXXI.</hi></note><hirendition="#g">zu verſchaffen</hi>.</p><lb/></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[291/0317]
Der Betrug. §. 73.
z. B. über die Ausſichten des ins Leben zu rufenden Unter-
nehmens gehören hieher.
2. Die Erregung und die Unterhaltung des Irr-
tums ſtehen einander gleich. Beide können durch Verſchwei-
gen von Thatſachen begangen werden. Dieſes Nichtreden
iſt aber nur dann dem Reden gleichwertig, wenn der Ge-
täuſchte berechtigt war, das Reden zu erwarten; 3 wenn alſo
eine Verpflichtung zum Reden beſtand, die nicht notwendig
eine Rechtspflicht zu ſein braucht, 4 ſondern auch in den ge-
ſchäftlichen Gewohnheiten begründet ſein oder aber auch aus
dem vorhergegangenen poſitiven Verhalten folgen kann. 5 Es
gelten hier ohne Ausnahme dieſelben Grundſätze, die oben
§. 21 über die Bedeutung der ſcheinbaren Unterlaſſungen
überhaupt entwickelt wurden.
Nach dem Geſagten iſt auch der ſogenannte Kredit-
betrug, d. h. die Erſchleichung des Kredites durch einen
Zahlungsunfähigen, zu beurteilen. Nur dann liegt argliſtige
Täuſchung vor, wenn der Getäuſchte die Benachrichtigung
von der vorhandenen Zahlungsunfähigkeit zu erwarten be-
rechtigt war. 6
3. Die Täuſchung muß erfolgen in Bereicherungs-
abſicht, d. i. in der Abſicht (gleich erweiterter Vorſatz, oben
§. 28 III) ſich oder einem Dritten einen rechtswi-
drigen Vermögensvorteil 7 zu verſchaffen.
3
Richtig RGR. 13. März
1880, E I 309.
4
Rechtspflicht verlangt RGR.
4. November 1879, R I 36.
5
Dieſes vorhergegangene Ver-
halten giebt nicht etwa dem
Schweigen die Bedeutung des
Sprechens, ſondern läßt es eben
als ein unberechtigtes erſcheinen.
Schief RGR. 15. März 1880,
E I 314.
6
Vgl. RGR. 7. April 1880,
R I 558, E II 5.
7
Vgl. darüber Waag GS.
XXXI.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/317>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.