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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Zweites Buch. III. Die gesetzlichen Strafrahmen etc.
§. 56.
Die Bestimmung der Strafe im Falle realer Konkurrenz
mehrerer Verbrechen.
1

I. Liegen mehrere selbständige Verbrechen desselben Thä-
ters zur strafrechtlichen Beurteilung vor, so wäre die lo-
gisch notwendige Folge aus der Selbständigkeit der einzelnen
Verbrechen die Selbständigkeit der denselben ent-
sprechenden Einzelstrafen
.2 Aber die Kumulierung
der Einzelstrafen bei der Strafvollstreckung führt nach der
in der heutigen Strafgesetzgebung herrschenden Ansicht, wenn
es sich um gewisse Strafmittel handelt, zu unverhältnis-
mäßigen Härten. Mit dem Umfange der in der Strafe
liegenden Rechtsgüterverletzung wächst deren Intensität; soll
daher die kumulierende Strafvollstreckung nur die wirkliche
Summe der einzelnen Strafübel zufügen, so muß sie diesen an
Umfang nehmen, was sie durch die Kumulierung an Intensität
gewinnen. So gelangen wir zu der Forderung einer Mil-
derung des Kumulationsprinzipes bei realer Kon-
kurrenz
; einer Milderung, die nur scheinbar eine solche, in
Wahrheit aber eine Wiederherstellung des ursprünglichen
Gleichmaßes zwischen Einzelverbrechen und Einzelstrafe ist;
einer Milderung, die aber nur dort und nur soweit ange-
messen ist, wo und soweit die Kumulierung jenes ursprüng-
liche Gleichmaß stört. Dies ist der Grundgedanke der in den
§§. 74 ff. RStGB. niedergelegten Bestimmungen.

II. Die Milderung der Kumulierung ist im RStGB.

1 [Spaltenumbruch] Lit. bei Binding Grundriß
S. 144 f. Dazu Herzog GS.
XXX, Thomsen GS. XXXI.
2 [Spaltenumbruch] Vgl. über den Begriff der
Realkonkurrenz oben §. 41 II.
Zweites Buch. III. Die geſetzlichen Strafrahmen ꝛc.
§. 56.
Die Beſtimmung der Strafe im Falle realer Konkurrenz
mehrerer Verbrechen.
1

I. Liegen mehrere ſelbſtändige Verbrechen desſelben Thä-
ters zur ſtrafrechtlichen Beurteilung vor, ſo wäre die lo-
giſch notwendige Folge aus der Selbſtändigkeit der einzelnen
Verbrechen die Selbſtändigkeit der denſelben ent-
ſprechenden Einzelſtrafen
.2 Aber die Kumulierung
der Einzelſtrafen bei der Strafvollſtreckung führt nach der
in der heutigen Strafgeſetzgebung herrſchenden Anſicht, wenn
es ſich um gewiſſe Strafmittel handelt, zu unverhältnis-
mäßigen Härten. Mit dem Umfange der in der Strafe
liegenden Rechtsgüterverletzung wächſt deren Intenſität; ſoll
daher die kumulierende Strafvollſtreckung nur die wirkliche
Summe der einzelnen Strafübel zufügen, ſo muß ſie dieſen an
Umfang nehmen, was ſie durch die Kumulierung an Intenſität
gewinnen. So gelangen wir zu der Forderung einer Mil-
derung des Kumulationsprinzipes bei realer Kon-
kurrenz
; einer Milderung, die nur ſcheinbar eine ſolche, in
Wahrheit aber eine Wiederherſtellung des urſprünglichen
Gleichmaßes zwiſchen Einzelverbrechen und Einzelſtrafe iſt;
einer Milderung, die aber nur dort und nur ſoweit ange-
meſſen iſt, wo und ſoweit die Kumulierung jenes urſprüng-
liche Gleichmaß ſtört. Dies iſt der Grundgedanke der in den
§§. 74 ff. RStGB. niedergelegten Beſtimmungen.

II. Die Milderung der Kumulierung iſt im RStGB.

1 [Spaltenumbruch] Lit. bei Binding Grundriß
S. 144 f. Dazu Herzog GS.
XXX, Thomſen GS. XXXI.
2 [Spaltenumbruch] Vgl. über den Begriff der
Realkonkurrenz oben §. 41 II.
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[216/0242] Zweites Buch. III. Die geſetzlichen Strafrahmen ꝛc. §. 56. Die Beſtimmung der Strafe im Falle realer Konkurrenz mehrerer Verbrechen. 1 I. Liegen mehrere ſelbſtändige Verbrechen desſelben Thä- ters zur ſtrafrechtlichen Beurteilung vor, ſo wäre die lo- giſch notwendige Folge aus der Selbſtändigkeit der einzelnen Verbrechen die Selbſtändigkeit der denſelben ent- ſprechenden Einzelſtrafen. 2 Aber die Kumulierung der Einzelſtrafen bei der Strafvollſtreckung führt nach der in der heutigen Strafgeſetzgebung herrſchenden Anſicht, wenn es ſich um gewiſſe Strafmittel handelt, zu unverhältnis- mäßigen Härten. Mit dem Umfange der in der Strafe liegenden Rechtsgüterverletzung wächſt deren Intenſität; ſoll daher die kumulierende Strafvollſtreckung nur die wirkliche Summe der einzelnen Strafübel zufügen, ſo muß ſie dieſen an Umfang nehmen, was ſie durch die Kumulierung an Intenſität gewinnen. So gelangen wir zu der Forderung einer Mil- derung des Kumulationsprinzipes bei realer Kon- kurrenz; einer Milderung, die nur ſcheinbar eine ſolche, in Wahrheit aber eine Wiederherſtellung des urſprünglichen Gleichmaßes zwiſchen Einzelverbrechen und Einzelſtrafe iſt; einer Milderung, die aber nur dort und nur ſoweit ange- meſſen iſt, wo und ſoweit die Kumulierung jenes urſprüng- liche Gleichmaß ſtört. Dies iſt der Grundgedanke der in den §§. 74 ff. RStGB. niedergelegten Beſtimmungen. II. Die Milderung der Kumulierung iſt im RStGB. 1 Lit. bei Binding Grundriß S. 144 f. Dazu Herzog GS. XXX, Thomſen GS. XXXI. 2 Vgl. über den Begriff der Realkonkurrenz oben §. 41 II.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/242>, abgerufen am 09.11.2024.