Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Die Strafe.
Doch ist die Natur dieses Rechtsinstitutes keine unzweifel-
hafte. Für seine Auffassung als Strafe würde sprechen,
daß die Haftung mit dem Nachweise entfällt, die Uebertretung
sei ohne Vorwissen des Haftpflichtigen begangen worden.
Am interessantesten ist in dieser Beziehung §. 38 Brausteuer-
gesetz vom 31. Mai 1872, nach welchem der Gewerbsinhaber
für seine Verwalter, Gehülfen, Hausgenossen nur dann
haftet, wenn er bei Auswahl, Anstellung, Beaufsich-
tigung
dieser Personen fahrlässig, d. h. nicht mit der
Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes
zu
Werke gegangen ist.7

Wesentlich verschieden von dieser subsidiären, nicht straf-
rechtlichen Haftung ist die primäre rein strafrechtliche Haf-
tung des Gewerbeinhabers, die nicht im Reichsrechte, wohl
aber partikularrechtlich (z. B. preußische Steuerordnung vom
8. Februar 1819) sich findet. Vgl. RGR. 28. Mai 1880,
E II 70.

Dagegen ist die in §. 151 Gewerbe-Ordnung bestimmte
Mithaftung des verfügungsfähigen Vertretenen, mit dessen
Vorwissen
der Stellvertreter die Uebertretung begangen
hat, als eigentliche Strafdrohung (für Mitthäterschaft) zu
betrachten.

IV. Die Rechtsgüterverletzung muß von dem Staate als
dem Inhaber der öffentlichen Zwangsgewalt, als dem
Träger und Schirmer der öffentlichen Rechtsordnung ver-

7 [Spaltenumbruch] Ist der Haftpflichtige selbst
mit einer derjenigen Personen,
für die er zu haften hat, an dem
begangenen Delikte strafrechtlich
beteiligt, so kann ihn die Zah-
lung zweimal treffen: einmal als[Spaltenumbruch] Strafe, dann als Haftung für
für seinen Genossen. A. A.
RGR. 24. März 1880, E I
334, R I 508, aber ohne über-
zengende Begründung.

Zweites Buch. Die Strafe.
Doch iſt die Natur dieſes Rechtsinſtitutes keine unzweifel-
hafte. Für ſeine Auffaſſung als Strafe würde ſprechen,
daß die Haftung mit dem Nachweiſe entfällt, die Uebertretung
ſei ohne Vorwiſſen des Haftpflichtigen begangen worden.
Am intereſſanteſten iſt in dieſer Beziehung §. 38 Brauſteuer-
geſetz vom 31. Mai 1872, nach welchem der Gewerbsinhaber
für ſeine Verwalter, Gehülfen, Hausgenoſſen nur dann
haftet, wenn er bei Auswahl, Anſtellung, Beaufſich-
tigung
dieſer Perſonen fahrläſſig, d. h. nicht mit der
Sorgfalt eines ordentlichen Geſchäftsmannes
zu
Werke gegangen iſt.7

Weſentlich verſchieden von dieſer ſubſidiären, nicht ſtraf-
rechtlichen Haftung iſt die primäre rein ſtrafrechtliche Haf-
tung des Gewerbeinhabers, die nicht im Reichsrechte, wohl
aber partikularrechtlich (z. B. preußiſche Steuerordnung vom
8. Februar 1819) ſich findet. Vgl. RGR. 28. Mai 1880,
E II 70.

Dagegen iſt die in §. 151 Gewerbe-Ordnung beſtimmte
Mithaftung des verfügungsfähigen Vertretenen, mit deſſen
Vorwiſſen
der Stellvertreter die Uebertretung begangen
hat, als eigentliche Strafdrohung (für Mitthäterſchaft) zu
betrachten.

IV. Die Rechtsgüterverletzung muß von dem Staate als
dem Inhaber der öffentlichen Zwangsgewalt, als dem
Träger und Schirmer der öffentlichen Rechtsordnung ver-

7 [Spaltenumbruch] Iſt der Haftpflichtige ſelbſt
mit einer derjenigen Perſonen,
für die er zu haften hat, an dem
begangenen Delikte ſtrafrechtlich
beteiligt, ſo kann ihn die Zah-
lung zweimal treffen: einmal als[Spaltenumbruch] Strafe, dann als Haftung für
für ſeinen Genoſſen. A. A.
RGR. 24. März 1880, E I
334, R I 508, aber ohne über-
zengende Begründung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0200" n="174"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die Strafe.</fw><lb/>
Doch i&#x017F;t die Natur die&#x017F;es Rechtsin&#x017F;titutes keine unzweifel-<lb/>
hafte. Für &#x017F;eine Auffa&#x017F;&#x017F;ung als Strafe würde &#x017F;prechen,<lb/>
daß die Haftung mit dem Nachwei&#x017F;e entfällt, die Uebertretung<lb/>
&#x017F;ei <hi rendition="#g">ohne Vorwi&#x017F;&#x017F;en</hi> des Haftpflichtigen begangen worden.<lb/>
Am intere&#x017F;&#x017F;ante&#x017F;ten i&#x017F;t in die&#x017F;er Beziehung §. 38 Brau&#x017F;teuer-<lb/>
ge&#x017F;etz vom 31. Mai 1872, nach welchem der Gewerbsinhaber<lb/>
für &#x017F;eine Verwalter, Gehülfen, Hausgeno&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">nur dann</hi><lb/>
haftet, wenn er bei <hi rendition="#g">Auswahl, An&#x017F;tellung, Beauf&#x017F;ich-<lb/>
tigung</hi> die&#x017F;er Per&#x017F;onen <hi rendition="#g">fahrlä&#x017F;&#x017F;ig, d. h. nicht mit der<lb/>
Sorgfalt eines ordentlichen Ge&#x017F;chäftsmannes</hi> zu<lb/>
Werke gegangen i&#x017F;t.<note place="foot" n="7"><cb/>
I&#x017F;t der Haftpflichtige &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
mit einer derjenigen Per&#x017F;onen,<lb/>
für die er zu haften hat, an dem<lb/>
begangenen Delikte &#x017F;trafrechtlich<lb/>
beteiligt, &#x017F;o kann ihn die Zah-<lb/>
lung zweimal treffen: einmal als<cb/>
Strafe, dann als Haftung für<lb/>
für &#x017F;einen Geno&#x017F;&#x017F;en. A. A.<lb/>
RGR. 24. März 1880, <hi rendition="#aq">E I</hi><lb/>
334, <hi rendition="#aq">R I</hi> 508, aber ohne über-<lb/>
zengende Begründung.</note></p><lb/>
              <p>We&#x017F;entlich ver&#x017F;chieden von die&#x017F;er &#x017F;ub&#x017F;idiären, nicht &#x017F;traf-<lb/>
rechtlichen Haftung i&#x017F;t die <hi rendition="#g">primäre</hi> rein &#x017F;trafrechtliche Haf-<lb/>
tung des Gewerbeinhabers, die nicht im Reichsrechte, wohl<lb/>
aber partikularrechtlich (z. B. preußi&#x017F;che Steuerordnung vom<lb/>
8. Februar 1819) &#x017F;ich findet. Vgl. RGR. 28. Mai 1880,<lb/><hi rendition="#aq">E II</hi> 70.</p><lb/>
              <p>Dagegen i&#x017F;t die in §. 151 Gewerbe-Ordnung be&#x017F;timmte<lb/>
Mithaftung des verfügungsfähigen Vertretenen, <hi rendition="#g">mit de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Vorwi&#x017F;&#x017F;en</hi> der Stellvertreter die Uebertretung begangen<lb/>
hat, als eigentliche Strafdrohung (für Mitthäter&#x017F;chaft) zu<lb/>
betrachten.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">IV.</hi> Die Rechtsgüterverletzung muß von dem Staate als<lb/>
dem Inhaber der <hi rendition="#g">öffentlichen</hi> Zwangsgewalt, als dem<lb/>
Träger und Schirmer der <hi rendition="#g">öffentlichen</hi> Rechtsordnung ver-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0200] Zweites Buch. Die Strafe. Doch iſt die Natur dieſes Rechtsinſtitutes keine unzweifel- hafte. Für ſeine Auffaſſung als Strafe würde ſprechen, daß die Haftung mit dem Nachweiſe entfällt, die Uebertretung ſei ohne Vorwiſſen des Haftpflichtigen begangen worden. Am intereſſanteſten iſt in dieſer Beziehung §. 38 Brauſteuer- geſetz vom 31. Mai 1872, nach welchem der Gewerbsinhaber für ſeine Verwalter, Gehülfen, Hausgenoſſen nur dann haftet, wenn er bei Auswahl, Anſtellung, Beaufſich- tigung dieſer Perſonen fahrläſſig, d. h. nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geſchäftsmannes zu Werke gegangen iſt. 7 Weſentlich verſchieden von dieſer ſubſidiären, nicht ſtraf- rechtlichen Haftung iſt die primäre rein ſtrafrechtliche Haf- tung des Gewerbeinhabers, die nicht im Reichsrechte, wohl aber partikularrechtlich (z. B. preußiſche Steuerordnung vom 8. Februar 1819) ſich findet. Vgl. RGR. 28. Mai 1880, E II 70. Dagegen iſt die in §. 151 Gewerbe-Ordnung beſtimmte Mithaftung des verfügungsfähigen Vertretenen, mit deſſen Vorwiſſen der Stellvertreter die Uebertretung begangen hat, als eigentliche Strafdrohung (für Mitthäterſchaft) zu betrachten. IV. Die Rechtsgüterverletzung muß von dem Staate als dem Inhaber der öffentlichen Zwangsgewalt, als dem Träger und Schirmer der öffentlichen Rechtsordnung ver- 7 Iſt der Haftpflichtige ſelbſt mit einer derjenigen Perſonen, für die er zu haften hat, an dem begangenen Delikte ſtrafrechtlich beteiligt, ſo kann ihn die Zah- lung zweimal treffen: einmal als Strafe, dann als Haftung für für ſeinen Genoſſen. A. A. RGR. 24. März 1880, E I 334, R I 508, aber ohne über- zengende Begründung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/200
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/200>, abgerufen am 24.11.2024.