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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. VII. Thäterschaft und Teilnahme.
Anstiftung; doch kann hier auf Seiten des scheinbaren An-
stifters (fingierte) Selbstthäterschaft vorliegen.

4. Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Ge-
setze zu bestimmen, welches auf die Handlung Anwendung
findet, zu welcher er wissentlich angestiftet hat.

5. Von dem Anstifter verschieden ist der "Anführer"
oder "Rädelsführer" (ein nicht-technischer Begriff), der
von der Gesetzgebung an manchen Stellen -- so StGB.
§§. 115, 125; Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869 §§. 146
und 147; Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872 §§. 89,
91 u. A. -- erwähnt wird.1

II. Die Beihülfe.

1. Beihülfe ist die vorsätzliche Unterstützung des
von einem Anderen begangenen vorsätzlichen Ver-
brechens oder Vergehens
(StGB. §. 49). Die Unter-
stützung der fremden Handlung kann eine psychische oder
physische sein ("Rat oder That"), sie kann auch in der vor
der That gegebenen Zusage nachträglicher Begünstigung der-
selben bestehen (StGB. §. 257 Abs. 3). Nie aber darf sie
Teil der Ausführungshandlung selbst sein.

2. Auch die Beihülfe setzt als Form der Teilnahme eine
zum Mindesten versuchte strafbare Handlung auf Seiten
des Hauptthäters voraus. Will die Gesetzgebung die Bei-
hülfe zu einem an sich straflosen Thun (z. B. Beihülfe zum
Selbstmorde) unter Strafe stellen, so bedarf dies ausdrück-
licher Erklärung. Das StGB. hat dies in den §§. 120,
121, 180, 285, 347, 355 gethan. Im übrigen findet das
oben unter I 2 Gesagte auch auf die Beihülfe mit der Mo-

1 [Spaltenumbruch] Vgl. auch die Hervorhebung
der Vorsteher, Leiter, Ordner,
Agenten, Redner, Kassierer in[Spaltenumbruch] sozialdemokratischen Vereinen u.
Versammlungen §. 17 Sozial.
Gesetz 21. Oktober 1878.

Erſtes Buch. VII. Thäterſchaft und Teilnahme.
Anſtiftung; doch kann hier auf Seiten des ſcheinbaren An-
ſtifters (fingierte) Selbſtthäterſchaft vorliegen.

4. Die Strafe des Anſtifters iſt nach demjenigen Ge-
ſetze zu beſtimmen, welches auf die Handlung Anwendung
findet, zu welcher er wiſſentlich angeſtiftet hat.

5. Von dem Anſtifter verſchieden iſt der „Anführer
oder „Rädelsführer“ (ein nicht-techniſcher Begriff), der
von der Geſetzgebung an manchen Stellen — ſo StGB.
§§. 115, 125; Vereinszollgeſetz vom 1. Juli 1869 §§. 146
und 147; Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872 §§. 89,
91 u. A. — erwähnt wird.1

II. Die Beihülfe.

1. Beihülfe iſt die vorſätzliche Unterſtützung des
von einem Anderen begangenen vorſätzlichen Ver-
brechens oder Vergehens
(StGB. §. 49). Die Unter-
ſtützung der fremden Handlung kann eine pſychiſche oder
phyſiſche ſein („Rat oder That“), ſie kann auch in der vor
der That gegebenen Zuſage nachträglicher Begünſtigung der-
ſelben beſtehen (StGB. §. 257 Abſ. 3). Nie aber darf ſie
Teil der Ausführungshandlung ſelbſt ſein.

2. Auch die Beihülfe ſetzt als Form der Teilnahme eine
zum Mindeſten verſuchte ſtrafbare Handlung auf Seiten
des Hauptthäters voraus. Will die Geſetzgebung die Bei-
hülfe zu einem an ſich ſtrafloſen Thun (z. B. Beihülfe zum
Selbſtmorde) unter Strafe ſtellen, ſo bedarf dies ausdrück-
licher Erklärung. Das StGB. hat dies in den §§. 120,
121, 180, 285, 347, 355 gethan. Im übrigen findet das
oben unter I 2 Geſagte auch auf die Beihülfe mit der Mo-

1 [Spaltenumbruch] Vgl. auch die Hervorhebung
der Vorſteher, Leiter, Ordner,
Agenten, Redner, Kaſſierer in[Spaltenumbruch] ſozialdemokratiſchen Vereinen u.
Verſammlungen §. 17 Sozial.
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[154/0180] Erſtes Buch. VII. Thäterſchaft und Teilnahme. Anſtiftung; doch kann hier auf Seiten des ſcheinbaren An- ſtifters (fingierte) Selbſtthäterſchaft vorliegen. 4. Die Strafe des Anſtifters iſt nach demjenigen Ge- ſetze zu beſtimmen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wiſſentlich angeſtiftet hat. 5. Von dem Anſtifter verſchieden iſt der „Anführer“ oder „Rädelsführer“ (ein nicht-techniſcher Begriff), der von der Geſetzgebung an manchen Stellen — ſo StGB. §§. 115, 125; Vereinszollgeſetz vom 1. Juli 1869 §§. 146 und 147; Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872 §§. 89, 91 u. A. — erwähnt wird. 1 II. Die Beihülfe. 1. Beihülfe iſt die vorſätzliche Unterſtützung des von einem Anderen begangenen vorſätzlichen Ver- brechens oder Vergehens (StGB. §. 49). Die Unter- ſtützung der fremden Handlung kann eine pſychiſche oder phyſiſche ſein („Rat oder That“), ſie kann auch in der vor der That gegebenen Zuſage nachträglicher Begünſtigung der- ſelben beſtehen (StGB. §. 257 Abſ. 3). Nie aber darf ſie Teil der Ausführungshandlung ſelbſt ſein. 2. Auch die Beihülfe ſetzt als Form der Teilnahme eine zum Mindeſten verſuchte ſtrafbare Handlung auf Seiten des Hauptthäters voraus. Will die Geſetzgebung die Bei- hülfe zu einem an ſich ſtrafloſen Thun (z. B. Beihülfe zum Selbſtmorde) unter Strafe ſtellen, ſo bedarf dies ausdrück- licher Erklärung. Das StGB. hat dies in den §§. 120, 121, 180, 285, 347, 355 gethan. Im übrigen findet das oben unter I 2 Geſagte auch auf die Beihülfe mit der Mo- 1 Vgl. auch die Hervorhebung der Vorſteher, Leiter, Ordner, Agenten, Redner, Kaſſierer in ſozialdemokratiſchen Vereinen u. Verſammlungen §. 17 Sozial. Geſetz 21. Oktober 1878.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/180>, abgerufen am 24.11.2024.