Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Rücktritt vom Versuche. §. 34.
außer den an der That beteiligten Personen bekannt war.
Auch Kenntnisnahme durch denjenigen, gegen den die Hand-
lung gerichtet war, schließt die Annahme der Freiwilligkeit
aus; bei denjenigen Delikten, bei welchen die Erzielung dieser
Kenntnisnahme zur Ausführungshandlung gehört (z. B. Er-
pressung) ist demnach §. 46 Nr. 2 überhaupt nicht anwendbar;
RGR. 12. März 1880, E I 307, R I 453.

III. Den freiwilligen Rücktritt behandelt das RStGB.
als Strafaufhebungsgrund; nicht mehr ist, wie im
preußischen und anderen partikularen Strafgesetzbüchern, die
Nichtfreiwilligkeit der Nichtvollendung Bedingung der Straf-
barkeit des Versuches. Das heißt: der Rücktritt beseitigt die
bereits verwirkte Strafe, aber er ändert nichts an dem Ver-
brechenscharakter der Versuchshandlung. Und daraus folgt:

1. Der Rücktritt des Thäters macht weder den Mit-
thäter noch den Anstifter oder Gehülfen straffrei;4 denn die
Thatsache, daß sie sich an einer strafbaren Handlung betei-
ligt haben, bleibt bestehen.

2. Aber die Teilnehmer können sich selbst der Wohl-
that des Gesetzes teilhaft machen: Anstifter und Gehülfe
allerdings nicht durch Nichtvollendung der Handlung nach
§. 46 Nr. 1, denn hatten sie ihre Handlung noch nicht
beendet, so waren sie überhaupt noch nicht strafbar geworden
(vgl. unten §. 37 I 2 a und II 2); wohl aber durch selbstän-
dige Abwendung des Erfolges nach §. 46 Nr. 2.

3. Nur die Strafe der versuchten Handlung entfällt
(§. 46: "der Versuch als solcher bleibt straflos"), nicht
aber die Strafbarkeit der etwa in der Versuchshandlung ge-
legenen vollendeten anderweitigen Normübertretung. So

4 Vgl. Meyer S. 203.
von Liszt, Strafrecht. 10

Der Rücktritt vom Verſuche. §. 34.
außer den an der That beteiligten Perſonen bekannt war.
Auch Kenntnisnahme durch denjenigen, gegen den die Hand-
lung gerichtet war, ſchließt die Annahme der Freiwilligkeit
aus; bei denjenigen Delikten, bei welchen die Erzielung dieſer
Kenntnisnahme zur Ausführungshandlung gehört (z. B. Er-
preſſung) iſt demnach §. 46 Nr. 2 überhaupt nicht anwendbar;
RGR. 12. März 1880, E I 307, R I 453.

III. Den freiwilligen Rücktritt behandelt das RStGB.
als Strafaufhebungsgrund; nicht mehr iſt, wie im
preußiſchen und anderen partikularen Strafgeſetzbüchern, die
Nichtfreiwilligkeit der Nichtvollendung Bedingung der Straf-
barkeit des Verſuches. Das heißt: der Rücktritt beſeitigt die
bereits verwirkte Strafe, aber er ändert nichts an dem Ver-
brechenscharakter der Verſuchshandlung. Und daraus folgt:

1. Der Rücktritt des Thäters macht weder den Mit-
thäter noch den Anſtifter oder Gehülfen ſtraffrei;4 denn die
Thatſache, daß ſie ſich an einer ſtrafbaren Handlung betei-
ligt haben, bleibt beſtehen.

2. Aber die Teilnehmer können ſich ſelbſt der Wohl-
that des Geſetzes teilhaft machen: Anſtifter und Gehülfe
allerdings nicht durch Nichtvollendung der Handlung nach
§. 46 Nr. 1, denn hatten ſie ihre Handlung noch nicht
beendet, ſo waren ſie überhaupt noch nicht ſtrafbar geworden
(vgl. unten §. 37 I 2 a und II 2); wohl aber durch ſelbſtän-
dige Abwendung des Erfolges nach §. 46 Nr. 2.

3. Nur die Strafe der verſuchten Handlung entfällt
(§. 46: „der Verſuch als ſolcher bleibt ſtraflos“), nicht
aber die Strafbarkeit der etwa in der Verſuchshandlung ge-
legenen vollendeten anderweitigen Normübertretung. So

4 Vgl. Meyer S. 203.
von Liszt, Strafrecht. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0171" n="145"/><fw place="top" type="header">Der Rücktritt vom Ver&#x017F;uche. §. 34.</fw><lb/>
außer den an der That beteiligten Per&#x017F;onen bekannt war.<lb/>
Auch Kenntnisnahme durch denjenigen, gegen den die Hand-<lb/>
lung gerichtet war, &#x017F;chließt die Annahme der Freiwilligkeit<lb/>
aus; bei denjenigen Delikten, bei welchen die Erzielung die&#x017F;er<lb/>
Kenntnisnahme zur Ausführungshandlung gehört (z. B. Er-<lb/>
pre&#x017F;&#x017F;ung) i&#x017F;t demnach §. 46 Nr. 2 überhaupt nicht anwendbar;<lb/>
RGR. 12. März 1880, <hi rendition="#aq">E I 307, R I</hi> 453.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">III.</hi> Den freiwilligen Rücktritt behandelt das RStGB.<lb/>
als <hi rendition="#g">Strafaufhebungsgrund</hi>; nicht mehr i&#x017F;t, wie im<lb/>
preußi&#x017F;chen und anderen partikularen Strafge&#x017F;etzbüchern, die<lb/>
Nichtfreiwilligkeit der Nichtvollendung Bedingung der Straf-<lb/>
barkeit des Ver&#x017F;uches. Das heißt: der Rücktritt be&#x017F;eitigt die<lb/>
bereits verwirkte Strafe, aber er ändert nichts an dem Ver-<lb/>
brechenscharakter der Ver&#x017F;uchshandlung. Und daraus folgt:</p><lb/>
              <p>1. Der Rücktritt des Thäters macht weder den Mit-<lb/>
thäter noch den An&#x017F;tifter oder Gehülfen &#x017F;traffrei;<note place="foot" n="4">Vgl. <hi rendition="#g">Meyer</hi> S. 203.</note> denn die<lb/>
That&#x017F;ache, daß &#x017F;ie &#x017F;ich an einer &#x017F;trafbaren Handlung betei-<lb/>
ligt haben, bleibt be&#x017F;tehen.</p><lb/>
              <p>2. Aber die Teilnehmer können &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t der Wohl-<lb/>
that des Ge&#x017F;etzes teilhaft machen: An&#x017F;tifter und Gehülfe<lb/>
allerdings nicht durch Nichtvollendung der Handlung nach<lb/>
§. 46 Nr. 1, denn hatten &#x017F;ie ihre Handlung noch nicht<lb/>
beendet, &#x017F;o waren &#x017F;ie überhaupt noch nicht &#x017F;trafbar geworden<lb/>
(vgl. unten §. 37 <hi rendition="#aq">I 2 a</hi> und <hi rendition="#aq">II</hi> 2); wohl aber durch &#x017F;elb&#x017F;tän-<lb/>
dige Abwendung des Erfolges nach §. 46 Nr. 2.</p><lb/>
              <p>3. Nur die Strafe der ver&#x017F;uchten Handlung entfällt<lb/>
(§. 46: &#x201E;der Ver&#x017F;uch <hi rendition="#g">als &#x017F;olcher</hi> bleibt &#x017F;traflos&#x201C;), nicht<lb/>
aber die Strafbarkeit der etwa in der Ver&#x017F;uchshandlung ge-<lb/>
legenen vollendeten anderweitigen Normübertretung. So<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">von Liszt</hi>, Strafrecht. 10</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0171] Der Rücktritt vom Verſuche. §. 34. außer den an der That beteiligten Perſonen bekannt war. Auch Kenntnisnahme durch denjenigen, gegen den die Hand- lung gerichtet war, ſchließt die Annahme der Freiwilligkeit aus; bei denjenigen Delikten, bei welchen die Erzielung dieſer Kenntnisnahme zur Ausführungshandlung gehört (z. B. Er- preſſung) iſt demnach §. 46 Nr. 2 überhaupt nicht anwendbar; RGR. 12. März 1880, E I 307, R I 453. III. Den freiwilligen Rücktritt behandelt das RStGB. als Strafaufhebungsgrund; nicht mehr iſt, wie im preußiſchen und anderen partikularen Strafgeſetzbüchern, die Nichtfreiwilligkeit der Nichtvollendung Bedingung der Straf- barkeit des Verſuches. Das heißt: der Rücktritt beſeitigt die bereits verwirkte Strafe, aber er ändert nichts an dem Ver- brechenscharakter der Verſuchshandlung. Und daraus folgt: 1. Der Rücktritt des Thäters macht weder den Mit- thäter noch den Anſtifter oder Gehülfen ſtraffrei; 4 denn die Thatſache, daß ſie ſich an einer ſtrafbaren Handlung betei- ligt haben, bleibt beſtehen. 2. Aber die Teilnehmer können ſich ſelbſt der Wohl- that des Geſetzes teilhaft machen: Anſtifter und Gehülfe allerdings nicht durch Nichtvollendung der Handlung nach §. 46 Nr. 1, denn hatten ſie ihre Handlung noch nicht beendet, ſo waren ſie überhaupt noch nicht ſtrafbar geworden (vgl. unten §. 37 I 2 a und II 2); wohl aber durch ſelbſtän- dige Abwendung des Erfolges nach §. 46 Nr. 2. 3. Nur die Strafe der verſuchten Handlung entfällt (§. 46: „der Verſuch als ſolcher bleibt ſtraflos“), nicht aber die Strafbarkeit der etwa in der Verſuchshandlung ge- legenen vollendeten anderweitigen Normübertretung. So 4 Vgl. Meyer S. 203. von Liszt, Strafrecht. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/171
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/171>, abgerufen am 21.11.2024.