Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Entwicklung des Versuchsbegriffes. §. 32. Wir können folgende Fälle unterscheiden:2 a) die körperliche Bewegung hat begonnen, ist aber b) die Bewegung ist beendet, der Kausalismus, dem c) Die Kausalreihe ist abgelaufen, ohne das d) Die Kausalreihe hat ablaufend das Objekt erreicht, e) Der Erfolg, hier die Rechtsgüterverletzung -- Belei- Die Vollendung des Verbrechens kann unterbleiben: 2 [Spaltenumbruch]
Der Einfachheit wegen habe
ich Beispiele gewählt, bei wel- chen Vollendung des Verbrechens und Vollendung der Rechts- güterverletzung sich decken. Es bedarf aber wohl nur eines Hin- blickes auf den unten §. 36 I[Spaltenumbruch] erörterten Begriff der fingierten Thäterschaft, um sich zu über- zeugen, daß bei jedem Ver- brechen unter Umständen diese Stadien auseinanderfallen kön- nen. Entwicklung des Verſuchsbegriffes. §. 32. Wir können folgende Fälle unterſcheiden:2 a) die körperliche Bewegung hat begonnen, iſt aber b) die Bewegung iſt beendet, der Kauſalismus, dem c) Die Kauſalreihe iſt abgelaufen, ohne das d) Die Kauſalreihe hat ablaufend das Objekt erreicht, e) Der Erfolg, hier die Rechtsgüterverletzung — Belei- Die Vollendung des Verbrechens kann unterbleiben: 2 [Spaltenumbruch]
Der Einfachheit wegen habe
ich Beiſpiele gewählt, bei wel- chen Vollendung des Verbrechens und Vollendung der Rechts- güterverletzung ſich decken. Es bedarf aber wohl nur eines Hin- blickes auf den unten §. 36 I[Spaltenumbruch] erörterten Begriff der fingierten Thäterſchaft, um ſich zu über- zeugen, daß bei jedem Ver- brechen unter Umſtänden dieſe Stadien auseinanderfallen kön- nen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0159" n="133"/> <fw place="top" type="header">Entwicklung des Verſuchsbegriffes. §. 32.</fw><lb/> <p>Wir können folgende Fälle unterſcheiden:<note place="foot" n="2"><cb/> Der Einfachheit wegen habe<lb/> ich Beiſpiele gewählt, bei wel-<lb/> chen Vollendung des Verbrechens<lb/> und Vollendung der Rechts-<lb/> güterverletzung ſich decken. Es<lb/> bedarf aber wohl nur eines Hin-<lb/> blickes auf den unten §. 36 <hi rendition="#aq">I</hi><cb/> erörterten Begriff der fingierten<lb/> Thäterſchaft, um ſich zu über-<lb/> zeugen, daß bei <hi rendition="#g">jedem</hi> Ver-<lb/> brechen unter Umſtänden dieſe<lb/> Stadien auseinanderfallen kön-<lb/> nen.</note></p><lb/> <p><hi rendition="#aq">a</hi>) die <hi rendition="#g">körperliche Bewegung</hi> hat begonnen, iſt aber<lb/> noch nicht abgeſchloſſen; ich bin im Begriffe, den nach New-<lb/> York beſtimmten beleidigenden Brief in den Briefkaſten zu<lb/> werfen; ich habe die das Beil führende Hand zum Schlage<lb/> erhoben uſw.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">b</hi>) die Bewegung iſt beendet, der <hi rendition="#g">Kauſalismus</hi>, dem<lb/> ſie den Anſtoß gegeben, <hi rendition="#g">iſt im Laufen begriffen</hi>: mein<lb/> Brief iſt auf dem Poſtdampfer unterwegs nach Amerika; der<lb/> zu fällende Baum hat den letzten Schlag erhalten und be-<lb/> ginnt langſam zu ſinken.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">c</hi>) Die <hi rendition="#g">Kauſalreihe iſt abgelaufen, ohne das<lb/> vorgeſtellte Objekt zu treffen</hi>: der Poſtdampfer iſt mit<lb/> der ganzen Ladung geſcheitert, der Baum iſt geſtürzt, aber<lb/> hart <hi rendition="#g">neben</hi> dem auf dem Raſen ſchlafenden <hi rendition="#aq">B.</hi></p><lb/> <p><hi rendition="#aq">d</hi>) Die Kauſalreihe hat ablaufend das Objekt erreicht,<lb/> aber noch iſt der vorgeſtellte Erfolg nicht eingetreten: mein<lb/> Brief liegt im Hauſe des Adreſſaten, der auf einige Tage<lb/> verreiſt, erſt in mehreren Stunden eintreffen ſoll: der ſchla-<lb/> fende <hi rendition="#aq">B</hi> iſt getroffen, tötlich verletzt, aber er lebt noch.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">e</hi>) Der Erfolg, hier die Rechtsgüterverletzung — Belei-<lb/> digung, Tötung — iſt eingetreten: Zeitpunkt der <hi rendition="#g">Voll-<lb/> endung</hi>.</p><lb/> <p>Die Vollendung des Verbrechens kann unterbleiben:<lb/><hi rendition="#aq">ad a</hi>, wenn die Bewegung gehemmt wird; <hi rendition="#aq">ad b</hi>, wenn die<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [133/0159]
Entwicklung des Verſuchsbegriffes. §. 32.
Wir können folgende Fälle unterſcheiden: 2
a) die körperliche Bewegung hat begonnen, iſt aber
noch nicht abgeſchloſſen; ich bin im Begriffe, den nach New-
York beſtimmten beleidigenden Brief in den Briefkaſten zu
werfen; ich habe die das Beil führende Hand zum Schlage
erhoben uſw.
b) die Bewegung iſt beendet, der Kauſalismus, dem
ſie den Anſtoß gegeben, iſt im Laufen begriffen: mein
Brief iſt auf dem Poſtdampfer unterwegs nach Amerika; der
zu fällende Baum hat den letzten Schlag erhalten und be-
ginnt langſam zu ſinken.
c) Die Kauſalreihe iſt abgelaufen, ohne das
vorgeſtellte Objekt zu treffen: der Poſtdampfer iſt mit
der ganzen Ladung geſcheitert, der Baum iſt geſtürzt, aber
hart neben dem auf dem Raſen ſchlafenden B.
d) Die Kauſalreihe hat ablaufend das Objekt erreicht,
aber noch iſt der vorgeſtellte Erfolg nicht eingetreten: mein
Brief liegt im Hauſe des Adreſſaten, der auf einige Tage
verreiſt, erſt in mehreren Stunden eintreffen ſoll: der ſchla-
fende B iſt getroffen, tötlich verletzt, aber er lebt noch.
e) Der Erfolg, hier die Rechtsgüterverletzung — Belei-
digung, Tötung — iſt eingetreten: Zeitpunkt der Voll-
endung.
Die Vollendung des Verbrechens kann unterbleiben:
ad a, wenn die Bewegung gehemmt wird; ad b, wenn die
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Der Einfachheit wegen habe
ich Beiſpiele gewählt, bei wel-
chen Vollendung des Verbrechens
und Vollendung der Rechts-
güterverletzung ſich decken. Es
bedarf aber wohl nur eines Hin-
blickes auf den unten §. 36 I
erörterten Begriff der fingierten
Thäterſchaft, um ſich zu über-
zeugen, daß bei jedem Ver-
brechen unter Umſtänden dieſe
Stadien auseinanderfallen kön-
nen.
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