Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Die Fahrlässigkeit. §. 29. Regeln (vgl. oben §. 19 IV), so daß in unserem Beispieledas Delikt in Berlin und in dem Augenblicke begangen ist, in welchem der Dampfkessel in der Fabrik zu funktionieren beginnt; die Vollendung des Verbrechens endlich be- stimmt sich nach dem Eintritte des rechtswidrigen Erfolges. Ueber die Beteiligung Mehrerer an demselben fahrlässigen Delikte ist das oben §. 20 III über den Kausalzusammen- hang und das unten §. 35 II 1 über die Teilnahme Ge- sagte zu vergleichen. II. Die Fahrlässigkeit beruht auf einem Irrtume über III. Alle Normen sind an sich der fahrlässigen Uebertre- Die Fahrläſſigkeit. §. 29. Regeln (vgl. oben §. 19 IV), ſo daß in unſerem Beiſpieledas Delikt in Berlin und in dem Augenblicke begangen iſt, in welchem der Dampfkeſſel in der Fabrik zu funktionieren beginnt; die Vollendung des Verbrechens endlich be- ſtimmt ſich nach dem Eintritte des rechtswidrigen Erfolges. Ueber die Beteiligung Mehrerer an demſelben fahrläſſigen Delikte iſt das oben §. 20 III über den Kauſalzuſammen- hang und das unten §. 35 II 1 über die Teilnahme Ge- ſagte zu vergleichen. II. Die Fahrläſſigkeit beruht auf einem Irrtume über III. Alle Normen ſind an ſich der fahrläſſigen Uebertre- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0145" n="119"/><fw place="top" type="header">Die Fahrläſſigkeit. §. 29.</fw><lb/> Regeln (vgl. oben §. 19 <hi rendition="#aq">IV</hi>), ſo daß in unſerem Beiſpiele<lb/> das Delikt in Berlin und in dem Augenblicke begangen iſt,<lb/> in welchem der Dampfkeſſel in der Fabrik zu funktionieren<lb/> beginnt; die <hi rendition="#g">Vollendung des Verbrechens</hi> endlich be-<lb/> ſtimmt ſich nach dem Eintritte des rechtswidrigen Erfolges.<lb/> Ueber die Beteiligung <hi rendition="#g">Mehrerer</hi> an demſelben fahrläſſigen<lb/> Delikte iſt das oben §. 20 <hi rendition="#aq">III</hi> über den Kauſalzuſammen-<lb/> hang und das unten §. 35 <hi rendition="#aq">II</hi> 1 über die Teilnahme Ge-<lb/> ſagte zu vergleichen.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">II.</hi> Die Fahrläſſigkeit beruht auf einem <hi rendition="#g">Irrtume über<lb/> die Kauſalität der Handlung</hi>; die Vorſtellung von<lb/> dem Erfolge und der Erfolg ſelbſt decken ſich in einem weſent-<lb/> lichen Punkte nicht. <hi rendition="#g">Inſofern</hi> bildet die Fahrläſſigkeit das<lb/> Gegenbild des Vorſatzes; und von der Entſcheidung der<lb/> Frage, welche Punkte in dem Inhalte der Vorſtellung als<lb/><hi rendition="#g">weſentliche</hi> zu betrachten ſeien (vgl. oben §. 28 <hi rendition="#aq">V</hi>) wird<lb/> die Grenzbeſtimmung zwiſchen dem Gebiete des Vorſatzes<lb/> und jenem der Fahrläſſigkeit abhängen. Aber dieſe iſt nicht<lb/> das <hi rendition="#g">reine</hi> Gegenbild des Vorſatzes; nicht jeder, ſondern nur<lb/> der (kurz geſagt) <hi rendition="#g">verſchuldete</hi> Irrtum iſt Fahrläſſigkeit.<lb/> Nicht mehr will der gänzlich überflüſſige und darum ver-<lb/> wirrende 2. Abſatz des §. 59 StGB. ſagen.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">III.</hi> Alle Normen ſind an ſich der fahrläſſigen Uebertre-<lb/> tung fähig. Aber nicht jede fahrläſſige Normübertretung<lb/> wird von dem poſitiven Rechte mit Strafe belegt. Es bildet<lb/> im Gegenteile nach Reichsrecht die Beſtrafung fahrläſſiger<lb/> Delikte eine <hi rendition="#g">Ausnahme</hi>, die nur dann als gegeben anzu-<lb/> nehmen iſt, wenn der Wille, auch die fahrläſſige Uebertretung<lb/> zu beſtrafen, ausdrücklich im Geſetze ausgeſprochen oder aus<lb/> dem Zuſammenhange der geſetzlichen Beſtimmungen mit<lb/> Sicherheit zu entnehmen iſt. Ausdrücklich droht das Geſetz<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0145]
Die Fahrläſſigkeit. §. 29.
Regeln (vgl. oben §. 19 IV), ſo daß in unſerem Beiſpiele
das Delikt in Berlin und in dem Augenblicke begangen iſt,
in welchem der Dampfkeſſel in der Fabrik zu funktionieren
beginnt; die Vollendung des Verbrechens endlich be-
ſtimmt ſich nach dem Eintritte des rechtswidrigen Erfolges.
Ueber die Beteiligung Mehrerer an demſelben fahrläſſigen
Delikte iſt das oben §. 20 III über den Kauſalzuſammen-
hang und das unten §. 35 II 1 über die Teilnahme Ge-
ſagte zu vergleichen.
II. Die Fahrläſſigkeit beruht auf einem Irrtume über
die Kauſalität der Handlung; die Vorſtellung von
dem Erfolge und der Erfolg ſelbſt decken ſich in einem weſent-
lichen Punkte nicht. Inſofern bildet die Fahrläſſigkeit das
Gegenbild des Vorſatzes; und von der Entſcheidung der
Frage, welche Punkte in dem Inhalte der Vorſtellung als
weſentliche zu betrachten ſeien (vgl. oben §. 28 V) wird
die Grenzbeſtimmung zwiſchen dem Gebiete des Vorſatzes
und jenem der Fahrläſſigkeit abhängen. Aber dieſe iſt nicht
das reine Gegenbild des Vorſatzes; nicht jeder, ſondern nur
der (kurz geſagt) verſchuldete Irrtum iſt Fahrläſſigkeit.
Nicht mehr will der gänzlich überflüſſige und darum ver-
wirrende 2. Abſatz des §. 59 StGB. ſagen.
III. Alle Normen ſind an ſich der fahrläſſigen Uebertre-
tung fähig. Aber nicht jede fahrläſſige Normübertretung
wird von dem poſitiven Rechte mit Strafe belegt. Es bildet
im Gegenteile nach Reichsrecht die Beſtrafung fahrläſſiger
Delikte eine Ausnahme, die nur dann als gegeben anzu-
nehmen iſt, wenn der Wille, auch die fahrläſſige Uebertretung
zu beſtrafen, ausdrücklich im Geſetze ausgeſprochen oder aus
dem Zuſammenhange der geſetzlichen Beſtimmungen mit
Sicherheit zu entnehmen iſt. Ausdrücklich droht das Geſetz
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |