Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Erst. Buch. IV. Das Verbr. als schuldh. rechtswidr. Handl. Gesetzgebung hat dies nicht gethan.4 Nur ausnahmsweisehat sie das an sich selbstverständliche Merkmal der Rechts- widrigkeit in den besonderen Thatbestand einzelner Delikte aufgenommen und damit erklärt, daß die allgemeine Regel des §. 59 StGB., nach welcher die Vorstellung alle Merk- male des besonderen Thatbestandes umfassen muß (vgl. unten V) ausnahmsweise auch auf das Moment der Rechtswidrig- keit ausgedehnt werden solle.5 Man vgl. StGB. §§. 123, 124, 239, 240, 291, 339, 353 a u. A. Und zwar handelt es sich hier durchaus um solche Normen, deren als Regel gedachte Herrschaft durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen wird, so daß ein Zweifel darüber, ob ein konkreter Fall unter die Regel oder unter eine der Ausnahmen zu subsu- mieren sei, leicht möglich ist und Berücksichtigung verdient. Abgesehen von diesen Ausnahmen ist das Bewußtsein 4 [Spaltenumbruch]
Der von Binding Nor- men II S. 356--486 angetretene Gegenbeweis aus dem positiven Rechte ist m. E. mißlungen. Der Beweis aus dem allgemei- nen Begriffe der Schuld aber fällt mit diesem. Theorie und Praxis schwanken. Ueber letztere vgl. Binding Normen II Note 724. Die richtige Ansicht vertritt RGR. 29. Januar 1880, R I 291, E I 88 (für StGB. §. 180); 17. März 1880, E I[Spaltenumbruch] 272, R I 448 (für StGB. §. 137); (bedenklich RGR. 24. Oktober 1879, R I 16). Vgl. für die richtige Ansicht auch RGR. 9. Dezember 1879, R I 132. 5 [Spaltenumbruch]
Gerade diese Ausnahmen beweisen die Regel. Die Geg- ner -- auch Binding -- müssen jene für geradezu sinnlos er- klären. 6 [Spaltenumbruch]
A. A. Meyer Lehrbuch
S. 242 und die daselbst Note 5 Erſt. Buch. IV. Das Verbr. als ſchuldh. rechtswidr. Handl. Geſetzgebung hat dies nicht gethan.4 Nur ausnahmsweiſehat ſie das an ſich ſelbſtverſtändliche Merkmal der Rechts- widrigkeit in den beſonderen Thatbeſtand einzelner Delikte aufgenommen und damit erklärt, daß die allgemeine Regel des §. 59 StGB., nach welcher die Vorſtellung alle Merk- male des beſonderen Thatbeſtandes umfaſſen muß (vgl. unten V) ausnahmsweiſe auch auf das Moment der Rechtswidrig- keit ausgedehnt werden ſolle.5 Man vgl. StGB. §§. 123, 124, 239, 240, 291, 339, 353 a u. A. Und zwar handelt es ſich hier durchaus um ſolche Normen, deren als Regel gedachte Herrſchaft durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen wird, ſo daß ein Zweifel darüber, ob ein konkreter Fall unter die Regel oder unter eine der Ausnahmen zu ſubſu- mieren ſei, leicht möglich iſt und Berückſichtigung verdient. Abgeſehen von dieſen Ausnahmen iſt das Bewußtſein 4 [Spaltenumbruch]
Der von Binding Nor- men II S. 356—486 angetretene Gegenbeweis aus dem poſitiven Rechte iſt m. E. mißlungen. Der Beweis aus dem allgemei- nen Begriffe der Schuld aber fällt mit dieſem. Theorie und Praxis ſchwanken. Ueber letztere vgl. Binding Normen II Note 724. Die richtige Anſicht vertritt RGR. 29. Januar 1880, R I 291, E I 88 (für StGB. §. 180); 17. März 1880, E I[Spaltenumbruch] 272, R I 448 (für StGB. §. 137); (bedenklich RGR. 24. Oktober 1879, R I 16). Vgl. für die richtige Anſicht auch RGR. 9. Dezember 1879, R I 132. 5 [Spaltenumbruch]
Gerade dieſe Ausnahmen beweiſen die Regel. Die Geg- ner — auch Binding — müſſen jene für geradezu ſinnlos er- klären. 6 [Spaltenumbruch]
A. A. Meyer Lehrbuch
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Erſt. Buch. IV. Das Verbr. als ſchuldh. rechtswidr. Handl.
Geſetzgebung hat dies nicht gethan. 4 Nur ausnahmsweiſe
hat ſie das an ſich ſelbſtverſtändliche Merkmal der Rechts-
widrigkeit in den beſonderen Thatbeſtand einzelner Delikte
aufgenommen und damit erklärt, daß die allgemeine Regel
des §. 59 StGB., nach welcher die Vorſtellung alle Merk-
male des beſonderen Thatbeſtandes umfaſſen muß (vgl. unten V)
ausnahmsweiſe auch auf das Moment der Rechtswidrig-
keit ausgedehnt werden ſolle. 5 Man vgl. StGB. §§. 123,
124, 239, 240, 291, 339, 353 a u. A. Und zwar handelt
es ſich hier durchaus um ſolche Normen, deren als Regel
gedachte Herrſchaft durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen
wird, ſo daß ein Zweifel darüber, ob ein konkreter Fall
unter die Regel oder unter eine der Ausnahmen zu ſubſu-
mieren ſei, leicht möglich iſt und Berückſichtigung verdient.
Abgeſehen von dieſen Ausnahmen iſt das Bewußtſein
der Normwidrigkeit nur bei der Strafzumeſſung von Be-
deutung. Vorſatz liegt alſo vor nicht nur bei irriger Nicht-
ſubſumption der That unter die Norm, ſondern auch
bei irriger Subſumption derſelben unter eine Ausnahme
von der Norm (irriger Annahme eines Notſtandes, der Not-
wehr, einer ſubjektiven Berechtigung uſw.). 6
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Der von Binding Nor-
men II S. 356—486 angetretene
Gegenbeweis aus dem poſitiven
Rechte iſt m. E. mißlungen.
Der Beweis aus dem allgemei-
nen Begriffe der Schuld aber
fällt mit dieſem. Theorie und
Praxis ſchwanken. Ueber letztere
vgl. Binding Normen II
Note 724. Die richtige Anſicht
vertritt RGR. 29. Januar 1880,
R I 291, E I 88 (für StGB.
§. 180); 17. März 1880, E I
272, R I 448 (für StGB.
§. 137); (bedenklich RGR. 24.
Oktober 1879, R I 16). Vgl.
für die richtige Anſicht auch
RGR. 9. Dezember 1879, R I
132.
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Gerade dieſe Ausnahmen
beweiſen die Regel. Die Geg-
ner — auch Binding — müſſen
jene für geradezu ſinnlos er-
klären.
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