Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Erstes Buch. III. Das Verbrechen als rechtswidr. Handl. Angriff abgewehrt werden kann. Ausgeschlossen istNotwehr dagegen a) gegenüber einem erst in der Zukunft drohen- den Angriffe. Schutzmaßregeln gegen künftige Verletzungen, wie Fußangeln, Selbstgeschosse, Wolfsgräben, sind, wenn sie erst im Augenblicke des Angriffes funktioniren sollen, gestattet, soweit sie nicht (was allerdings meist der Fall sein wird) die Grenzen der erforderlichen Verteidi- gung überschreiten.4 b) Gegenüber dem beendeten Angriffe. Da der Diebstahl nicht schon mit der Ergreifung der Sache sondern erst mit dem Bruche des Gewahr- sams vollendet wird, ist Notwehr gegen den flüchtigen Dieb (aber ex continenti non ex inter- vallo l. 3 §. 9 Dig. 43, 16) allerdings unter Umständen zulässig.5 c) Der Angriff muß gegen irgend ein Rechtsgut, d. h. gegen ein rechtlich geschütztes Interesse gerichtet sein. Das Gesetz macht unter den Rechtsgütern keinen Unter- schied. Auch zum Schutze politischer Rechtsgüter ist Notwehr zulässig. 2. Die Verteidigung darf a) die Grenzen des unbedingt Notwendigen nicht über- schreiten. Das Maß der "erforderlichen" Verteidigung liegt in der Intensität des Angriffes.6 Ist die Ab- wehr des Angriffes auf andere Weise nicht möglich, 4 [Spaltenumbruch]
Lit. bei Meyer Lehrbuch S. 250 Note 9. 5 [Spaltenumbruch]
Lit. bei Meyer Lehrbuch S. 250 Note 10. 6 [Spaltenumbruch]
Lit. bei Meyer Lehrbuch
S. 251 Note 12. Erſtes Buch. III. Das Verbrechen als rechtswidr. Handl. Angriff abgewehrt werden kann. Ausgeſchloſſen iſtNotwehr dagegen α) gegenüber einem erſt in der Zukunft drohen- den Angriffe. Schutzmaßregeln gegen künftige Verletzungen, wie Fußangeln, Selbſtgeſchoſſe, Wolfsgräben, ſind, wenn ſie erſt im Augenblicke des Angriffes funktioniren ſollen, geſtattet, ſoweit ſie nicht (was allerdings meiſt der Fall ſein wird) die Grenzen der erforderlichen Verteidi- gung überſchreiten.4 β) Gegenüber dem beendeten Angriffe. Da der Diebſtahl nicht ſchon mit der Ergreifung der Sache ſondern erſt mit dem Bruche des Gewahr- ſams vollendet wird, iſt Notwehr gegen den flüchtigen Dieb (aber ex continenti non ex inter- vallo l. 3 §. 9 Dig. 43, 16) allerdings unter Umſtänden zuläſſig.5 c) Der Angriff muß gegen irgend ein Rechtsgut, d. h. gegen ein rechtlich geſchütztes Intereſſe gerichtet ſein. Das Geſetz macht unter den Rechtsgütern keinen Unter- ſchied. Auch zum Schutze politiſcher Rechtsgüter iſt Notwehr zuläſſig. 2. Die Verteidigung darf a) die Grenzen des unbedingt Notwendigen nicht über- ſchreiten. Das Maß der „erforderlichen“ Verteidigung liegt in der Intenſität des Angriffes.6 Iſt die Ab- wehr des Angriffes auf andere Weiſe nicht möglich, 4 [Spaltenumbruch]
Lit. bei Meyer Lehrbuch S. 250 Note 9. 5 [Spaltenumbruch]
Lit. bei Meyer Lehrbuch S. 250 Note 10. 6 [Spaltenumbruch]
Lit. bei Meyer Lehrbuch
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Erſtes Buch. III. Das Verbrechen als rechtswidr. Handl.
Angriff abgewehrt werden kann. Ausgeſchloſſen iſt
Notwehr dagegen
α) gegenüber einem erſt in der Zukunft drohen-
den Angriffe. Schutzmaßregeln gegen künftige
Verletzungen, wie Fußangeln, Selbſtgeſchoſſe,
Wolfsgräben, ſind, wenn ſie erſt im Augenblicke
des Angriffes funktioniren ſollen, geſtattet, ſoweit
ſie nicht (was allerdings meiſt der Fall ſein wird)
die Grenzen der erforderlichen Verteidi-
gung überſchreiten. 4
β) Gegenüber dem beendeten Angriffe. Da der
Diebſtahl nicht ſchon mit der Ergreifung der
Sache ſondern erſt mit dem Bruche des Gewahr-
ſams vollendet wird, iſt Notwehr gegen den
flüchtigen Dieb (aber ex continenti non ex inter-
vallo l. 3 §. 9 Dig. 43, 16) allerdings unter
Umſtänden zuläſſig. 5
c) Der Angriff muß gegen irgend ein Rechtsgut, d. h.
gegen ein rechtlich geſchütztes Intereſſe gerichtet ſein.
Das Geſetz macht unter den Rechtsgütern keinen Unter-
ſchied. Auch zum Schutze politiſcher Rechtsgüter iſt
Notwehr zuläſſig.
2. Die Verteidigung darf
a) die Grenzen des unbedingt Notwendigen nicht über-
ſchreiten. Das Maß der „erforderlichen“ Verteidigung
liegt in der Intenſität des Angriffes. 6 Iſt die Ab-
wehr des Angriffes auf andere Weiſe nicht möglich,
4
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Zitationshilfe: | Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/116>, abgerufen am 16.02.2025. |